Anm. zu ArbG Berlin: Bedrohung und Störung des Betriebsfriedens über Facebook: ordentliche Kündigung gerechtfertigt?

Kündigungsschutzgesetz

Das ArbG Berlin hat mit Urteil vom 7.10.2024 (59 Ca 8733/24 und 59 Ca 11420/24) entschieden, dass wenn ein Arbeitnehmer in einer über 1 000 Kollegen und Kolleginnen umfassenden privaten Facebook-Gruppe Drohungen gegen ver.di verbreitet, dies die ordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechtfertigt (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Die Beklagte BVG ist der bundesweit größte Betreiber im öffentlichen Personennahverkehr. Der Kläger ist als Straßenbahnfahrer für sie tätig. Er ist Administrator einer privaten Facebook-Gruppe, die sich an bei der Beklagten beschäftigtes Fahrpersonal richtet und circa 1 000 Mitglieder umfasst. Im Mai 2024 verfasst der Kläger einen an die Mitglieder der ver.di-Tarifkommission gerichteten Kommentar und stellt diesen in die Gruppe ein. Der Kommentar bezieht sich auf das Ergebnis einer ver.di-Mitgliederbefragung und endet mit einer Fotomontage. Zu sehen ist ein auf dem Boden kniender Mann, auf dessen Kopf der Lauf einer Pistole gerichtet ist. Neben dem Mann befindet sich der Schriftzug „ver.di“. Die Fotomontage ist mit dem Titel „VER.DI HÖRT DEN WARNSCHUSS NICHT!“ überschrieben. Sie weist auch das Logo der Arbeitgeberin aus. Über den Beitrag des Klägers beschweren sich sieben Beschäftigte der Beklagten, die auch als Gewerkschaftsfunktionäre tätig sind und sich durch die Darstellung des Klägers bedroht fühlen. Nach Anhörung des Klägers und des Personalrats kündigt die Beklagte sein Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich.

Entscheidungsgründe:

Das ArbG Berlin erklärte die hilfsweise ordentliche Kündigung für wirksam. Der Kläger, so die Kammer, habe mit der Fotomontage Beschäftigte konkret bedroht. Darin liege zugleich eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens. Die Facebook-Gruppe sei zwar privat, richte sich jedoch ausdrücklich an Fahrpersonal der Beklagten und verfüge mit rund 1.000 Mitgliedern über einen nicht mehr überschaubaren Adressatenkreis. Der Beitrag sei damit auch auf eine Außenwirkung angelegt gewesen. Die Fotomontage sei als Drohung an Beschäftigte, die sich aktiv für ver.di einsetzen, zu verstehen gewesen und, wie sich an den Beschwerden zeige, auch verstanden worden. Dies ergebe sich v.a. aus der Zielrichtung des Pistolenlaufs auf den Kopf des abgebildeten Mannes. Eine solche konkrete Bedrohung sei von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt. Gegeben sei auch eine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung. Der Kläger habe klar davon ausgehen müssen, dass diese von der Beklagten nicht hingenommen werden könne. Eine Abmahnung sei vor diesem Hintergrund entbehrlich. Allerdings ergebe die Interessenabwägung im konkreten Fall, dass die Kündigung nur als ordentliche Kündigung wirksam ist. Insbesondere auf Grund seiner Betriebszugehörigkeit und der erheblichen Unterhaltspflichten sei der Kläger auf die während der Kündigungsfrist zu leistende Vergütung angewiesen und benötige Zeit für das Auffinden einer neuen Beschäftigung.

Hinweis für die Praxis:

Das Urteil des ArbG Berlin veranschaulicht: Drohungen sind von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Es zeigt ferner, dass auch das (hier: vermeintlich) private Fehlverhalten eines Arbeitnehmers in sozialen Medien den Ausspruch einer Kündigung rechtfertigen kann. Dies ist jedoch nur in Ausnahmefällen möglich. Entscheidend ist, ob das Verhalten mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stand und zu betrieblichen Beeinträchtigungen geführt hat. Beides war vorliegend in einer Deutlichkeit gegeben, die wohl selten vorliegen dürfte. Arbeitgeber müssen vor Ausspruch einer Kündigung stets sorgfältig prüfen, ob ein hinreichender Zusammenhang zwischen dem Fehlverhalten und der betrieblichen Tätigkeit besteht. Ob das Urteil des ArbG Berlin in Rechtskraft erwächst, bleibt abzuwarten. Im Fall einer Berufung wird sich die nächste Instanz mit der Kündigung befassen müssen, hinter der offenbar ein tiefgreifender Konflikt zwischen gewerkschaftlich und nicht gewerkschaftlich orientierten Beschäftigten der BVG steht.

Autorin: Dr. Sabine Schröter, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Frankfurt am Main

Quelle: Pressemitteilung des ArbG Berlin Nr. 21/24 v. 31.10.2024