BFH: Keine grundsätzliche Bedeutung der Frage des Vorliegens eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft im ertragsteuerlichen Sinne bei Bezug von Fördermitteln der EU
Finanzgerichtsordnung / Einkommensteuer
BFH, Beschluss vom 03.11.2023, VI B 2/23
Verfahrensgang: FG Rheinland-Pfalz, 6 K 1990/19 vom 08.12.2022
Leitsatz:
1. NV: Das bloße Abmähen von Grünflächen und die Verwendung des Schnittguts für im Privatbereich gehaltene Tiere stellt keine "Verwertung" von Pflanzen/Pflanzenteilen mittels Nutzung der natürlichen Kräfte des Grund und Bodens dar und führt deshalb nicht zum Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebs.
2. NV: Der Bezug von Fördermitteln der Europäischen Union für Flächen, die ohne landwirtschaftliche Betätigung im Privatvermögen gehalten werden, kann einen landwirtschaftlichen Betrieb nicht begründen.
Gründe:
Die Beschwerde des Beklagten und Beschwerdeführers (Finanzamt –FA–) hat keinen Erfolg. Soweit das FA die geltend gemachten Zulassungsgründe in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Form dargelegt hat, liegen sie nicht vor.
1. a) Wird die Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO begründet, hat der Beschwerdeführer zur Erfüllung der Darlegungsanforderungen eine hinreichend bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 26.09.2017 - XI B 65/17, Rz 12 f., m.w.N.). Insbesondere sind Ausführungen dazu erforderlich, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (vgl. BFH-Beschluss vom 01.03.2016 - XI B 51/15, Rz 8). Allein der Vortrag, dass zu einer bestimmten Rechtsfrage noch keine Entscheidung des BFH vorliegt, rechtfertigt noch nicht die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. BFH-Beschluss vom 16.11.2022 - X B 46/22, Rz 9). Entsprechendes gilt für den Hinweis, die Revisionsentscheidung sei für eine größere Zahl von Fällen von Bedeutung. Auch dieses Vorbringen reicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache nicht aus; denn daraus ergibt sich nicht, dass die Rechtsfrage inhaltlich klärungsbedürftig ist (z.B. BFH-Beschluss vom 08.02.2017 - III B 66/16, Rz 3).
b) Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerde nicht. Zwar hat das FA noch sinngemäß die Rechtsfragen aufgeworfen, ob
die Beantragung und Vereinnahmung von europäischen Agrarförderprämien (Direktzahlungen des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft, Umverteilungsprämie und Greening-Prämie) zur Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führt sowie ob
die Erfüllung des § 2 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Agrarzahlungen-Verpflichtungsgesetzes i.V.m. Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 (hier: die Grundanforderungen an die Betriebsführung zum Erhalt von Flächen im guten und ökologischen Zustand), eine nach nationalen steuerlichen Vorschriften erwerbsrelevante land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit und damit einhergehend die Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 7 EStG indiziert, da sich der Antragsteller (Begünstigter) durch die Beantragung der Förderprämien der Europäischen Union (EU) und Erlangung eines Auszahlungsanspruchs daran bindet, die ihm zuzurechnenden Flächen entsprechend der Mindesttätigkeit zu bewirtschaften.
Das FA hat jedoch nicht –wie es erforderlich gewesen wäre– schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zu der aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargelegt, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Es hat nicht dargetan, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 05.06.2013 - XI B 116/12, Rz 14 und vom 24.02.2014 - XI B 15/13, Rz 9, jeweils m.w.N.).
Zudem ist in der Rechtsprechung geklärt, dass ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im ertragsteuerlichen Sinne eine selbständige, nachhaltige Betätigung erfordert, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (§ 13 i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG; z.B. Senatsurteil vom 23.10.2018 - VI R 5/17, BFHE 262, 425, BStBl II 2019, 601, Rz 20). Die für eine betriebliche Tätigkeit maßgebenden Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG gelten in gleicher Weise für land- und forstwirtschaftliche Einkünfte. Dazu treten müssen die die jeweilige land- und forstwirtschaftliche Erwirtschaftungsart kennzeichnenden Merkmale des § 13 Abs. 1 und 2 EStG (Senatsurteil vom 08.05.2019 - VI R 8/17, Rz 18). Unter Landwirtschaft ist dabei die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung und Verwertung von lebenden Pflanzen und Tieren zu verstehen (BFH-Urteil vom 16.11.1978 - IV R 191/74, BFHE 126, 220, BStBl II 1979, 246, unter 2.a, m.w.N. und Senatsurteil vom 09.05.2023 - VI R 38/20).
Das bloße Abmähen von Grünflächen und die Verwendung des Schnittguts für –wie im Streitfall– im Privatbereich gehaltene Tiere stellt dabei zunächst keine "Verwertung" von Pflanzen/Pflanzenteilen mittels Nutzung der natürlichen Kräfte des Grund und Bodens dar und führt deshalb nicht zum Vorliegen eines landwirtschaftlichen Betriebs (s. hierzu auch Senatsurteil vom 08.05.2019 - VI R 8/17, Rz 18 ff.). Insofern kann auch nicht –wie das FA meint– von einem großen, betroffenen Personenkreis (die "Land- und Forstwirte") gesprochen werden.
Ebenso kann beim Erhalt von Fördermitteln der EU für Flächen, die ohne Bewirtschaftung im vorgenannten Sinne im Privatvermögen gehalten werden, nicht von Landwirtschaft die Rede sein. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die hier in Rede stehenden europäischen Agrarförderprämien, die ersichtlich das Vorliegen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs voraussetzen, dem Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) zu Recht gewährt worden sind. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Flächen ungeachtet deren Privatnutzung dem Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers hätten zugeordnet werden müssen und damit unzweifelhaft Betriebseinnahmen vorlägen. Dafür könnte sprechen, dass die Flächen ausweislich der Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ursprünglich –jedenfalls teilweise– zum Betriebsvermögen eines auf den Kläger im Wege der Rechtsnachfolge übergegangenen Rinderzuchtbetriebs gehörten. Feststellungen dazu, ob dieser Betrieb, ungeachtet der Annahme einer Liebhaberei beim Rechtsvorgänger, von diesem oder vom Kläger aufgegeben und damit die Flächen ins Privatvermögen überführt worden sind, hat das FG nicht getroffen. Da es an diesbezüglichen Verfahrensrügen des FA fehlt, läge insoweit allenfalls ein Rechtsanwendungsfehler des FG vor, der mangels greifbarer Gesetzeswidrigkeit oder gar Willkür eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen könnte.
c) Das FA wendet sich letztlich im Stil einer Revisionsbegründung gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Vorentscheidung. Damit wird indessen weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch ein sonstiger Revisionszulassungsgrund dargelegt (s.a. Senatsbeschlüsse vom 11.05.2017 - VI B 105/16, Rz 14 und vom 05.08.2022 - VI B 65/21, Rz 11).
2. Aus denselben Gründen ist die Revision nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zuzulassen, da es sich bei dem Erfordernis einer Revisionsentscheidung zur Rechtsfortbildung um einen Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 22.08.2011 - III B 192/10, Rz 5).
3. Soweit das FA eine greifbare Gesetzeswidrigkeit darin sieht, dass laut dem FG bei einer Totalgewinnprognose die Annahme eines Liebhabereibetriebs gerechtfertigt wäre, selbst wenn mit dem Erhalt der Prämienzahlungen eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit des Klägers unterstellt würde, kommt eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht in Betracht. Dabei kann der beschließende Senat dahinstehen lassen, ob in dem Umstand, dass das FG die Totalgewinnprognose anhand der von den Klägern mitgeteilten Einnahmen und Ausgaben erstellt hat, obwohl das FA den Gewinn für die Streitjahre (2011 bis 2015) mangels entsprechenden Antrags (§ 13a Abs. 2 Satz 3 EStG) des Klägers nach § 13a EStG ermittelt hat, ein qualifizierter Rechtsfehler im Sinne einer greifbar gesetzwidrigen Entscheidung liegt.
Dem FA ist zwar darin zuzustimmen, dass dem FG insoweit ein Rechtsanwendungsfehler unterlaufen ist (s. BFH-Urteil vom 17.03.2010 - IV R 60/07, Rz 28, m.w.N.). Ist das Urteil des FG allerdings –wie vorliegend– kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden und vorliegen (z.B. BFH-Beschluss vom 09.06.2021 - I B 58/20, Rz 9, m.w.N.), was im Streitfall nicht der Fall ist. Denn für die selbständig tragende Begründung des FG, der Kläger habe in den Streitjahren mangels Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr durch die einheitlich zu betrachtende Pferdehaltung und Futtermittelproduktion keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt, liegen ausweislich der Ausführungen unter 1. und 2. keine Zulassungsgründe vor.