Anm. zu BSG: Elterngeld Plus auch bei längerer Arbeitsunfähigkeit

Das BSG hat mit Urteil vom 7.9.2023 (B 10 EG 2/22 R) entschieden, dass Elterngeld Plus auch bei längerer Arbeitsunfähigkeit beansprucht werden kann, obwohl nach den Richtlinien des Bundesfamilienministeriums dies nur bis zum Ende der Lohnfortzahlung möglich sein soll (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) haben Eltern Anspruch auf zusätzliche vier Monate Elterngeld Plus als Partnerschaftsbonus, wenn beide Elternteile ihr Kind betreuen und gleichzeitig zwischen 25 und 30 Wochenstunden erwerbstätig sind. Während einer Arbeitsunfähigkeit besteht die Erwerbstätigkeit nach den Richtlinien des Bundesfamilienministeriums zum Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) nur bis zum Ende der Lohnfortzahlung weiter.

Der Kläger war kurz nach Beginn der Partnerschaftsbonusmonate erkrankt und über das Ende der Lohnfortzahlung hinaus arbeitsunfähig. Daher hatte die Elterngeldstelle die Leistungsbewilligung aufgehoben und das Elterngeld Plus für die vollen vier Monate vom Kläger zurückgefordert.

Entscheidungsgründe:

Die Aufhebung und Rückforderung erfolgten zu Unrecht. So hatte dies bereits das LSG Niedersachsen-Bremen entschieden. Die Revision gegen das zweitinstanzliche Urteil wurde daher zurückgewiesen.

Das BSG hat entschieden, dass Eltern auch dann „erwerbstätig“ sind, wenn sie ihre auf die vorgeschriebene Zahl an Wochenstunden festgelegte Tätigkeit während einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit tatsächlich nicht ausüben können, jedoch das Arbeitsverhältnis fortbesteht und die konkrete Tätigkeit voraussichtlich wieder aufgenommen werden wird. Eine andere Auslegung des BEEG widerspräche dem Ziel des Elterngeld Plus, die partnerschaftliche Betreuung des Kindes bei gleichzeitiger Teilzeittätigkeit beider Eltern wirtschaftlich abzusichern.

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung des BSG ist richtig. Bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch umfasst der Begriff der »Erwerbstätigkeit« auch Phasen, innerhalb derer ein Arbeitnehmer bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis arbeitsunfähig erkrankt ist. Niemand käme auf die Idee, auf die Frage nach seinen Erwerbsstatus bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis während des Krankengeldbezuges mit »Nichterwerbstätig« zu antworten.

Auch nach Sinn und Zweck des Gesetzes hat das BSG den Rechtsbegriff zutreffend ausgelegt.

Wieder einmal wird belegt, dass die behördliche Rechtsansicht, die in Richtlinien oder Merkblättern dargestellt wird, nicht notwendigerweise richtig sein muss. Deshalb sollte man sich nicht abhalten lassen, Ansprüche auch dann geltend zu machen, wenn dies nicht der Rechtsansicht der bewilligenden Behörde entspricht.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Christoph Fingerle, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB Freiburg

Quelle: Pressemitteilung des BSG vom 7.9.2023 Nr. 29/2023