Anm. zu BAG: Ein Bewerber, dessen vorheriges Arbeitsverhältnis auf Grund einer tariflichen Altersgrenze beendet wurde, kann bei seiner Bewerbung um Wiedereinstellung wegen seines Alters abgelehnt werden

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Das BAG hat mit Urteil v. 25.4.2024 (8 AZR 140/23) die bislang offen gelassene Frage bejaht, ob die Wiedereinstellung eines Bewerbers auf Grund seines Alters abgelehnt werden kann, wenn sein Arbeitsverhältnis auf Grund einer tarifvertraglichen Altersgrenze beendet wurde. Voraussetzung ist, dass ein jüngerer, qualifizierter Bewerber zur Verfügung steht, da dann dem mit der Altersgrenze verfolgten Ziel der ausgewobenen Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen entsprochen wird (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Die Parteien stritten über einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 15 Abs. 2 AGG wegen Altersdiskriminierung im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens.

Der 1952 geborene Kläger hat die Erste Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe I in den Fächern Deutsch und Musik abgelegt, sowie eine Ergänzungsprüfung für Praktische Philosophie. Weiter hat er die Erste und Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II in den Fächern Musik und Philosophie absolviert.

Nach langjähriger Tätigkeit als Lehrer bei dem beklagten Land befand er sich infolge des Erreichens der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung im Altersruhestand.

Das beklagte Land ist an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) gebunden, dessen § 33 Abs. 1 TV-L festlegt, dass das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem der Beschäftige das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen der Regelaltersgrenze vollendet hat endet. § 33 Abs. 5 TV-L bestimmt weiter, dass ein neuer schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen werden soll, wenn das Arbeitsverhältnis fortgeführt wird. Dabei gelten verkürzte Kündigungsfristen.

Am 20.12.2021 bewarb sich der Kläger bei einem Gymnasium des beklagten Landes um eine befristete Vertretungsstelle, die für die Fächer Deutsch und Philosophie/Praktische Philosophie ausgeschrieben war.

Die Bezirksregierung wies die Schulleitung darauf hin, dass bei der Einstellung von Bewerbern, die die Regelaltersgrenze überschritten haben, bestätigt werden müsse, dass sich sonst niemand beworben habe. Andernfalls müsse sehr genau begründet werden, warum jüngere Mitbewerber weniger qualifiziert seien. Obwohl sie den Kläger für besser qualifiziert hielt, beantragte die Schulleitung daraufhin die Besetzung mit einem jüngeren Mitbewerber, der für die Fächer Geschichte und Philosophie qualifiziert war. Dieser wurde dann eingestellt.

Der Kläger hat Schadensersatz aus § 15 Abs. 2 AGG wegen Altersdiskriminierung geltend gemacht und weiter eine Verletzung gegen das Prinzip der Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 GG gerügt. Er war damit in zwei Vorinstanzen erfolglos.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Das BAG bejaht zwar eine unmittelbare Benachteiligung auf Grund des Alters des Klägers iSv § 3 Abs. 1 AGG. Die unterschiedliche Behandlung sei aber nach § 10 Satz 1 und 2 AGG zulässig. Sie sei gem. § 10 Satz 1 AGG objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. Das BAG führt aus, dass legitime Ziele solche aus dem Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik seien, d.h. solche die im Allgemeininteresse stehen.

Unter Verweis auf bestehende EuGH-Rechtsprechung stellt das BAG fest, dass bzgl. der Beendigung von Arbeitsverhältnissen Altersgrenzen i.S.d. § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG vereinbart werden können. Das legitime Ziel liege hier in der besseren Beschäftigungsverteilung zwischen den Generationen. Mit dem Ausscheiden älterer Angestellten solle jüngeren Menschen beruflicher Aufstieg ermöglicht werden.

Dieses Ziel werde mit den Regelungen des TV-L verfolgt und rechtfertige daher auch die Ablehnung der Wiedereinstellung eines auf Grund einer Altersgrenze bereits ausgeschiedenen Beschäftigten. Denn wenn die Wiedereinstellung bei Vorhandensein von jüngeren qualifizierten Mitbewerbern nicht wegen der überschrittenen Altersgrenze abgelehnt werden könne, würde der Zweck der Altersgrenze unterlaufen.

Das BAG hält die Verweigerung der Wiedereinstellung für angemessen und erforderlich i.S.d. § 10 Satz 2 AGG, weil das legitime Ziel erreicht werde, ohne dass es zu einer übermäßigen Beeinträchtigung des Klägers komme und die Maßnahme auch nicht über das Ziel hinausgehe. Die Verweigerung sei nur gerechtfertigt, wenn das Ziel der Altersgrenze durch die Wiedereinstellung verfehlt werden würde. Dies sei aber der Fall, wenn es jüngere qualifizierte Bewerber gebe, da dann das Ziel der Generationengerechtigkeit verfolgt werden könne.

Auf die finanzielle Situation des Klägers komme es nicht an, da hierbei nichts anderes gelte als bei dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis auf Grund der Altersgrenze, was europarechtlich zulässig sei. Es komme auch nicht darauf an, ob der Kläger besser qualifiziert wäre, weil sich hieraus keine Altersdiskriminierung ergeben könne.

Einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG verneint das BAG, weil ansonsten die Zielsetzung der eigentlich zulässigen Altersgrenze untergraben werden würde, da ältere Bewerber wegen ihrer Erfahrung oftmals am besten geeignet wären.

Eine Vorlage zum EuGH sei nicht veranlasst, da dieser die maßgebliche Frage in seiner Entscheidung zur Zulässigkeit der Altersgrenze für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits beantwortet habe.

Hinweise für die Praxis:

Das BAG bestätigt in der Entscheidung eine früher offen gelassene Überlegung, ob eine tarifvertraglich vorgesehene Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen der Regelaltersgrenze auch die Ablehnung der Wiedereinstellung erlaubt. Es verhilft damit der tarifvertraglichen Altersgrenze zu ihrer effektiven Wirkung. Die Entscheidung ist zu begrüßen, da sie Rechtssicherheit schafft und eine aktive Beschäftigungsplanung ermöglicht, die auf Nachwuchsförderung ausgerichtet ist. Die Unternehmen können so nicht nur Fachkräftemangel entgegenwirken, sondern auch die Arbeitnehmer profitieren von Planungssicherheit.

Das BAG lässt ausdrücklich offen, ob bei der Rechtfertigung der altersbedingten Ablehnung eines Bewerbers, der die Regelaltersgrenze überschritten hat, danach zu differenzieren ist, ob ein befristeter oder unbefristeter Arbeitsvertrag geschlossen werden soll. Auch lässt es offen, ob die Ablehnung zulässig ist, wenn sich der ausgeschiedene Arbeitnehmer bei einem anderen Arbeitgeber bewirbt. Während die Zielsetzung sich hier problemlos übertragen ließe, ist nicht auszuschließen, dass insb. in letzterem Fall eine genauere Prüfung erforderlich wird, was die Angemessenheit und die Beeinträchtigungen des Bewerbers angeht.

Autorin: Rechtsanwältin Stephanie Mayer, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

Quelle: BAG, Urteil vom 25.4.2024 (8 AZR 140/23)