Anm. zu LAG Berlin-Brandenburg: Kein Verzugslohnanspruch bei Überschreitung der Wochenhöchstarbeitszeit

Arbeitszeitgesetz

Das LAG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 13.9.2024  (12 Sa 321/24) entschieden, dass aus der durch § 3 ArbZG verbürgten Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden das Fehlen der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers als Voraussetzung eines Verzugslohnanspruchs für vertraglich geschuldete Arbeitszeiten folgt, die über diese Wochenhöchstarbeitszeit hinausgehen (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Der Kläger hatte einen Minijob bei der beklagten Arbeitgeberin. Im Arbeitsvertrag war geregelt, dass der Kläger die Arbeit auf Abruf erbringe, und dass sich die maximal wöchentliche abzuleistende Arbeitszeit nach den Arbeitszeithöchstgrenzen für Minijobs richte. Ferner übte der Kläger eine Hauptbeschäftigung in Vollzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,33 Stunden aus.

Der Kläger ist der Ansicht, dass ihn die Beklagte nicht in einem entsprechenden Umfang eingesetzt habe, so dass ihm die Differenz zwischen 20 Arbeitsstunden und der Zahl der je Woche von ihm tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden nachzuvergüten sei.

Nachdem das Arbeitsgericht die Klage auf Annahmeverzugslohn abgewiesen hat, blieb auch die Berufung vor dem LAG erfolglos.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung des LAG könne zwar zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass zwischen den Parteien eine Wochenarbeitszeit von 20 Stunden als vereinbart gelte, jedoch stünde dem geltend gemachten Verzugslohnanspruch aus § 615 Satz 1 BGB die fehlende Leistungsfähigkeit des Klägers entgegen, da er auf Grund der gesetzlichen Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden nicht leistungsfähig war.

Denn aus der insbesondere durch § 3 ArbZG verbürgten Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden folge das Fehlen der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers im Sinne von § 297 BGB als Voraussetzung eines Annahmeverzugslohns für vertraglich geschuldete Arbeitszeiten, die über diese Wochenhöchstarbeitszeit hinausgehen. Der Arbeitnehmer sei rechtlich nicht in der Lage, Arbeitsleistungen unter Überschreitung der gesetzlich zulässigen Wochenhöchstarbeitszeit zu erbringen.

Auch dürfe bei einer Beschäftigung bei mehreren Arbeitgebern die Summe der Beschäftigungszeiten die gesetzliche Höchstgrenze der Arbeitszeit nicht überschreiten.

Da sich aus § 3 ArbZG eine Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden ergebe, sei die Beklagte verpflichtet gewesen, keine Arbeitszeiten anzuordnen oder entgegenzunehmen, die zusammen mit Arbeitszeiten aus der anderweitigen Beschäftigung die Wochenhöchstarbeitszeit überschritten hätten. Würden daher vorliegend von der Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden die 38,33 Stunden anderweitiger Beschäftigung in Abzug gebracht, wäre der Kläger nur 9,67 Arbeitsstunden je Woche leistungsfähig gewesen. Die maximal zulässige Arbeitszeit habe die Beklagte jedoch schon vergütet, so dass kein Nachvergütungsanspruch mehr für nicht abgerufene Stunden bestehen würde.

Hinweise für die Praxis

In welchem zeitlichen Umfang der Arbeitgeber in Annahmeverzug geraten kann, richtet sich grundsätzlich nach der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Die für einen Annahmeverzugslohn erforderliche Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers ist dabei für solche Arbeitsleistungen ausgeschlossen, die über die Höchstarbeitszeiten des ArbZG hinausgehen. Der Schutzzweck des § 3 ArbZG, den Arbeitnehmer vor übermäßiger und am Ende gesundheitsschädlicher Belastung zu schützen, gebietet es auch nicht, dass die Nichterfüllung von vertraglichen Vereinbarungen über übermäßige Arbeitszeiten durch die Zahlung von Verzugslohn sanktioniert wird. Diesem Zweck soll vielmehr Genüge getan sein, wenn die übermäßige Beschäftigung unterbleibt. Nach Ansicht des BAG kann auch aus den in § 4 ArbZG verbürgten Mindestpausen die fehlende Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers während solcher Pausenzeiten folgen (BAG v. 25.2.2015, 5 AZR 886/12).

Autor: Rechtsanwältin Dr. Nadja Schmidt LL.M., Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Köln

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.9.2024 (12 Sa 321/24)