Anm. zu LAG Sachsen: Besonderer Kündigungsschutz für stellvertretenden Datenschutzbeauftragten
Das LAG Sachsen hat in seinem Urteil vom 17.3.2023 (4 Sa 133/22) entschieden, dass § 6 Abs. 4 BDSG (neu) auch den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten vor dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung schützt (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer von der Beklagten als Arbeitgeberin gegenüber dem klagenden Arbeitnehmer ausgesprochene Kündigungen.
Bei der Beklagten ist das Kündigungsschutzgesetz anwendbar und es finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Parteien der TVöD und der VKA in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Der Kläger übte ab dem 1.10.2017 die Tätigkeit als Leiter des Bauordnungsamtes der Beklagten aus. Mit Wirkung ab dem 25.5.2018 wurde der Kläger mit seiner Zustimmung zusätzlich zum stellvertretenden Datenschutzbeauftragten der Beklagten bestellt. Neben mehreren außerordentlichen Kündigungen des Arbeitsverhältnisses sprach die Beklagte unter dem 28.2.2022 auch eine ordentliche Kündigung aus.
Der Kläger hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch in der Berufungsinstanz Erfolg.
Entscheidungsgründe:
Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung vom 28.2.2022 ist das LAG der Auffassung, diese sei bereits gem. § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG (neu) unwirksam. Diese Vorschrift lautet:
„(4) Die Abberufung der oder des Datenschutzbeauftragten ist nur in entsprechender Anwendung des § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zulässig. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche die öffentliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Nach dem Ende der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragte oder als Datenschutzbeauftragter ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Jahres unzulässig, es sei denn, dass die öffentliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt ist.“
Denn diese Norm finde auch auf stellvertretende Datenschutzbeauftragte Anwendung, so dass auch diese nur außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden können.
Die streitgegenständliche Kündigung sei ausdrücklich als ordentliche Kündigung bezeichnet und auch unter Einhaltung einer Kündigungsfrist ausgesprochen worden, so dass eine Umdeutung in eine außerordentliche Kündigung von vorneherein ausscheide.
Hinweis für die Praxis:
Die Entscheidung des LAG ist konsequent und im Sinne einer Klarstellung zu begrüßen, denn zur Vorgängerfassung des BDSG hatte das BAG mit Urteil vom 27.7.2017 (2 AZR 812/16) bereits in gleicher Weise entschieden und konstatiert, dass mehrere interne Datenschutzbeauftragte, die eine der Bestellpflicht unterliegende Stelle beruft, allesamt den entsprechenden Sonderkündigungsschutz genießen können.
Das Urteil erinnert Unternehmer daran, dass sie gut daran tun, schon bei der Bestellung von (stellvertretenden) Datenschutzbeauftragten den besonderen Kündigungsschutz mitzudenken. Es kann zur Vermeidung des besonderen Kündigungsschutzes sinnvoll sein, auf einen externen Datenschutzbeauftragten (DSB) ohne Arbeitsverhältnis zum Unternehmen zurückzugreifen, in jedem Fall aber sich mit einem DSB zu begnügen und auf Stellvertreter zu verzichten, zumal das BDSG einen stellvertretenden DSB eigentlich gar nicht vorsieht. Ferner muss bei Betriebsänderungen, die Kündigungen beinhalten, neben den weiteren zahlreichen Sonderkündigungsschutztatbeständen auch eine etwaige Stellung als DSB – stellvertretend oder nicht – stets im Blick behalten werden.
Autor: Rechtsanwalt Max Fahr, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
Quelle: LAG Sachsen, Urteil vom 17.3.2023 (4 Sa 133/22)