Anm. zu BAG: Kein Auskunftsanspruch gegen gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertrags-Parteien bei Öffentlichkeitsarbeit
Tarifrecht
Das BAG hat mit Urteil vom 13.3.2024 (10 AZR 117/23) entschieden, dass Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, die gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien (wie z.B. entsprechende Versorgungskassen und Urlaubskassen) im Rahmen ihrer satzungsgemäßen Aufgaben vornehmen, keine Auskunftsansprüche nicht mitgliedschaftlich verbundener Dritter in Bezug auf die insoweit entstandenen Kosten begründen können (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).
Sachverhalt:
Die Kläger begehren von den Beklagten Auskünfte über die Kosten für einen Messeauftritt, einen Imagefilm sowie das sog. Malerkassenlied.
Der Kläger zu 1. ist ein Arbeitgeberverband für Betriebe des Maler- und Lackiererhandwerks mit Sitz in Sachsen. Er hat 110 Mitgliedsbetriebe, bislang aber keinen Tarifvertrag abgeschlossen. Sein erklärtes tarifpolitisches Ziel ist die Abschaffung, jedenfalls aber eine grundlegende Reform der Beklagten.
Die Klägerin zu 2. ist ein Betrieb des Maler- und Lackiererhandwerks. Sie ist Mitglied des vorgenannten Arbeitgeberverbandes, d.h. des Klägers zu 1. Eine Mitgliedschaft der Klägerin zu 2. im Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz - Bundesinnungsverband des deutschen Maler- und Lackiererhandwerks besteht nicht. Die zwischen diesem und der IG BAU abgeschlossenen Sozialkassentarifverträge für das Maler- und Lackiererhandwerk zum Urlaubskassenverfahren sowie zur betrieblichen Altersversorgung gelten für den Betrieb der Klägerin zu 2. allerdings kraft Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) bzw. auf Grund des Gesetzes zur Sicherung der tarifvertraglichen Sozialkassenverfahren (SokaSiG2).
Der Kläger zu 3. ist gewerblicher Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk. Er ist nicht Mitglied der IG BAU.
Die Beklagte zu 1. ist die Urlaubskasse für das Maler- und Lackiererhandwerk und als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien zuständig für die Sicherung der Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer. Der Beklagte zu 2. ist die Zusatzversorgungskasse des Maler- und Lackiererhandwerks und als gemeinsame Einrichtung zuständig für die tarifvertraglich geregelte betriebliche Altersversorgung. Die zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben notwendigen Mittel werden durch Beiträge der hierzu tarifvertraglich verpflichteten Arbeitgeber aufgebracht. Diese Mittel dürfen nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden.
In der Vergangenheit nahmen die Beklagten regelmäßig an einer Branchenmesse teil, zuletzt im März 2019. Auf ihrem Messestand waren u.a. Plakate mit Aufschriften wie „Fairer Wettbewerb - kalkulierbare Regeln für alle“ sowie „Sicherung des Urlaubs“ zu sehen. Auf dem Youtube-Kanal der Malerkasse ist ein Imagefilm abrufbar, in dem sich Arbeitnehmer des Maler- und Lackiererhandwerks positiv über ihren Beruf sowie die zusätzliche Altersversorgung und Absicherung über die Malerkasse äußern. Des Weiteren ist auf der Youtube-Plattform ein Lied über die Malerkasse abrufbar, das anlässlich einer Messe im Jahr 2016 aufgenommen wurde.
Die Kläger begehren mit ihrer Klage die Erteilung von Auskünften über die Höhe der Kosten dieser „Werbemaßnahmen“. Es handle sich um eine satzungswidrige Verwendung von Beitragsmitteln. Sie hätten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, die eine Auskunft über den Umfang der rechtswidrigen Finanzierungstätigkeiten voraussetzten, und berufen sich insbesondere auf die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 9 Abs. 3 GG, der sog. „Koalitionsfreiheit“. Die für einen Auskunftsanspruch erforderliche Sonderverbindung ergäbe sich hinsichtlich der Kläger zu 2. und 3. auch aus der Erstreckung der Sozialkassentarifverträge durch die AVE bzw. das SoKaSiG2.
Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Entscheidungsgründe:
Nach dem vorliegenden Urteil des Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts bestehen die geltend gemachten Auskunftsansprüche nicht. Die von den Klägern kritisierten Handlungen der Beklagten verletzten sie selbst dann nicht in ihrem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit, wenn die Maßnahmen den die Beklagten tragenden Tarifvertragsparteien zuzurechnen wären. Insbesondere würden die Rechte des Klägers zu 1. als (potentielle) Tarifvertragspartei im Maler- und Lackierergewerbe nicht beeinträchtigt. Auch unter allen anderen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten seien Auskunftsansprüche nicht gegeben. Für das sog. Malerkassenlied gelte dies schon deshalb, weil es von den Beklagten weder beauftragt noch initiiert wurde. Im Übrigen liege eine sach- und satzungsgemäße Öffentlichkeitsarbeit vor, die zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung der gemeinsamen Einrichtungen zähle. Soweit die Auskünfte zur Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen begehrt würden, fehle es darüber hinaus an einem denkbaren Schaden der Kläger.
Hinweis für die Praxis:
Gemeinsame Einrichtungen von Tarifvertragsparteien in dieser Form existieren in verschiedensten Branchen, so u.a. auch im Bäckerhandwerk mit der dortigen Zusatzversorgungskasse, deren zu Grunde liegender Tarifvertrag ebenfalls bundesweit allgemeinverbindlich ist. Dass deren satzungsmäßige Aufgaben auch Werbemaßnahmen umfassen, hat das BAG nun klargestellt. Das Hessische LAG hat in der Vorinstanz dabei entscheidend darauf abgestellt, dass sich die Öffentlichkeitsarbeit in einem angemessenen Rahmen im Verhältnis zu Größenordnung und finanzieller Ausstattung der Einrichtung halten muss, wobei ein Ermessensspielraum zuzubilligen sei. Die Grenze dürfte dabei in jedem Fall erreicht sein, wenn durch derartige Kosten eine Gefährdung der Erfüllung des satzungsmäßigen Hauptzwecks, nämlich der entsprechenden Versorgung, in Frage kommen sollte.
Autor: Rechtsanwalt Max Maiorano-Fahr, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
Quelle: Pressemitteilung des BAG Nr. 7/24 v. 13.3.2024
Vorinstanz: LAG Hessen, Urteil v. 20.1.2023 (10 Sa 725/22 SK)