Anm. zu ArbG Hamburg: ChatGPT und Mitbestimmung

Betriebsverfassungsgesetz

Das ArbG Hamburg hat mit Beschluss vom 14.1.2024 (24 BVGa 1/24) entschieden, dass weder Vorgaben zur Nutzung noch die Nutzung von ChatGPT und vergleichbaren Tools über private Accounts selbst unter betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungstatbestände fallen (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Der Betriebsrat eines weltweit handelnden Medizintechnik-Herstellers wollte im Wege der einstweiligen Verfügung eine Untersagung des Einsatzes von ChatGPT und weiterer künstlicher Intelligenz (KI) durch die Belegschaft erreichen und dem Arbeitgeber verbieten, entsprechende Informationen hierzu im Intranet zur Verfügung zu stellen.

Der Arbeitgeber erlaubte es Arbeitnehmern, KI als Werkzeug bei der Arbeit auf freiwilliger Basis über Privataccounts und auf eigene Kosten nutzbar zu machen. Die beim Arbeitgeber geltenden KI-Leitlinien erklären u.a. „Nutzen wir die generative KI als neues Werkzeug, um unsere Arbeit zu unterstützen.“

ChatGPT und andere Systeme der generativen KI werden hierbei nicht auf den Computersystemen der Arbeitnehmer installiert. Die Nutzung der Tools erfolgt mittels Webbrowser und erfordert lediglich die Anlegung eines Accounts auf dem Server des jeweiligen Herstellers.

Arbeitnehmer, die die KI-Programme nutzen wollen, müssen eigene, private Accounts anlegen. Dienstliche Accounts werden nicht zur Verfügung gestellt. Kosten müssen von den Arbeitnehmern getragen werden. Darüber, welche Arbeitnehmer entsprechende Accounts angelegt haben, wann, in welchem Zusammenhang und welchem Umfang sowie mit welchen Informationen das jeweilige Tool genutzt wird, hat der Arbeitgeber keine Kenntnis.

Der Betriebsrat forderte den Arbeitgeber mit Mail vom 18.12.2023 auf, neben ChatGPT auch die weiteren Programme zu sperren und wies darauf hin, dass, solange nicht eine entsprechende Betriebsvereinbarung zum Thema KI fertiggestellt sei, die Nutzung von KI basierten Tools und Software zu untersagen sei. Die im Intranet zur Nutzung von KI veröffentlichten Dokumente seien zu entfernen. Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 (Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb), Nr. 6 (Verarbeitung personenbezogener Informationen) und Nr. 7 (psychische Belastungen der Arbeitnehmer) BetrVG seien insofern tangiert.

Entscheidungsgründe:

Der Ansicht Arbeitsgericht Hamburg zufolge bestehen im vorliegenden Fall keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats.

Etwaige im Intranet veröffentlichte Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Tools fielen unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Es handele sich lediglich um Anordnungen, welche die Art und Weise der Arbeitserbringung beträfen. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bestehe insofern nicht. Daher bestehe auch kein entsprechender betriebsverfassungsrechtlicher Anspruch auf Entfernung der Dokumente aus dem Intranet.

Auch § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sei nicht verletzt. Eine etwaige Datenverarbeitung und ein damit einhergehender Überwachungsdruck sei nicht durch den Arbeitgeber verursacht, sondern durch Drittanbieter. Auf deren Daten habe der Arbeitgeber bereits keinen Zugriff. In Bezug auf den zum Zugang zur KI genutzten Webbrowser, welcher Nutzungsdaten aufzeichne, bestehe bereits eine Konzernbetriebsvereinbarung.

Da der Betriebsrat zu einer konkreten Gefährdung der Mitarbeiter durch den KI-Einsatz im Übrigen nichts vorgetragen hatte, verneinte das ArbG auch insoweit ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.

Hinweise für die Praxis:

Arbeitsrechtliche Verfahren rund um den Einsatz von KI im Arbeitsleben werden zunehmen. Die erste „mitbestimmungsrechtliche Entscheidung“ liegt, soweit ersichtlich, insofern mit dem Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg nun vor. Letztlich lassen sich jedoch auch der Einsatz neuer Techniken mit dem vorhandenen rechtlichen Handwerkszeug handhaben. Es liegt auf der Hand, dass dann, wenn der Arbeitgeber – im Gegensatz zum entschiedenen Sachverhalt – eigene Accounts mit entsprechenden Zugriffs- und Auswertungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt, der vorliegende Fall anders zu beurteilen wäre. Je nach Ausgestaltung des eingesetzten Tools, griffen dann die betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungstatbestände so, wie etwa auch bei der Einführung von Microsoft Office 365 (vgl. hierzu etwa BAG v. 8.3.2022, 1 ABR 20/21).

Autor: Dr. Andreas Schubert, Rechtsanwalt, Friedrich Graf von Westphalen und Partner mbB, Freiburg.

Quelle: ArbG Hamburg, Beschluss v. 14.1.2024 (24 BVGa 1/24)