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Silhouetten von Personen in einer abstrahierten Szenerie mit leuchtenden Farbfeldern und weichen Lichtkreisen im Hintergrund

Anm. zu BAG: Unverhältnismäßig lange Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis – Kündbarkeit des Arbeitnehmers

Teilzeit- und Befristungsgesetz

Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 5.12.2024 (2 AZR 275/23) klargestellt, dass eine Probezeit, die der gesamten Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses entspricht, i.d.R. unzulässig ist. Ist zusätzlich zu der Probezeit eine Kündigungsmöglichkeit vereinbart worden, beeinflusst die Unwirksamkeit der Regelung zur Probezeit die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung allerdings nicht (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Der Kläger wurde durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag befristet vom 01. September 2022 bis zum 28. Februar 2023 bei dem Beklagten als Serviceberater/Kfz-Meister eingestellt. Im Arbeitsvertrag der Parteien war ausdrücklich eine Probezeit vereinbart worden, die – ebenso wie die Befristung – sechs Monate laufen sollte. Während dieser Zeit sollte eine Kündigung beiderseits mit einer Frist von zwei Wochen möglich sein. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2022 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 11. November 2022. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Er machte geltend, die Kündigung sei unwirksam, weil es an der wirksamen Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit fehle. Die Probezeit stehe nicht im Verhältnis zur erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit.

Entscheidungsgründe:

In seiner Entscheidung führt das BAG zunächst aus, dass eine sechsmonatige Probezeit bei einer sechsmonatigen Befristungsdauer gegen § 15 Abs. 3 TzBfG verstößt und damit unwirksam ist. Ohne Hinzutreten besonderer Umstände dürfe die Probezeit jedenfalls nicht die gesamte Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses betragen. Zur Begründung verweist das BAG auf den Wortlaut von § 15 Abs. 3 TzBfG, nach dem die Probezeitdauer „im Verhältnis“ zur Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen müsse. Dies lasse nur die Auslegung zu, dass die Probezeit nur einen Teil der Befristungszeit umfassen darf. Eine geltungserhaltende Reduktion auf die noch zulässige Dauer komme auf Grund der Einordnung der arbeitsvertraglichen Regelungen als AGB nicht in Betracht.

Die Unwirksamkeit der Probezeitklausel berühre nicht die ebenfalls vertraglich vereinbarte Möglichkeit, das befristete Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung zu beenden (§ 15 Abs. 4 TzBfG). Lediglich die verkürzte Kündigungsfrist des § 622 Abs. 3 BGB komme nicht zur Anwendung, die Kündbarkeit des Vertrags bleibe aber bestehen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Vereinbarung der Möglichkeit der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses neben oder in der Probezeitabrede getroffen wurde. Im vorliegenden Fall handele es sich bei der Regelung des ordentlichen Kündigungsrechts um eine inhaltlich und sprachlich unabhängige Abrede, die auch nach Streichung der unwirksamen Probezeitregelung verständlich bleibe und deshalb ihre Gültigkeit behalte (sog. Blue-pencil-Test).

Die ausgesprochene Kündigung mit zweiwöchiger Kündigungsfrist innerhalb der Probezeit konnte im vorliegenden Fall in eine ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt ausgelegt werden, so das BAG.

Praxishinweis:

Das BAG lässt die Frage nach der zulässigen absoluten bzw. relativen Dauer einer Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis offen. Unwirksam ist jedenfalls – wenn keine besonderen Umstände hinzutreten – eine Probezeit, die der Dauer der Befristung entspricht. Im Schrifttum wird die Frage der zulässigen Dauer der Probezeit unterschiedlich bewertet. Teilweise wird eine Obergrenze von 25 % oder 50 % der vereinbarten Befristungsdauer als zulässig angesehen; darüber hinaus finden sich unterschiedliche zeitliche Begrenzungen: Einige Autoren plädieren für eine maximale Probezeit von in jedem Fall weniger als sechs Monaten, andere halten auch eine sechsmonatige Probezeit immer für angemessen.

Für Arbeitgeber gilt: Eine Probezeit sollte nicht der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses entsprechen. Bei der Vereinbarung eines befristeten Arbeitsverhältnisses sollte die Länge der Probezeit kritisch überprüft werden. Auch bei einer Unwirksamkeit der Probezeit kann ein Arbeitsverhältnis mit einer ordentlichen Frist gekündigt werden, wenn dies vertraglich vereinbart ist. Es sollte daher immer neben der Vereinbarung der Probezeit auch die ordentliche Kündbarkeit des befristeten Arbeitsverhältnisses gem. § 15 Abs. 4 TzBfG vereinbart werden.

Autoren: Rechtsanwalt Dr. Christoph Fingerle und Elsa Rein, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

Quelle: BAG, Urteil v. 5.12.2024 (2 AZR 275/23)