
BAG: Umdeutung einer unzulässigen Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft
Verfahrens-/Prozessrecht
BAG, Beschluss vom 20.03.2025, 6 AZR 301/24
Verfahrensgang: ArbG Bayreuth, 1 Ca 295/23 vom 11.01.2024
LAG Nürnberg, 4 SLa 29/24 vom 02.10.2024
BAG, 6 AZR 301/24 vom 23.12.2024
Leitsatz:
Orientierungssätze:
1. Eine unzulässige Revision kann nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden, da beide Prozesshandlungen unterschiedliche Ziele verfolgen und deshalb nicht austauschbar sind (Rn. 12).
2. Die Frist zur Einlegung und Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG kann nicht verlängert werden, da es sich hierbei um eine Notfrist handelt, deren Verlängerung das Gesetz nicht vorsieht (Rn. 18 f.).
Gründe:
I. Die Parteien haben sich über die Anfechtung eines Aufhebungsvertrags gestritten. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts vom 11. Januar 2024 - 1 Ca 295/23 - mit Urteil vom 2. Oktober 2024 - 4 SLa 29/24 - zurückgewiesen und die Revision im Tenor der Entscheidung ausdrücklich nicht zugelassen. In Übereinstimmung damit wird in der Rechtsmittelbelehrung ausgeführt, dass gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben sei, und auf § 72a ArbGG hingewiesen.
Das Urteil wurde dem Kläger am 5. November 2024 zugestellt. Am 5. Dezember 2024 legte seine Prozessbevollmächtigte Revision gegen das Berufungsurteil ein und beantragte gleichzeitig eine Fristverlängerung um einen Monat zur Begründung der Revision. Mit gerichtlichem Schreiben vom 9. Dezember 2024 wurde der Kläger auf die Nichtzulassung der Revision im Tenor des Berufungsurteils hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Abgabe von Prozesserklärungen bis zum 23. Dezember 2024 gegeben. Gleichzeitig erhielt er die Mitteilung, dass sodann auch über den Fristverlängerungsantrag entschieden werde.
Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2024 begehrte der Kläger die Umdeutung der Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde. Mit einem weiteren Schriftsatz vom selben Tag legte er eine Nichtzulassungsbeschwerde ein. Zugleich erbat er erneut die bereits beantragte Fristverlängerung. Durch Beschluss der Vorsitzenden vom 23. Dezember 2024 wurde der Antrag, die Frist zur Begründung der als Nichtzulassungsbeschwerde umzudeutenden Revision zu verlängern, abgewiesen. Der Kläger wurde zudem darüber informiert, dass die Entscheidung über die Umdeutung der Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde dem Senat vorbehalten sei, die Abweisung des Fristverlängerungsantrags insoweit nur aus prozessualer Vorsorge erfolge und die nach Auffassung des Klägers vorsorglich am 20. Dezember 2024 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde verfristet sei. Der Beschluss wurde dem Kläger am 27. Dezember 2024 zugestellt.
Nachdem der Kläger mit dem am 13. Januar 2025 zugestellten gerichtlichen Schreiben vom 8. Januar 2025 auf die Versäumung der Frist für die Begründung seines Rechtsmittels bzw. -behelfs hingewiesen worden war, legte er am selben Tag gegen den Beschluss vom 23. Dezember 2024 Beschwerde ein und teilte mit, die Begründung werde nachgereicht. Mit gerichtlichem Schreiben vom 11. Februar 2025 wurde ihm eine Frist zur Begründung dieser Beschwerde und zur Abgabe von Prozesserklärungen bis zum 25. Februar 2025 gesetzt. Gleichzeitig wurde er darauf hingewiesen, dass weder die Revision noch die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der gesetzlichen Fristen begründet worden und deshalb als unzulässig zu verwerfen seien.
Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2025 beantragte der Kläger erneut die Umdeutung der Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde und begründete letztere mit einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das Landesarbeitsgericht.
II. Die Revision des Klägers ist unzulässig. Sie ist nicht statthaft und war deshalb gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 ArbGG zu verwerfen.
1. Nach § 72 Abs. 1 ArbGG findet die Revision nur statt, wenn sie im Urteil des Landesarbeitsgerichts oder durch Beschluss des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 ArbGG zugelassen worden ist (vgl. zB BAG 28. Mai 2020 - 8 AZR 169/19 - Rn. 11 f.; 22. Juni 1994 - 2 AZR 276/94 - zu II der Gründe mwN; 18. Juli 1986 - 2 AZR 206/86 - zu II 1 der Gründe).
2. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision in seinem Tenor ausdrücklich nicht zugelassen. Auch der Fall einer Zulassung der Revision durch das Bundesarbeitsgericht ist nicht gegeben.
III. Der Kläger hat auch keine zulässige Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Revisionsschrift vom 5. Dezember 2024 lässt zwar erkennen, dass mit ihr das Urteil des Landesarbeitsgerichts angegriffen werden soll. Gleichwohl ist weder eine Auslegung noch eine Umdeutung dahingehend möglich, dass mit ihr der allein zulässige Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden sollte.
1. Eine Auslegung der Revisionsschrift kommt nur in Betracht, wenn die abgegebene Erklärung mehrdeutig und damit auslegungsfähig ist (zu den Auslegungsgrundsätzen vgl. zB BAG 15. November 2018 - 6 AZR 522/17 - Rn. 14 mwN, BAGE 164, 168). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Schriftsatz vom 5. Dezember 2024 lässt bereits im Betreff erkennen, dass es sich um eine Revision handeln soll. Des Weiteren wird auf S. 2 in fett gedruckten Großbuchstaben, unterstrichen und deutlich vom übrigen Text abgesetzt das Rechtsmittel der "Revision" eingelegt und gleichzeitig beantragt, die Frist zur Revisionsbegründung zu verlängern. Schließlich wird mitgeteilt, dass die Anträge der Revisionsbegründungsschrift vorbehalten werden. Da die Rechtsmittelschrift von einer Rechtsanwältin formuliert wurde, der Wortlaut eindeutig ist und das vermeintliche Ziel, die Zulassung der Revision zu erreichen, in der Revisionsschrift nicht einmal angedeutet wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das beabsichtigte Rechtsmittel lediglich falsch bezeichnet und in Wahrheit der statthafte Rechtsbehelf der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt worden ist (vgl. hierzu zB BSG 16. Juni 2020 - B 10 ÜG 1/20 R - Rn. 4; 17. Juli 2018 - B 2 U 6/18 R - Rn. 4).
2. Die Revision kann - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden.
Dies scheitert bereits daran, dass beide Anfechtungen unterschiedliche Zwecke verfolgen. Zwar kommt auch im Verfahrensrecht die Umdeutung einer Prozesshandlung in entsprechender Anwendung von § 140 BGB in Betracht, wenn die Voraussetzungen der umgedeuteten Prozesshandlung eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (BGH 19. März 2019 - XI ZR 50/18 - Rn. 17, BGHZ 221, 278). Nach diesen Grundsätzen scheidet allerdings eine Umdeutung eines Rechtsmittels in eine andere Rechtsmittelerklärung aus, wenn sich die beiden nicht nach Ziel und Wirkung entsprechen, sondern auf unterschiedliche Ziele gerichtet und nicht austauschbar sind. Mit einer Nichtzulassungsbeschwerde wird ausschließlich die Zulassung der Revision durch das Revisionsgericht begehrt. Die Revision selbst richtet sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts. Sie stehen damit in einem Stufenverhältnis selbständig nebeneinander und sind nicht austauschbar. Erst ein erfolgreicher Antrag auf Zulassung der Revision eröffnet die prozessrechtliche Möglichkeit, die Entscheidung des Berufungsgerichts mit diesem Rechtsmittel anzugreifen (vgl. zB BGH 13. März 2024 - XII ZR 89/22 - Rn. 11; 7. Oktober 1971 - IX ZR 101/67 - juris-Rn. 8; BVerwG 15. März 2018 - 4 B 14.18 - Rn. 7; 12. August 2008 - 6 B 50.08 - Rn. 5 und 7; 15. September 2005 - 6 B 54.05 - zu 1 b der Gründe; zum Charakter der Nichtzulassungsbeschwerde sh. auch BAG 8. Juni 2010 - 6 AZN 163/10 - Rn. 5).
IV. Selbst wenn man aber zugunsten des Klägers eine Umdeutung der Revisionseinlegung in die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde annehmen würde, wäre die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig. Der Kläger hat die Frist für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde versäumt. Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Berufungsurteils (zB BAG 8. Juni 2010 - 6 AZN 163/10 - Rn. 5 mwN). Sie beträgt zwei Monate und kann, weil es sich um eine Notfrist handelt, nicht verlängert werden (§ 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG; sh. hierzu Rn. 18 f.). Da im vorliegenden Fall das angefochtene Urteil dem Kläger am 5. November 2024 zugestellt worden ist, war die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde am Montag, den 6. Januar 2025, um 24: 00 Uhr abgelaufen. Die Begründung erfolgte am 13. Februar 2025, mithin nach Fristablauf. Ein Wiedereinsetzungsgesuch ist nicht erfolgt.
V. Ungeachtet dessen erfüllen die Ausführungen im Schriftsatz vom 13. Februar 2025 auch nicht die Anforderungen an eine zulässige Nichtzulassungsbeschwerdebegründung. Der Kläger stützt sich auf eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und rügt, das Landesarbeitsgericht habe es zu Unrecht unterlassen, ihn im Wege der Parteieinvernahme anzuhören.
1. Für eine Gehörsrüge gelten die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO gestellt werden. Daher sind die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes so substantiiert vorzutragen, dass allein anhand der Beschwerdebegründung und des Berufungsurteils das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulassung der Revision geprüft werden kann (vgl. zB BAG 27. Juli 2024 - 6 AZM 14/24 - Rn. 6 mwN).
2. Dies zugrunde gelegt ist die Beschwerde nicht in zulässiger Weise begründet. Der Kläger hat weder vorgetragen, überhaupt einen Antrag nach § 447 ZPO gestellt zu haben, den das Landesarbeitsgericht übergangen haben soll, noch, dass er die hierfür erforderlichen Voraussetzungen dargetan hat. Soweit er auf S. 2 der Beschwerdebegründung auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2024 verweist, weist dieses ein solches Begehren nicht aus. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 2. Oktober 2024. Auch hier wurde ein entsprechendes Begehren des Klägers nicht protokolliert. Des Weiteren hat die Beschwerde das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Parteieinvernahme von Amts wegen gemäß § 448 ZPO nicht dargelegt.
Im Ergebnis wendet sich der Kläger mit seinen Ausführungen gegen eine seiner Auffassung nach fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht. Eine unzutreffende Rechtsanwendung - sollte sie vorliegen - stellt jedoch keinen der im Gesetz abschließend aufgeführten Zulassungsgründe dar. Ihre Überprüfung kann nicht im Rahmen eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, sondern nur in einem zugelassenen Revisionsverfahren erfolgen (vgl. zB BAG 31. März 2021 - 5 AZN 926/20 - Rn. 2; 23. Juni 2020 - 3 AZN 442/20 - Rn. 13). Daran fehlt es vorliegend.
VI. Die Beschwerde vom 13. Januar 2025 gegen den das Fristverlängerungsgesuch vom 20. Dezember 2024 abweisenden Beschluss vom 23. Dezember 2024 ist unstatthaft und war deshalb als unzulässig zurückzuweisen.
Bei der Frist des § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG handelt es sich - worauf der Kläger in dem angefochtenen Beschluss auch hingewiesen worden ist - um eine Notfrist. Die Möglichkeit ihrer Verlängerung ist im Gesetz nicht vorgesehen und deshalb nach § 224 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO ausgeschlossen (vgl. BGH 5. Dezember 2023 - XI ZA 1/23 - Rn. 9 mwN zur Notfrist des § 321a ZPO; ErfK/Koch 25. Aufl. ArbGG § 72a Rn. 6; BeckOK ArbR/Klose Stand 1. Dezember 2024 ArbGG § 72a Rn. 3 und 8; GMP/Müller-Glöge ArbGG 10. Aufl. § 72a Rn. 25 und 30 mwN).