Anm. zu LAG Baden-Württemberg: Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einführung von Desk Sharing und Clean Desk Policy

Betriebsverfassungsgesetz

Das LAG Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 6.8.2024 (21 TaBV 7/24) entschieden, dass die Einführung von Desk Sharing ebenso wie die Einführung einer Clean Desk Policy nicht als Ganzes mitbestimmungspflichtig ist. Ein Mitbestimmungsrecht komme jedoch in Bezug auf einzelne, herauslösbare Teilbereiche der Konzepte in Frage (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Dem Urteil des LAG Baden-Württemberg liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien stritten über die Einsetzung einer Einigungsstelle, deren Regelungsgegenstand die Einführung und Umsetzung eines Planungskonzepts sein sollte. Die Nutzungsflächen der Büroräume sollten umgestaltet und umdefiniert werden, insbesondere sollte in dem Betrieb der Arbeitgeberin ein "Desk Sharing" und den damit verbundenen "Clean Desk" eingeführt werden. Das neue Konzept der Arbeitgeberin namens "…spaces" wurde in einer Präsentation niedergelegt, die im September 2023 erstellt und im Oktober 2023 dem Betriebsrat zur Kenntnis gebracht wurde. Zuvor gab es bereits Großraumbüros, jedoch waren die Arbeitsplätze fest zugeordnet. Diese sollten künftig in Form von Desk Sharing genutzt werden. Zudem gab es zumindest teilweise zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen Trennwände. Mit der Clean Desk Policy sollten Arbeitnehmer verpflichtet werden den Arbeitsplatz nach Feierabend aufzuräumen sowie privaten Gegenständen in „Lockern“ einzuschließen. Die Bürofläche sollte zudem in die Nutzungsbereiche Ankommen, Arbeiten, Community und Austausch gegliedert werden. Eine Gefährdungsbeurteilung für die neuen Arbeitsplätze existierte bisher nicht.

Der Betriebsrat beantragte die Einsetzung einer Einigungsstelle nebst einem Vorsitzende sowie jeweils vier Beisitzern. Hierbei machte er seine Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und § 111 BetrVG geltend.

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig. Dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 oder § 111 BetrVG habe, könne ausgeschlossen werden.

Entscheidungsgründe:

Das LAG Baden-Württemberg hat der Beschwerde des Betriebsrats dagegen teilweise stattgegeben. Es entschied, dass nicht die gesamte Einführung und Umsetzung des Planungskonzepts „…spaces“ der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Das Desk Sharing und die Clean Desk Policy unterliegen an sich zwar nicht der Mitbestimmung. Das neue Raumkonzept enthalte allerdings zwei Teilbereiche, die herausgelöst werden könnten und für die jeweils die Voraussetzungen zur Einsetzung einer Einigungsstelle gegeben sein könnten.

Vorgaben des Arbeitgebers zur Einbringung persönlicher Gegenstände der Arbeitnehmer, insbesondere zur Aufbewahrung solcher Gegenstände vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende, können die Ordnung des Betriebs betreffen und infolgedessen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG habe der Betriebsrat in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Das Ordnungsverhalten i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG werde berührt, wenn eine Maßnahme des Arbeitgebers auf die Gestaltung des kollektiven Miteinanders oder die Gewährleistung und Aufrechterhaltung der vorgegebenen Ordnung des Betriebs zielt. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts sei demnach das betriebliche Zusammenleben und das kollektive Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Maßnahmen, die das sogenannte Arbeitsverhalten regeln sollen, seien demgegenüber nicht mitbestimmungspflichtig. Wirkt sich die arbeitgeberseitige Maßnahme sowohl auf das Arbeits- als auch das Ordnungsverhalten aus, ist der überwiegende Regelungszweck für die Einordnung maßgebend. Dieser richtet sich nach dem objektiven Inhalt der Maßnahme sowie der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens. Da vorliegend mit dem neuen Konzept auch Regelungen darüber verbunden seien, welche privaten Gegenstände mitgebracht werden dürfen und wie diese im Betrieb aufzubewahren sind, sei nicht sofort ausgeschlossen, dass überwiegend das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betroffen ist. Ob dies tatsächlich so ist, sei von der Einigungsstelle zu prüfen.

Der zweite Teilbereich, in dem es nicht offensichtlich ausgeschlossen ist, dass das Konzept auf Ordnungsverhalten ziele, sei die sogenannte überlagernde Nutzung. Die neue Aufteilung des Büros in verschiedene Bereiche beinhalte schon nach der Planung der Arbeitgeberin die Möglichkeit fließender Übergänge, also dass etwa in einem „Community“-Bereich wie der Küche auch Spontanmeetings stattfinden können. Damit sei es nicht ausgeschlossen, dass das betriebliche Zusammenleben und kollektive Zusammenwirken der Arbeitnehmer betroffen sei, soweit solche Arbeitnehmer, die diesen Pausenraum zu Erholungszwecken aufsuchen, ggf. unweigerlich nicht nur ein fachbezogenes Pausengespräch miterleben, sondern reguläre Arbeit ihrer eigenen Abteilung oder einer etwaigen anderen Abteilung, die die Küche ebenfalls nutzen darf, und sich in ihrem Pausenverhalten an diese weiteren Nutzungen irgendwie anpassen müssen. Auch hier ist es nicht auf den ersten Blick erkennbar, dass der Schwerpunkt der Flächenwidmung in der Steuerung des Arbeitsverhaltens läge und folglich auch das Ordnungsverhalten berührt sein könnte. Das Desk Sharing und das sonstige Aufräumen des Arbeitsplatzes betreffe demnach nicht das Ordnungsverhalten, sondern das Arbeitsverhalten.

Hinweis für die Praxis:

Der vorliegende Fall macht deutlich, dass für jede einzelne Regelung gesondert entschieden werden muss, ob sie der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt oder nicht. Die Beurteilung kann schwierig sein, wenn wie hier zum Beispiel sowohl das Arbeitsverhalten als auch das Ordnungsverhalten gleichermaßen betroffen ist. Für den Arbeitgeber, der -aus welchen Gründen auch immer - keine Einigung über eine Regelung mit dem Betriebsrat erlangen kann, lautete die klare Empfehlung daher, Regelungen nur für solche Themen zu beschließen, die definitiv keine Mitbestimmungspflicht des Betriebsrats auslösen. Das wird nicht bei allen Themen möglich sein. Der vorliegende Fall zeigt aber, dass es häufig durchaus möglich sein kann, zumindest einen Teil des Vorhabens auch ohne des Betriebsrat umzusetzen.

Autorin: Annette Rölz, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Frankfurt am Main

Quelle: LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 6.8.2024 (21 TaBV 7/24)