Anm. zu LAG Hessen: Rechtswidrigkeit eines Hausverbotes gegen einen Betriebsratsvorsitzenden

Das LAG Hessen hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren mit Beschluss v. 28.8.2023 (16 TaBVGa 97/23) bestätigt, dass die Verweigerung des Zutritts des Betriebsratsvorsitzenden zum Betrieb durch Ausspruch eines Hausverbots eine Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellt. Bei ganz gravierenden Pflichtverletzungen müsse ein Arbeitgeber selbst einen Antrag auf vorläufige Untersagung der Ausübung der Betriebsratstätigkeit bei einem Arbeitsgericht stellen (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Eine Arbeitgeberin, ein am Flughafen Frankfurt am Main tätiges Catering-Unternehmen für Fluggesellschaften, hat gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden ein Hausverbot ausgesprochen und dieses damit begründet, der Betriebsratsvorsitzende habe Urkunden gefälscht und damit eine Straftat begangen.

Der Betriebsratsvorsitzenden hatte sich im Vorzimmer der Betriebsleitung eines Eingangsstempels bedient und damit Betriebsratsunterlagen abgestempelt, nachdem Mitarbeiter der Personalabteilung und der Betriebsleiter die Annahme dieser Unterlagen verweigert hatten. Die Arbeitgeberin erstattete daraufhin Strafanzeige gegen den Betriebsratsvorsitzenden und sprach ihm ein Hausverbot aus, leitete ferner beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main ein Verfahren auf Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat ein.

Der Betriebsrat und der Betriebsratsvorsitzende haben sich im Eilverfahren gegen das erteilte Hausverbot gewandt und beantragt, dass dem Betriebsratsvorsitzenden ungehinderter Zutritt zu den Gebäuden und dem Gelände der Arbeitgeberin am Standort Frankfurt am Main zum Zwecke der Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit gewährt wird.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag statt gegeben (ArbG Frankfurt am Main v. 3.5.2023, 13 BVGa 223/23).

Entscheidungsgründe:

Das LAG Hessen hat die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen. Es führt zur Begründung aus, die Verweigerung des Zutritts des Betriebsratsvorsitzenden zum Betrieb durch Ausspruch eines Hausverbots stelle eine Behinderung der Betriebsratsarbeit dar. Betriebsratsmitglieder dürften in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden.

Bei ganz gravierenden Pflichtverletzungen müsse der Arbeitgeber selbst einen Antrag auf vorläufige Untersagung der Ausübung des Betriebsratsamts beim Arbeitsgericht stellen. Bei der Bewertung komme es dabei nicht auf die strafrechtliche Betrachtung, sondern darauf an, ob die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Betriebspartnern unzumutbar beeinträchtigt sei. Eine derart gravierende Störung der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat, die eine Behinderung des Zugangs des Betriebsratsvorsitzenden bis zum rechtskräftigen Abschluss des Amtsenthebungsverfahren rechtfertigen könnte, sei nach den Umständen des Falles nicht festzustellen.

Hinweise für die Praxis:

Bei der Freistellung eines Betriebsratsmitglieds, nicht nur des Vorsitzenden des Betriebsrates, ist Vorsicht geboten, wenn dadurch die Tätigkeit eines Betriebsratsmitglieds gestört oder behindert wird (§ 78 Satz 1 BetrVG). Dies gilt umso mehr, weil sich nach § 119 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG strafbar macht, wer die Tätigkeit des Betriebsrats behindert oder stört. Diese Straftat wird zwar nur auf Antrag verfolgt. Gerade in zwischen den Betriebspartnern angespannten Situationen werden solche Anträge aber auch einmal gestellt, häufiger angedroht.

Im Einzelfall sollte jeder Arbeitgeber bereits vor einer normalen Freistellung von der Arbeitspflicht prüfen, ob dies auf Grund des geschlossenen Arbeitsvertrages zulässig ist.

Sehr genau muss ein Arbeitgeber sich überlegen, ob einem Betriebsratsmitglied im Ausnahmefall evtl. auch der Zutritt zum Betrieb verweigert werden soll und darf, womit auch die Betriebsratstätigkeit behindert wird. Liegt eine gravierende Pflichtverletzung eines Betriebsratsmitglieds vor, sollte ein Arbeitgeber ausgehend von der neuen Entscheidung des LAG Hessen im Regelfall nicht sogleich ein Hausverbot verhängen, sondern selbst aktiv werden und beim Arbeitsgericht beantragen, dass dem Betriebsratsmitglied die Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit zumindest vorläufig untersagt wird.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Stefan Daub, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

Quelle: Pressemitteilung der Arbeitsgerichtsbarkeit Hessen vom 4.9.2023