Anm. zu BAG: Betriebliche Invaliditätsrente und Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Das BAG hat mit Urteil vom 10.10.2023 (3 AZR 250/22) entschieden, dass der eine betriebliche Invaliditätsrente zusagende Arbeitgeber die Leistung in einer Versorgungsordnung, die für eine Vielzahl vorformulierte Vertragsbedingungen (AGB) enthält, grundsätzlich davon abhängig machen darf, dass der Arbeitnehmer eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente bezieht und rechtlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Nach § 7 Abs. 4 der Zusatzversorgungsordnung der Arbeitgeberin (§ 7 Abs. 4 ZVO) erhält ein Mitarbeiter Ruhegeld, der wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht und aus den Diensten des Arbeitgebers ausscheidet. Auf Grund Bescheids der Deutschen Rentenversicherung Bund vom Januar 2021 bezog der Kläger auf seinen Antrag vom Mai 2020 mit Wirkung des 1.11.2020 befristet bis zum 31.8.2022 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Schreiben vom 19.1.2021 wandte er sich unter Vorlage des Bescheids an die Beklagte und beantragte die Gewährung der betrieblichen Invaliditätsrente ab Januar 2021. Am 20.8.2021 kündigte er sein Arbeitsverhältnis zum 31.3.2022. Ab April 2022 leistete die Beklagte das Ruhegeld. Der Kläger hat geltend gemacht, ihm stehe bereits ab Januar 2021 das betriebliche Ruhegeld zu. § 7 Abs. 4 ZVO setze nicht eindeutig das rechtliche Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis voraus. Jedenfalls sei die Regelung unwirksam, da er unzumutbar gezwungen werde, sein Arbeitsverhältnis zu beenden, um in den Genuss des Ruhegelds zu kommen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Die Auslegung des § 7 Abs. 4 ZVO als AGB ergab, dass die ZVO das rechtliche Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis für einen Anspruch auf das betriebliche Ruhegeld voraussetzt. Die der Inhaltskontrolle unterliegende Regelung benachteiligt den Kläger auch nicht unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Es ist im Grundsatz nicht unzumutbar, die Zahlung einer betrieblichen Invaliditätsrente davon abhängig zu machen, dass eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente bewilligt und das Arbeitsverhältnis beendet ist. Unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen wird dadurch kein unzumutbarer Druck auf den Arbeitnehmer zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt.

Hinweise für die Praxis:

Das BAG bestätigt seinen bereits vor geraumer Zeit zu einer tariflichen Versorgungsordnung aufgestellten Grundsatz zur Stichtagsregelung. Danach ist es zulässig, in einer tariflichen Versorgungsordnung den Beginn einer Invaliditätsrente für gesetzlich rentenversicherte Arbeitnehmer an den vom gesetzlichen Rentenversicherer genannten Tag des Leistungsfalls unabhängig davon zu knüpfen, ob das Arbeitsverhältnis dann bereits beendet ist, auch wenn bei von der Versicherungspflicht befreiten Arbeitnehmern auf das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis abgestellt wird (BAG v. 18.9.2007, 3 AZR 391/06). Zutreffender weise bestimmt das Revisionsgericht in dem Kontext, dass durch die Regelung der Versorgungsordnung auch kein unzumutbarer Druck aufgebaut werde, sein Arbeitsverhältnis zu beenden, um in den Genuss des Ruhegelds zu kommen. Die Regelung dient dem Zweck, den Versorgungsbedarf, der durch Invalidität entsteht, angemessen abzudecken. Die Invaliditätsrente soll erst einsetzen, wenn andere Leistungen des Arbeitgebers wie Gehalt und Krankenleistungen ausfallen. Von diesem Zeitpunkt an ergibt sich bei Erwerbsunfähigkeit tatsächlich das Bedürfnis nach Absicherung – vorher eben nicht.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Andreas Imping, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Köln

Quelle: Pressemitteilung des BAG Nr. 40/23 v. 10.10.2023