Anm. zu BAG: Notwendiger Inhalt eines Unterrichtungsschreibens gem. § 613a Abs. 5 BGB

Das BAG hat mit Urteil v. 29.6.2023 (2 AZR 326/22) bestätigt, dass in einem Unterrichtungsschreiben wegen eines Betriebsübergangs auch über die bei einem Betriebserwerber grundsätzlich zur Anwendung kommenden tariflicher Normen unterrichtet werden muss. Ein außertariflicher Arbeitnehmer muss indes nicht über einen Tarifvertrag unterrichtet werden, der für ihn weder beim Betriebsveräußerer noch beim Betriebserwerber normativ gilt oder auf Grund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme Anwendung findet (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Die Parteien haben darüber gestritten, ob zwischen ihnen wieder ein Arbeitsverhältnis besteht, nachdem ein von einem Betriebsübergang betroffener Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf eine Betriebserwerberin widersprochen hatte.

Der klagende Arbeitnehmer, ein außertariflicher Mitarbeiter, der nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist und in dessen Arbeitsvertrag nicht auf Tarifverträge verwiesen wird, hatte mit Schreiben vom 13.5.2019 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf eine Betriebserwerberin widersprochen. Der bisherige Arbeitgeber hatte den Arbeitnehmer indes bereits mit Schreiben vom 2.12.2016 über den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zum 1.2.2017 unterrichtet. Zu diesem Zeitpunkt gingen auch die Betriebsmittel des Betriebsteils, welchem der Kläger angehörte, auf die Betriebserwerberin über; ab diesem Zeitpunkt erbrachte der Kläger seine Arbeitsleistung ausschließlich für die Betriebserwerberin.

Am 2.8.2019 reichte der Arbeitnehmer Klage beim Arbeitsgericht ein und beantragte Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis zur Rechtsnachfolgerin seiner bisherigen Arbeitgeberin besteht. Er war der Ansicht, sein Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses sei fristgemäß erfolgt, da das Unterrichtungsschreiben fehlerhaft gewesen wäre und deshalb die Monatsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht zu laufen begonnen habe. Die Beklagte beantragte Klageabweisung und meinte, der Widerspruch des Klägers sei verspätet, das Unterrichtungsschreiben sei ordnungsgemäß gewesen.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen, das LAG Düsseldorf hatte ihr mit Urteil v. 26.7.2022 (8 Sa 68/20) stattgegeben.

Entscheidungsgründe:

Das BAG hat das Urteil des LAG aufgehoben und die Klage wie zuvor auch das Arbeitsgericht abgewiesen, weil zwischen den Parteien nach dem Betriebsübergang kein Arbeitsverhältnis mehr besteht, da der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht fristgemäß innerhalb der Monatsfrist widersprochen hatte.

Das BAG führt aus, dass Veräußerer und/oder Erwerber einen Arbeitnehmer so zu informieren haben, dass dieser sich über den Gegenstand des Betriebs(teil)übergangs und die Person des Übernehmers sowie über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände „ein Bild machen“ kann. Dem Arbeitnehmer soll damit auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und gegebenenfalls beraten zu lassen, um dann auf dieser Grundlage über einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu entscheiden. Zu den rechtlichen Folgen, über die gem. § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB zu informieren ist, gehört zunächst die sich unmittelbar aus dem Betriebsübergang als solchem ergebenden Rechtsfolgen. Dies erfordert u.a. einen Hinweis auf den Eintritt des Übernehmers in die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB), auf die Gesamtschuldnerschaft des Übernehmers und des Veräußerers nach § 613a Abs. 2 BGB und grundsätzlich auch auf die kündigungsrechtliche Situation. Zu den beim Übernehmer geltenden Rechten und Pflichten gehört dabei auch die Anwendbarkeit tariflicher Normen und die Frage, inwieweit beim Veräußerer geltende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durch beim Erwerber geltende Tarifverträge abgelöst werden.

Das Unterrichtungsschreiben für den Kläger hatte zwar keine Angaben zur Anwendbarkeit eines speziellen Tarifvertrages auf außertarifliche Mitarbeiter enthalten, was aber auch nicht erforderlich war, weil dieser weder vor noch nach dem Betriebsübergang Anwendung auf das Arbeitsverhältnis des Klägers gefunden hatte. Weder der Kläger noch die Erwerberin waren tarifgebunden und auch der Arbeitsvertrag des Klägers enthielt keine Bezugnahmeklausel auf Tarifverträge.

Das BAG hatte es u.a. auch nicht beanstandet, dass für einzelne Arbeitnehmergruppen (tarifgebundene Arbeitnehmer/nichttarifgebundene Arbeitnehmer) keine verschiedenen Unterrichtungsschreiben gefertigt worden waren, sondern mit einem einzigen alle Gruppen unterrichtet worden waren. Eine Unterrichtung kann damit auch in einem Standardschreiben erfolgen, diese muss gleichwohl etwaige Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses erfassen. Das BAG stellte klar, dass von einem Arbeitgeber keine umfassende Rechtsberatung im Einzelfall verlangt werden kann.

Hinweise für die Praxis:

Das BAG hat im entschiedenen Fall bestätigt, dass die erfolgte Unterrichtung ordnungsgemäß war. Im Ergebnis ist das richtig und auch gut, weil die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer ordnungsgem. Unterrichtung stets zugenommen haben. Deshalb gilt die Erstellung eines solchen Schreibens auch als sehr risikoträchtig.

Nach dieser Entscheidung kann indes keine Entwarnung für Arbeitgeber gegeben werden. Im Gegenteil zeigt auch diese, wie genau das BAG den Inhalt eines Unterrichtungsschreiben prüft, weshalb Unterrichtungen weiterhin mit großer Sorgfalt erstellt werden müssen. Im Zweifel sollte eher mehr als zu wenig in ein Unterrichtungsschreiben aufgenommen werden, was aber die Gefahr in sich birgt, dass das, was mehr mitgeteilt wird, auch richtig sein muss. Wo zudem die Grenze liegt zwischen einem noch erforderlichen Inhalt eines Unterrichtungsschreibens und einer nicht erforderlichen, umfassenden Rechtsberatung, bleibt schwierig.

Autor: Rechtsanwalt Dr. Stefan Daub, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

Quelle: BAG, Urteil v. 29.6.2023 (2 AZR 326/22)