Anm. zu ArbG Siegburg: Verschimmeltes Obst in der Frischetheke: ein Kündigungsgrund für den stellv. Filialleiter?
Kündigungsschutzgesetz
Das ArbG Siegburg hat mit Urteil vom 26.6.2024 (3 Ca 386/24) entschieden, dass wenn sich in der Frischetheke eines Discounters bei Kontrollen verdorbenes Obst und Gemüse befindet, dies nicht immer die Kündigung des stellvertretenden Filialleiters rechtfertigt (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).
Sachverhalt:
Der Kläger war bei dem beklagten Discounter seit sieben Jahren als stellvertretender Filialleiter beschäftigt und unter anderem für die Frischetheke zuständig. Bei einer Kontrolle durch die Regionalleitung wurde dort verdorbene Ware entdeckt. Dafür wurde der Kläger abgemahnt. Als bei einer weiteren Kontrolle wieder verschimmeltes Obst und Gemüse vorgefunden wurde, kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos. Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage und behauptete, er habe die Frischetheke im Markt immer stichprobenartig kontrolliert. Dabei sei keine verschimmelte Ware aufgefallen.
Mit Urteil vom 26.6.2024 gab das ArbG Siegburg der Kündigungsschutzklage statt. Die Entscheidung ist noch nicht rkr. Gegen das Urteil kann Berufung beim LAG Köln eingelegt werden.
Entscheidungsgründe:
Weder die fristlose noch die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung hielt es für gerechtfertigt. Der Kläger habe die Kontrolle der Ware in der Obst- und Gemüsetheke auf andere, ihm unterstellte Mitarbeitern delegieren dürfen. Ein stellvertretender Filialleiter könne nicht alle Aufgaben selbst wahrnehmen. Dies habe zur Folge, dass der Kläger nur Stichprobenkontrollen habe durchführen müssen. Dass der Kläger seine stichprobenartigen Kontrollen nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe, sei seitens des Discounters nicht dargelegt worden.
Hinweis für die Praxis:
Wenn Fehler passieren – umso mehr wenn sie eine negative Außenwirkung haben - müssen Köpfe rollen, so sehen es viele Arbeitgeber. Aber der vorliegende Fall zeigt einmal mehr, wie schwierig es ist, Arbeitnehmer wegen fehlerhafter Arbeitsleistung oder Schlechtleistung zu kündigen. Die Anforderungen, die an eine (verhaltensbedingte) Kündigung gestellt werden, sind extrem hoch. Noch schwieriger wird es, wenn der Vorgesetzte gehen soll, der die fehlerhafte Aufgabe delegiert hat. Wie der vorliegende Fall zeigt, kann der Vorgesetzte nicht für sämtliche Fehler der ihm unterstellten Mitarbeiter zur Verantwortung gezogen werden, wenn er seinen Kontrollpflichten nachkommt. Stichprobenartige Kontrollen durch den Vorgesetzen sind häufig ausreichend. Daran ändert auch eine Abmahnung nichts. Solche Situationen sind oft sehr frustrierend für den Arbeitgeber, denn dieser möchte schließlich die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Passieren Fehler tut der Arbeitgeber gut daran, eben nicht nur eine Abmahnung auszusprechen, sondern er sollte die Situation genau zu analysieren und ggf. Routinen und Kontrollverfahren verändern und anzupassen. So wird es leichter sein, Verantwortlichen Fehler nachzuweisen, die dann bei mehrfacher Verletzung auch kündigungsrelevant sein können.
Es bleibt abzuwarten, ob gegen das vorliegende Urteil noch nicht rechtskräftige Urteil Berufung eingelegt wird.
Autorin: Rechtsanwältin Annette Rölz, Local Partnerin bei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB
Quelle: Pressemitteilung Nr. 2/2024 des ArbG Siegburg v. 8.7.2024