Anm. zu LAG Hamm: Kein vollstreckungsfähiger Inhalt bei unklarer Regelung in Vergleich

Prozessrecht

Das LAG Hamm hat mit Beschluss vom 4.4.2024 (9 Ta 35/24) entschieden, dass die bloße Bezugnahme auf eine nicht zum Urteilsbestandteil erhobene Urkunde dem Titel keinen vollstreckungsfähigen Inhalt verleiht. Entsprechendes gelte für die in einem gerichtlichen Vergleich enthaltene Bezugnahme (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Die Parteien streiten im Zwangsvollstreckungsverfahren über die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Berichtigung eines Arbeitszeugnisses gem. einem vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleich. Im Vergleich war folgende Regelung enthalten: „Die Beklagte verpflichtet sich, dass unter dem 30.4.2023 erstellte Arbeitszeugnis, entsprechend der Änderungsvorschläge des Klägers vom10.8.2023, zu berichtigen und an den Kläger herauszugeben.“ Diese Vorschläge wurden jedoch nicht Bestandteil der Gerichtsakte.

Nachdem der Arbeitnehmer eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs erhalten hatte, beantragte er am 16.10.2023 beim Arbeitsgericht die zwangsweise Vollstreckung, da die Schuldnerin ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Das Gericht setzte mit Beschluss vom 6.12.2023 ein Zwangsgeld von EUR 2.200,-- fest. Gegen diesen Beschluss legte die Arbeitgeberin sofortige Beschwerde ein, die vom Arbeitsgericht am 15.1.2024 zurückgewiesen und an das Beschwerdegericht weitergeleitet wurde.

Das Beschwerdegericht äußerte am 7.3.2024 Zweifel an der Vollstreckbarkeit des Vergleichs, da die Änderungsvorschläge nicht Teil des Titels geworden seien. Der Arbeitnehmer entgegnete, dass die Arbeitgeberin den Inhalt der Vorschläge kannte und die geschuldete Leistung klar erkennbar sei.

Entscheidungsgründe:

Das LAG Hamm hielt die sofortige Beschwerde für zulässig und begründet. Der Beschluss nach § 888 ZPO habe nicht ergehen dürfen, da es an der Vollstreckbarkeit des Titels fehle, und hob ihn daher auf. Nach allgemeinen Grundsätzen setze ein Vollstreckungsantrag die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung voraus, insbesondere müsse die Verpflichtung des Schuldners im Titel hinreichend bestimmt sein. Dies sei der Fall, wenn sich aus dem Titel selbst klar ergebe, was geschuldet werde. Dies gelte nicht nur für Endurteile, sondern auch für gerichtliche Vergleiche gem. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Vorliegend fehle es jedoch an dieser Bestimmtheit. Der Vergleich vom 28.8.2023 enthalte keine Angaben zum genauen Inhalt des zu erteilenden Arbeitszeugnisses. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Frage, was mit einem „Arbeitszeugnis, entsprechend der Änderungsvorschläge des Klägers vom 10.8.2023“ gemeint sein soll, im Wortlaut des Vergleiches selbst, zumindest jedoch in einer mit dem Vollstreckungstitel (Vergleich) fest verbundenen Anlage klargestellt hätte werden müssen. Eine bloße Bezugnahme auf ein nicht zum Urteilsbestandteil erhobenes Dokument genüge nicht zur Vollstreckbarkeit. Zudem habe es keine konkreten „Änderungsvorschläge“ gegeben, sondern lediglich eine E-Mail des Gläubigers vom 10.8.2023 mit einem Zeugnisentwurf, der auf den 30.4.2023 datiert gewesen sei. Auch der Einwand des Gläubigers, die Schuldnerin habe die Änderungsvorschläge gekannt, sei unbeachtlich. Die Trennung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren verlange, dass die geschuldete Leistung für einen Dritten allein aus dem Vollstreckungstitel erkennbar sei. Da selbst das Arbeitsgericht erst durch den Zwangsgeldantrag von der E-Mail mit dem Zeugnisentwurf erfahren habe, könne der Vergleich nicht als vollstreckbarer Titel dienen.

Hinweise für die Praxis:

Gerichtliche Vergleiche sind nur dann vollstreckbar, wenn die geschuldete Leistung aus dem Titel selbst hinreichend bestimmt hervorgeht. Eine bloße Bezugnahme auf externe Dokumente, die nicht Bestandteil des Vergleichs geworden sind, genügt nicht. Insofern sollte bei der Formulierung von Vergleichen darauf geachtet werden, dass die geschuldete Leistung explizit und ohne Verweis auf externe Unterlagen im Vergleichstext beschrieben werden. Wenn doch auf Dokumente Bezug genommen werden muss sollten diese bestenfalls als verbindlicher Bestandteil textlich aufgenommen werden. Wichtig ist, dass die Kenntnis des Schuldners von einem externen Dokument nicht die formale Erforderlichkeit ersetzt, die geschuldete Leistung im Vollstreckungstitel selbst eindeutig zu beschreiben. Der Teufel liegt bei der Formulierung von Vergleichen damit im Detail.

Autor: Dr. Andreas Schubert, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

Quelle: LAG Hamm, Beschluss vom 4.4.2024 (9 Ta 35/24)