Anm. zu LAG Köln: Schweigen schützt vor Haftung nicht

Compliance

Das LAG Köln hat mit Urteil v. 5.10.2023 (6 Sa 152/22) entschieden, dass es keinen Grund gebe, den im Prozess pflichtwidrig schweigenden Täter, der entgegen der Wahrheitspflicht aus § 138 Abs. 1 ZPO bestreitet, Schmiergeld entgegen genommen zu haben, i.R.d. Schadensschätzung durch die Begrenzung der Haftung auf einen Mindestschaden zu privilegieren (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Das LAG Köln entschied über die Klage einer Wohnungsgenossenschaft gegen ihren ehemaligen technischen Leiter. Die Wohnungsgenossenschaft mit ca. 1 600 Mitglieder verwaltet etwa 1 200 Wohnungen und fast 300 Garagen. Der ehemalige technische Leiter hatte in den Jahren 2010 bis 2014 Schmiergeldzahlungen vom Zeugen R angenommen, um dessen Bauunternehmen bei der Vergabe von Bauaufträgen zu bevorzugen. Zeuge R ist der ehemalige Geschäftsführer einer inzwischen insolventen Firma mit dem Namen R + Konzeptbau GmbH. Diese Zahlungen wurden systematisch durch die Buchführung des Bauunternehmens mittels gefälschten Subunternehmer- und Lieferanten-Rechnungen verschleiert. Der Zeuge R wurde aufgrund umfangreicher Barentnahmen wegen Steuerhinterziehung zu zwei Jahren Haft verurteilt. Der Beklagte wurde wegen Bestechlichkeit zu eineinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Die Klägerin argumentierte, dass durch die Handlungen des ehemaligen technischen Leiters ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden für die Genossenschaft entstanden sei und verklagte diesen auf Schadensersatz im Umfang von 1 579 844 € und verlangte die Offenlegung der erhaltenen Schmiergeldbeträge.

Der Beklagte verweigerte eine detaillierte Auskunft über die von ihm erhaltenen Schmiergeldzahlungen und bestritt die Höhe des geltend gemachten Schadens.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht bestätigte nach umfangreicher Beweisaufnahme, dass der Beklagte tatsächlich Schmiergelder in erheblichem Umfang angenommen hatte. Dann, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Aufgaben eine Geschäftsanmaßung begehe, indem er Schmiergeldzahlungen annehme, stehe der Arbeitgeberin grds. in Höhe der Schmiergeldzahlungen ein entsprechender Herausgabeanspruch zu. Vereinbarungen über die Zahlung eines Schmiergelds für die künftige Bevorzugung bei der Vergabe von Aufträgen, die Beschäftigte einer Partei heimlich mit dem anderen Vertragsteil treffen, verstießen gegen die guten Sitten, seien i.S.d. § 687 BGB "unerlaubt" und gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Die Herausgabepflicht folge aus § 667 BGB und umfasse hierbei „alle“ für den Beauftragten persönlich bestimmten Vorteile. Bei Feststellung der Schadenshöhe sei der im Prozess entgegen der zivilprozessualen Wahrheitspflicht des § 138 ZPO schweigende Täter nicht dadurch zu privilegieren, dass über § 287 ZPO lediglich ein Mindestschaden zu schätzen sei. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Beklagte lüge, wenn er behaupte, keine Schmiergeldzahlungen entgegen genommen zu haben. Ohne Erfolg mache er geltend, die Schadensschätzung erfolge auf der Grundlage der Bekundungen „eines Kriminellen“. Der besagte Kriminelle, Zeuge R, gab an, er habe in erheblichem Umfang die Barentnahmen für Bestechungsgelder an den Beklagten verwandt und sei dabei bei der Auftragsvergabe bevorzugt worden. Damit habe der Zeuge im Gegensatz zum Beklagten ein Geständnis abgelegt und sich mit diesem Geständnis massiv selbst belastet. Im Rahmen des § 138 Abs. 2 und Abs. 1 ZPO wäre es der prozessualen Situation des Beklagten möglicherweise förderlich gewesen, wenn er sich zu den Darlegungen zur Schadenshöhe – ebenfalls in Gestalt eines Geständnisses – eingelassen hätte. Da er das nicht getan habe, er vielmehr die Entgegennahme von Schmiergeld schon dem Grunde nach wahrheitswidrig bestritten habe, seien die von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen gem. § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig und damit auch der geschätzte Betrag von 1 579 844 €.

Hinweis für die Praxis:

Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitnehmer, die Schmiergelder annehmen, nicht nur ihr Arbeitsverhältnis aufs Spiel setzen. Auch müssen diese grds. umfassend für den entstandenen Schaden haften und dies unabhängig davon, ob sie die genaue Höhe der angenommenen Gelder im Rahmen des Verfahrens offenlegen. Aus Compliance-Sicht ist es für Arbeitgeber daher umso wichtiger, im Falle von Korruptionsvorwürfen frühzeitig Beweise zu sichern und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen entsprechend sorgfältig vorzubereiten.

Autor: Dr. Andreas Schubert, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

Quelle: LAG Köln, Urt. v. 5.10.2023 (6 Sa 152/22)