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Silhouetten von Personen in einer abstrahierten Szenerie mit leuchtenden Farbfeldern und weichen Lichtkreisen im Hintergrund

Anm. zu BAG: Bezahlte Frühstückspausen – Tarifvertrag sperrt Betriebsvereinbarung

Betriebsverfassungsgesetz

Das BAG hat mit Urteil vom 20.05.2025 (Az. 1 AZR 120/24) entschieden, dass eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung, nach der ein tarifgebundener Arbeitgeber den Arbeitnehmern künftig keine Freistellung von der Arbeitspflicht für eine Frühstückspause während der Arbeitszeit mehr gewährt wird, keine Änderung eines betrieblichen Entlohnungsgrundsatzes enthält und damit nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Dem Urteil des BAG liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien stritten über die Gewährung einer bezahlten Arbeitspause.

Die Beklagte erbringt Beförderungsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr. Sie ist Mitglied im Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e. V. (AGV Deutscher Eisenbahnen). Der Kläger ist im Betrieb der Beklagten seit 2004 als Werkstattmeister tätig. In § 12 Abs. 1 seines Arbeitsvertrags war vereinbart, dass Änderungen nur wirksam sind, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Die Aufhebung des Schriftformerfordernisses bedarf ebenfalls der Schriftform. 

Der vom AGV Deutscher Eisenbahnen geschlossene Tarifvertrag sah vor, dass Nebenabreden nur wirksam sind, wenn sie schriftlich vereinbart wurden. Zudem sah der Tarifvertrag selbst Regelungen für den Fall einer "Arbeitsversäumnis" vor.

Die Arbeitszeit für die im Werkstattbereich des Betriebs beschäftigten Arbeitnehmer beginnt um 06:30 Uhr und endet - inklusive Umkleidezeit – um 14:42 Uhr. Neben der gesetzlichen Ruhepause von 12:30 Uhr bis 13:00 Uhr erhielten die Arbeitnehmer über viele Jahre während ihrer Arbeitszeit eine 15-minütige Frühstückspause unter Fortzahlung der Vergütung.

Im September 2018 hatte die Beklagte mit dem Betriebsrat jedoch eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, wonach die "bisher geübte Praxis der Vergütung einer 15-minütigen Frühstückspause im Werkstattbereich dauerhaft und mit sofortiger Wirkung eingestellt" werden sollte. Seitdem zahlte die Beklagte keine Vergütung mehr für eine Frühstückspause. Der Kläger nahm eine solche Pause seitdem nicht mehr in Anspruch.

Der Kläger war der Ansicht, bei der Beklagten habe eine betriebliche Übung über die Gewährung einer bezahlten Frühstückspause im Werkstattbereich bestanden. Diese sei mangels Betriebsvereinbarungsoffenheit nicht durch die Regelung aus September 2018 abgelöst worden. Zudem liege ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG vor. Die Beklagte müsse ihm für jeden Tag, an dem er in den Jahren 2019 bis 2023 während seiner Arbeit keine Frühstückspause gemacht habe, 15 Minuten auf seinem Arbeitszeitkonto gutschreiben.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat das BAG das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das BAG begründet seine Entscheidung damit, dass die Annahme des LAG, eine möglicherweise rechtswirksam entstandene betriebliche Übung über die "Gewährung einer bezahlte(n) zusätzliche(n) Frühstückspause von 15 Minuten im Werkstattbereich" jedenfalls durch die Regelung in der Betriebsvereinbarung beseitigt worden sei, unzutreffend ist. Die Bestimmung in der Betriebsvereinbarung sei wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam.

Das BAG sah in der bezahlten Frühstückspause keine zusätzlich vergütete Leistung, sondern vielmehr eine - zeitlich und situativ begrenzte - tägliche Freistellung von der Arbeitspflicht, denn die Arbeitnehmer im Werkstattbereich konnten sich früher während ihrer Arbeitszeit arbeitstäglich eine Frühstückspause machen, ohne dass deswegen die Vergütung der Beklagten gekürzt worden wäre oder sie länger hätte arbeiten müssen.

Hingegen enthalte der ETV Regelungen für eine Freistellung der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht, so das BAG. Somit sperre § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Regelung in der Betriebsvereinbarung, und zwar unabhängig davon, ob deren Inhalt gegen die tariflichen Vorgaben verstoße oder nicht.

Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG sei auch vorliegend nicht unter dem Gesichtspunkt einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit i.S.v. § 87 Abs. 1 BetrVG aufgehoben, so das BAG. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG habe der Betriebsrat zwar auch bei der Lage der Pausen mitzubestimmen. Die in dieser Norm angesprochenen Pausen seien jedoch nur Ruhepausen, durch die die Arbeitszeit unterbrochen wird, die also nicht selbst zur Arbeitszeit gehören. Eine Bestimmung, nach der eine bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht für eine Frühstückspause nicht mehr erfolgt, werde daher von diesem Mitbestimmungstatbestand nicht erfasst.

Gleiches gelte für § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, da es sich nicht um einen Fall der Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit handele, denn nicht die Dauer der Arbeitszeit sei betroffen.  

Auch § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG greife nicht ein. Bei der Aufhebung einer täglichen, kurzzeitigen Freistellung von der Pflicht zur Erbringung von - ggf. schweren - Arbeiten handelt es sich nicht um eine auf den Arbeitsschutz abzielende Maßnahme. Die Betriebsvereinbarung regele zudem keine Änderung eines bestehenden betrieblichen Entlohnungsgrundsatzes i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, so das BAG.

Das BAG machte deutlich, dass wohl eine betriebliche Übung entstanden sei, hielt die Sache allerdings aufgrund der Antragsstellung noch nicht zur Endentscheidung reif. Das Landesarbeitsgericht wird dem Kläger Gelegenheit geben müssen, auch seinen Feststellungsantrag anzupassen.

Hinweis für die Praxis:

Das Urteil des BAG verdeutlicht, dass tarifliche Regelungen gegenüber betrieblichen Vereinbarungen Vorrang haben und Arbeitgeber wie Betriebsräte ihre Gestaltungsspielräume sorgfältig prüfen müssen. Für die Praxis bedeutet dies, dass betriebliche Übungen, wie etwa bezahlte „Pausen“ oder sonstige bezahlte Freistellungen von der Arbeitsleistung, nicht so einfach mit Hilfe von Betriebsvereinbarungen legitimiert werden können.

Es bleibt abzuwarten, wie das LAG nun entscheiden wird.

Autorin: Annette Rölz, Friedrich Graf von Westphalen & Partner & Partner mbB, Frankfurt am Main

Quelle: BAG, Urteil v. 20.5.2025 (1 AZR 120/24)