Anm. zu LAG Nürnberg: Streitwert im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren

Vergütungsrecht

Das LAG Nürnberg hat mit Beschluss vom 25.1.2024 (2 Ta 1/24) entschieden, dass ein Ausschlussantrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG, der sich gegen den Betriebsratsvorsitzenden richtet, regelmäßig mit dem doppelten Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bewerten ist (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Wirtschaftskanzlei ADVANT Beiten).

Sachverhalt:

In ihrem Antrag auf Einleitung eines Beschlussverfahrens beantragte die Arbeitgeberin den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat. Die Antragstellerin nahm den Antrag nach der Güteverhandlung zurück. Das Arbeitsgericht setzte den Gegenstandswert für das Verfahren auf 10.000 EUR fest. Die Antragstellerin wendet sich gegen den Beschluss mit dem Argument, dass der Streitwert mit dem Regelsatz des § 23 Abs. 3 RVG i.H.v. 5 000 € festzusetzen sei, weil es keinen Unterschied mache, ob der Ausschluss eines einfachen Betriebsratsmitglieds oder des Vorsitzenden beantragt werde. Auch müsse der Umfang des Verfahrens besichtigt werden. Der Gegenseite sei kein weiterer Aufwand mit Ausnahme der Teilnahme am Gütetermin entstanden.

Entscheidungsgründe:

Das Beschwerdegericht hat den Antrag zurückgewiesen. Der Antrag des Arbeitgebers, den Vorsitzenden aus dem Betriebsrat auszuschließen, stelle eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit dar, die gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 HS 2 RVG mit 5 000 €, je nach Lage des Falles aber auch niedriger oder höher bis zu 500 000 € zu bewerten ist. Bei der Bemessung des Gegenstandswertes gem. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG seien alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Umfang und die Bedeutung der Sache zu berücksichtigen. Hierzu zählen auch die wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechtsstreits und die rechtlichen und tatsächlichen Besonderheiten des Falles.

Vorliegend erachtet das LAG Nürnberg die besondere Funktion des Vorsitzenden für besonders bedeutsam. Dieser bekleide eine besondere Funktionen, so dass sich ein Ausschluss in qualifizierter Weise auf die Arbeit des Betriebsrats auswirken würde. er bekleide innerhalb des Betriebsrats eine herausgehobene Position. Der Vorsitzende vertritt den Betriebsrat im Rahmen der gefassten Beschlüsse und ist Ansprechpartner des Arbeitgebers (§ 26 Abs. 2 BetrVG). Ihm obliegt es ferner, für die ordnungsgemäße Durchführung der Betriebsratssitzungen Sorge zu tragen (§ 29 BetrVG), die Sitzungsniederschrift zu unterzeichnen (§ 34 BetrVG) und die Betriebsversammlung zu leiten (§ 42 Abs. 1 BetrVG). Auch ist der Betriebsratsvorsitzende kraft Amtes Mitglied in einem Betriebsausschuss und ihm kann in Betriebsräten mit weniger als neun Mitgliedern die Erledigung der laufenden Geschäfte übertragen werden (§ 27 BetrVG). Daher sei es regelmäßig gerechtfertigt, den doppelten Hilfswert (10 000 €) anzusetzen.

Hinweise für die Praxis:

Da der Arbeitgeber in arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren regelmäßig sämtliche Kosten, insbesondere auch die Anwaltskosten des Betriebsrats und seiner Mitglieder zu tragen hat, ist die gerichtliche Streitwertfestsetzung stets von besonderer Bedeutung. Leitlinien hierfür bietet der jeweils aktuelle Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit. Dieser entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht der erkennenden Gerichte gleichwohl eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar. Für die Bewertung des Ausschlusses eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat enthält der Streitwertkatalog aus dem allerdings noch keinen Vorschlag. Die Richter des in Rede stehenden Verfahrens hatten den Wert daher nach freiem Ermessen festzusetzen. Die Verdopplung des sog. Regelstreit- oder Hilfswertes hat das Beschwerdegericht nachvollziehbar begründet; durchgreifende Argumente stehen der Entscheidung nicht entgegen.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Andreas Imping, ADVANT Beiten, Düsseldorf

Quelle: Pressemitteilung des LAG Nürnberg Nr. 1/2024 v. 25.1.2024