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Silhouetten von Personen in einer abstrahierten Szenerie mit leuchtenden Farbfeldern und weichen Lichtkreisen im Hintergrund

Anm. zu BAG: Arbeitstagbezogene Urlaubsberechnung im Rettungsdienst – Keine Umrechnung auf Kalendertage

Bundesurlaubsgesetz

Das BAG hat sich mit Urteil vom 19.8.2025 (9 AZR 216/24) mit der Frage befasst, ob der Urlaubsanspruch eines im Rettungsdienst tätigen Notfallsanitäters auf Grundlage von Kalendertagen oder – wie gesetzlich vorgesehen – ausschließlich anhand von Arbeitstagen zu berechnen und zu erfüllen ist. Die Entscheidung verdeutlicht die grundlegende Bedeutung des arbeitstagbezogenen Urlaubsansatzes und klärt, dass eine Berechnung nach Kalendertagen, die faktisch eine Siebentagewoche voraussetzt, rechtlich unzulässig ist (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Die beklagte Arbeitgeberin betreibt einen Rettungsdienst, der an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr im Einsatz ist. Der Kläger, seit 1996 als Notfallsanitäter in Vollzeit beschäftigt, unterliegt kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme dem TVöD-V-VKA. Die Arbeitgeberin legte seinem Urlaubsanspruch eine Siebentagewoche zu Grunde und errechnete daraus einen Jahresurlaubsanspruch von 42 Kalendertagen. Zudem ordnete sie an, dass der Kläger bei der Beantragung einer Urlaubswoche auch die innerhalb dieser Woche liegenden gesetzlichen Feiertage wie beispielsweise den 24. und 31. Dezember als Urlaubstage einsetzt, selbst wenn er für diese Tage dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt war. Entsprechend belastete sie das Urlaubskonto des Klägers unter anderem am 3.10.2019, 6.6.2022, an den Weihnachtsfeiertagen 2022, am 1.5.2023, am 31.10.2023 sowie an Heiligabend in den Jahren 2021 bis 2023. Der Kläger wandte sich hiergegen mit der Begründung, er könne an dienstfreien Tagen nicht wirksam „zwecks Urlaub“ freigestellt werden. Hilfsweise verlangte er eine Zeitgutschrift nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-V-VKA. Das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) sprach ihm eine Gutschrift von 91,2 Stunden zu. Das LAG Berlin-Brandenburg  gab seiner Berufung hinsichtlich der Urlaubstage statt. Auf die Revision der Arbeitgeberin hob das BAG das Urteil insoweit auf und verwies die Sache an das LAG zurück.

Entscheidungsgründe:

Das BAG stellt in seinem Urteil klar, dass das LAG zu Unrecht einen in Kalendertagen bemessenen Urlaubsanspruch zu Grunde gelegt hatte. Es betont: Sowohl nach § 26 Abs. 1 Satz 2 und 3 TVöD-V-VKA als auch nach § 3 Abs. 1 BUrlG erfolgt die Berechnung des Urlaubs ausschließlich auf Basis von Arbeitstagen. Der Tarifvertrag knüpfe den Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen ausdrücklich an eine Fünf-Tage-Woche und verlange bei einer abweichenden Arbeitszeitverteilung eine entsprechende Umrechnung. Urlaubstage stünden damit in einer notwendigen Relation zu den tatsächlichen Arbeitstagen. Der gesetzliche Mindesturlaub verfolge denselben Grundgedanken: Die Zahl der Urlaubstage richtet sich nach der Anzahl der Tage, an denen eine Arbeitspflicht besteht, um eine gleichwertige sechs­wöchige Erholungszeit für alle Arbeitnehmer sicherzustellen. Für die Annahme eines Urlaubsanspruchs von 42 Kalendertagen wäre eine permanente Arbeitspflicht an sieben Tagen der Woche erforderlich. Eine solche Siebentagewoche ist wegen der zwingenden Ruhetagsvorgaben der §§ 9–13 ArbZG rechtlich ausgeschlossen. Das beim Rettungsdienst übliche rollierende Dienstplanmodell sähe für den Kläger tatsächlich keine dauerhafte Arbeitsverpflichtung an allen Wochentagen vor. Daher durfte das LAG die betreffenden Tage, an denen der Kläger dienstfrei war, nicht als Urlaubstage bewerten. Das BAG stellt insofern fest: Eine Belastung des Urlaubskontos mit Tagen ohne Arbeitspflicht widerspricht dem geltenden Urlaubsrecht.

Praxishinweis:

Die Entscheidung bestätigt für alle Branchen – einschließlich des Rettungsdienstes – den strikt arbeitstagbezogenen Ansatz bei der Berechnung und Gewährung von Urlaub. Arbeitgeber dürfen Urlaub nicht nach Kalendertagen bemessen und können dienstfreie Tage, an denen keine Arbeitspflicht besteht, nicht als Urlaubstage anrechnen. Insbesondere im Schicht- und Wechseldienst ist daher die tatsächliche Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage maßgeblich. Für die Praxis bedeutet dies, dass Urlaubsansprüche korrekt umzurechnen sind und eine Urlaubsbelastung nur für Tage erfolgen darf, an denen der Arbeitnehmer nach Dienstplan tatsächlich zur Arbeit verpflichtet wäre. Arbeitgeber sollten ihre Urlaubsberechnungen und Dienstplanmodelle daraufhin überprüfen, um unzulässige Belastungen von Urlaubskonten zu vermeiden und spätere Korrekturen zu verhindern.

Autoren: Rechtsanwältin Elsa Rein, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

Quelle: BAG, Urteil vom 19.8.2025 (9 AZR 216/24.)