Anm. zu BAG: Betriebsratswahl – Keine Nachfristsetzung bei Vorschlagsliste mit unzureichender Anzahl von Bewerbern
Betriebsverfassungsgesetz
Das BAG hat im Vorfeld der anstehenden Betriebsratswahlen 2026 mit Beschluss vom 22.5.2025 (7 ABR 10/24) für mehr Klarheit im Wahlverfahren gesorgt: Setzt der Wahlvorstand eine Nachfrist zur Einreichung weiterer Wahlvorschläge, obwohl bereits eine gültige, aber mit einer unzureichenden Bewerberzahl versehene Vorschlagsliste vorliegt, stellt dies zwar einen Verstoß gegen das Wahlverfahren dar, der Arbeitgeber ist jedoch nicht zur Wahlanfechtung berechtigt, wenn sich der Fehler nicht auf das Wahlergebnis ausgewirkt hat (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).
Sachverhalt:
Die beiden beteiligten Arbeitgeberinnen, Träger eines Gemeinschaftsbetriebs mit 367 Beschäftigten, fochten die in ihrem Betrieb erfolgte Betriebsratswahl vom 15. Februar 2023 an. Der Wahlvorstand hatte die Wahl eingeleitet, nachdem die Zahl der Betriebsratsmitglieder unter die vorgeschriebene Mitgliederzahl gefallen war. Zum Ende der regulären Einreichungsfrist am 22. Dezember 2022 ging nur ein Wahlvorschlag mit sechs Bewerbern ein, obwohl laut Wahlausschreiben neun Betriebsratsmitglieder zu wählen waren. Der Wahlvorstand setzte daraufhin am 23. Dezember 2022 eine Nachfrist bis zum 29. Dezember 2022, innerhalb derer jedoch keine weiteren Vorschläge eingereicht wurden. Die Wahl wurde sodann am 15. Februar 2023 durchgeführt.
Die Arbeitgeberinnen rügten u. a. die (zu kurze) Nachfristsetzung als wesentlichen Verstoß gegen das Wahlverfahren und beantragten, die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären.
Das Arbeitsgericht erklärte die Wahl für unwirksam. Eine dagegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrates wies das LAG zurück. Der Betriebsrat legte daraufhin Rechtsbeschwerde beim BAG ein.
Entscheidungsgründe:
Das BAG entschied, dass das LAG die Betriebsratswahl nicht allein wegen der Nachfristsetzung für unwirksam erklären durfte. Der Wahlvorstand habe mit der Setzung einer Nachfrist gegen § 6 Abs. 1 Satz 2 WO verstoßen, da die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen gesetzlich festgelegt und nicht verlängerbar sei. Eine Verlängerung durch den Wahlvorstand sei daher unzulässig gewesen. Eine Nachfrist zur Ergänzung einer gültigen, aber unvollständigen Vorschlagsliste sei weder vorgesehen noch im Wege der Analogie aus § 9 WO abzuleiten. Diese Vorschrift sei ausschließlich auf Fälle anwendbar, in denen überhaupt keine gültige Vorschlagsliste eingereicht worden sei. Der Fall einer gültigen, aber unvollständigen Liste sei damit nicht vergleichbar, da eine Wahl – wenn auch mit reduzierter Betriebsratsgröße – dennoch durchgeführt werden könne. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor, so dass auch keine analoge Anwendung in Betracht komme. Allerdings habe sich der Verfahrensfehler nicht auf das Wahlergebnis ausgewirkt. Innerhalb der gesetzten Nachfrist seien keine weiteren Wahlvorschläge eingegangen. Gewählt worden seien ausschließlich die Kandidaten der ursprünglich fristgerecht eingereichten Liste. Da das LAG keine Feststellungen zu weiteren von den Arbeitgeberinnen gerügten Wahlverstößen getroffen habe, sei die Sache zur weiteren Aufklärung und Entscheidung zurückverwiesen worden. Das BAG habe ausdrücklich betont, dass über weitere etwaige Verstöße noch zu entscheiden sei.
Hinweis für die Praxis:
Der Beschluss schafft Klarheit für Wahlvorstände: Liegt fristgerecht zumindest eine gültige Vorschlagsliste vor, selbst wenn diese weniger Kandidaten enthält als Betriebsratssitze zu besetzen sind, besteht weder eine Pflicht noch ein Recht zur Nachfristsetzung.
Wahlvorstände sollten daher genau prüfen, ob tatsächlich ein nach § 9 WO geregelter Ausnahmefall einer ungültigen Vorschlagsliste vorliegt. Arbeitgeber und Gewerkschaften sollten bei der Wahlanfechtung darlegen, ob und wie sich etwaige Verfahrensverstöße konkret auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben. Andernfalls bleibt die Wahl trotz des Vorliegens eines Wahlverstoßes wirksam.
Autor: Rechtsanwalt und Fachanwalt Dr. Andreas Schubert, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
Quelle: BAG, Beschluss v. 22.5.2025 (7 ABR 10/24)