Anm. zu LAG Baden-Württemberg: Einwurfeinschreiben genügt für den Nachweis des Zugangs einer Kündigung nicht

Kündigungsrecht

Das LAG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 12.12.2023 – 15 Sa 20/23 entschieden, dass ein Einwurfeinschreiben zur Beweisführung des Zugangs einer Kündigung nicht geeignet ist (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Die Klägerin, eine medizinische Fachangestellte in einer Gemeinschaftspraxis von Augenärzten wurde auf Grund des Verdachts der Manipulation einer Patientenakte am mehrfach, teilweise ohne Einhaltung der zwingenden Schriftform des § 623 BGB außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Maßgebend für die Berufungsinstanz waren die beiden Kündigungen vom 26.7.2022 sowie vom3.12.2022.

Die Kündigung vom 26.7.2022 wurde per Einwurf-Einschreiben verschickt und im Rahmen der ersten Instanz als Beweis des Zugangs der Einlieferungsbeleg sowie der Sendestatus der Deutschen Post vorgelegt. Die Arbeitnehmerin bestritt den Zugang der Kündigung.

Das Arbeitsgericht Heilbronn stellte die Wirksamkeit dieser zweiten Kündigung fest. Der Zugang sei durch den Beweis des ersten Anscheins auf der Grundlage des von der Beklagten vorgelegten Statusberichts der Deutschen Post AG bereits geführt, auf die Kündigung vom 3.12.2022 komme es nicht an.

Entscheidungsgründe:

Das LAG Baden-Württemberg hob die Entscheidung auf und befand erst die dritte hilfsweise ordentliche Kündigung vom 3.12.2022 für wirksam.

Das LAG (LAG) stellte fest, dass die Kündigung vom 26. Juli 2022 nicht ausreichend bewiesen sei – entgegen den Feststellungen der ersten Instanz – da der Beweis des ersten Anscheins durch einen Einlieferungsbeleg und Sendungsstatusbericht ohne Auslieferungsbeleg nicht geführt worden sei. Der Sendungsstatus allein habe nicht die gleiche Beweiskraft wie ein Auslieferungsbeleg, da er weder den Namen des Zustellers noch eine Unterschrift enthalte. Dies sei jedoch erforderlich, um den Anscheinsbeweis des Zugangs zu begründen.

Die fristlose Kündigung vom 3.12.2022 wiederum sei ebenfalls unwirksam, da die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden sei.

Hingegen war die ordentliche Kündigung zum 31.1.2023 wirksam, da eine schwerwiegende Pflichtverletzung der Klägerin vorliege, die eine Abmahnung entbehrlich machte. Die Klägerin hatte nachweislich Änderungen in der Patientenakte ihres Ehemanns vorgenommen, was die Integrität und Zuverlässigkeit der Aktenführung in der Praxis erheblich beeinträchtige. Dies stellte eine erhebliche Vertragsverletzung dar, die eine ordentliche Kündigung rechtfertigte.

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung zeigt auf, dass im Rahmen der Zustellung von Kündigungsschreiben höchste Vorsicht geboten ist. Dies gilt zum einen für die Ingangsetzung des Kündigungsfristlaufs, um nicht einen weiteren Gehaltslauf oder gar ein ganzes Quartal oder mehr zu „verlieren“. Zum anderen ist dies freilich für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung insgesamt maßgebend, welche nur bei ordnungsgemäßem Zugang eintreten kann. Für Praktiker ist daher essentiell, den Zugang von Kündigungen nachweisbar sicherzustellen.

Die Entscheidung zeigt auf, dass hierbei vom Einwurfeinschreiben generell abzuraten ist, da dieses keine Rechtssicherheit im Hinblick auf eine Zustellung gibt.

Die Frage, ob wiederum der Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs den Beweis des ersten Anscheins dafür begründet, dass eine Sendung durch Einlegen in den Briefkasten zugegangen ist (so etwa LAG Mecklenburg-Vorpommern v 12.3.2019, 2 Sa 139/18), ließ das LAG offen, da seitens der Arbeitgeberin bereits kein Einlieferungsbeleg vorgelegt werden konnte. 

Um derartige Diskussionen jedoch von vornherein zu vermeiden, sollte idealerweise der persönliche Weg gewählt und die Kündigung durch persönliche Zustellung oder Einwurf in den Briefkasten unter Anwesenheit von Zeugen mit entsprechender Dokumentation erfolgen.

Autor: Dr. Andreas Schubert, Rechtsanwalt, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB Freiburg

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.12.2023 (15 Sa 20/23)