Anm. zu ArbG Hamburg: Arbeitgeberzuschuss in der betrieblichen Altersversorgung
Betriebsrentengesetz
Das ArbG Hamburg hat mit Urteil vom 11.1.2024 (4 Ca 184/23) entschieden, dass Ansprüche auf Zahlung des Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung nach § 1a Abs. 1a BetrAVG nach § 19 Abs.1 Satz 1 BetrAVG auch dann durch Tarifvertrag ausgeschlossen werden können, wenn der Tarifvertrag vor dem Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 1.1.2018 abgeschlossen wurde (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Wirtschaftskanzlei ADVANT Beiten).
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, einen Arbeitgeberzuschuss zum umgewandelten Entgelt nach § 1a Abs. 1a BetrAVG zu zahlen. Die Klägerin ist als Sozialversicherungsfachangestellte bei der Beklagten beschäftigt und Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft. Auf das Arbeitsverhältnis findet ein von der Beklagten abgeschlossener Tarifvertrag (nachfolgend Gesundheit-TV) vom 6.12.2013 i.d.F. des Änderungstarifvertrags Nummer 1-22 vom 28.2.2022 Anwendung, der unter anderem Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung durch Entgeltumwandlung enthält. Der Gesundheit-TV enthält nach Auffassung der Beklagten eine nach § 19 Abs. 1 BetrAVG zulässige Abweichung von der Zuschusspflicht nach § 1a Abs. 1a BetrAVG. Die Klagepartei vertritt die gegenteilige Auffassung, insbesondere unter Hinweis darauf, dass der TV älter als die durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz eingeführte Zuschusspflicht sei.
Entscheidungsgründe:
Das ArbG Hamburg hat die Klage abgewiesen. Die Klage ist in der Sache nicht begründet; die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zuschüsse der Beklagten nach § 1a Abs. 1a BetrAVG. Dem Anspruchsausschluss nach § 19 Abs. 1 BetrAVG steht nicht entgegen, dass die Regelung in § 40 Gesundheit-TV vor dem Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 1.1.2018 vereinbart und nicht danach bestätigt wurde. Ansprüche können nach § 19 Abs. 1 BetrAVG auch dann ausgeschlossen werden, wenn der abweichende Tarifvertrag vor dem 1.1.2018 abgeschlossen wurde. Der Sinn und Zweck der Tariföffnungsklausel in § 19 Abs. 1 BetrAVG spricht für die Abweichungsmöglichkeit durch tarifvertragliche Regelungen, die vor dem Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes vereinbart wurden. Die Tariföffnungsklausel beruht auf der Erwägung, dass tarifvertragliche Regelungen eine hinreichende Gewähr für eine angemessene Berücksichtigung auch der Interessen der Arbeitnehmer bieten, da grundsätzlich von der Parität der Vertragspartner und von deren Sachverstand ausgegangen werden kann. Die Richtigkeitsgewähr erstreckt sich insbesondere auf die Höhe derjenigen Leistungen, die ausverhandelt und tarifvertraglich vereinbart werden. Das in Tarifverträgen ausgehandelte Gesamtergebnis wäre hingegen gestört, wenn trotz der Tarifdispositivität des § 1a Abs. 1a BetrAVG ein Arbeitgeberzuschuss zu leisten wäre, obwohl ein solcher im Tarifvertrag nicht vorgesehen war. Tarifvertragliche Regelungen behalten ihre Richtigkeitsgewähr nur dann, wenn sie als ausgehandeltes Ganzes („Verhandlungspaket“) bestehen bleiben (BAG v. 3.4.2007, 9 AZR 867/06).
Hinweise für die Praxis:
Die zu begrüßende Entscheidung beantwortet die vom BAG noch offengelassene Frage, ob der Ausschlusstatbestand des § 19 BetrAVG auch für zeitlich vorgehende Tarifverträge gelten könne (vgl. BAG v. 8.3.2022, 3 AZR 362/21). Die Regelung enthält keine zeitliche Einschränkung. Der Gesetzgeber hatte keine Aussage darüber getroffen, dass es sich um Tarifverträge handeln muss, die erst nach dem 1.1.2019 abgeschlossen wurden. Dem Gesetzgeber war zudem positiv bekannt, dass es eine Vielzahl von Tarifverträgen zur Entgeltumwandlung auch schon vor dem 1.1.2019 gab, die keinen oder einen geringeren Arbeitgeberzuschuss als den in § 1a Abs. 1a BetrAVG geregelten vorsehen. Gleichwohl hat der Gesetzgeber den Zuschuss tarifdispositiv ausgestaltet, ohne eine ausdrückliche Regelung zur Frage des Zeitpunkts des Abschlusses des Tarifvertrages zu treffen. Dieser Einschätzung ist uneingeschränkt zuzustimmen.
Autor: Rechtsanwalt Dr. Andreas Imping, ADVANT Beiten, Düsseldorf
Quelle: ArbG Hamburg Urt. v. 11.1.2024 (4 Ca 184/23)