Anm. zu LAG Köln: Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses kann nicht durch eine Vereinbarung ausgeschlossen oder beschränkt werden

Bundesurlaubsgesetz

Das LAG Köln hat mit Urteil vom 11.4.2024 (7 Sa 516/23) entschieden, dass eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über den Verzicht (§ 397 Abs. 1 BGB) von Urlaub oder Urlaubsabgeltung rechtsunwirksam ist (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers. Der Kläger war seit 2019 bei der Beklagten beschäftigt. Ausweislich des Arbeitsvertrags standen dem Kläger 30 Urlaubstage pro Jahr zu. Zu Beginn des Jahres 2023 kam es sodann zu einem Rechtsstreit zwischen dem Kläger und der Beklagten. In dessen Verlauf kamen die Parteien darin überein, dass eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewünscht war. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt im Jahr 2023 noch keinen Urlaub in Anspruch genommen; er war durchgängig arbeitsunfähig erkrankt. In einem Vergleich zwischen den Parteien sollte folgende Regelung mitaufgenommen werden: „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte daraufhin mit, dass sie erhebliche Bedenken hinsichtlich des Inhalts dieses Vergleichs habe. Sodann wurde das Zustandekommen dieses Vergleichs dennoch mit Zustimmung beider Parteien per Beschluss gerichtlich festgestellt. Der Kläger konnte auf Grund fortbestehender Arbeitsunfähigkeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Urlaub mehr nehmen. Auf Grund dessen machte der Kläger gegenüber der Beklagten Urlaubsabgeltung i.H.v. 1 615,14 € geltend. Nach der Rechtsauffassung des Klägers habe er auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch als unabdingbaren Anspruch im Rahmen des Vergleichsschlusses nicht wirksam verzichten können. Deshalb sei der Mindesturlaub im Umfang von sieben Tagen für das Jahr 2023 entsprechend abzugelten. Die Beklagte vertritt die Auffassung, der Kläger habe durch den Vergleich auf gesetzliche und übergesetzliche Urlaubs(abgeltungs)ansprüche verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Durch Urteil vom 16.8.2023 hat das zuständige Arbeitsgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben. Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Arbeitsgerichtsurteil war zulässig, aber unbegründet; sie wurde zurückgewiesen. Nach Auffassung des LAG Köln steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung i.H.v. 1 615,11 € brutto nebst Zinsen als Urlaubsabgeltung zu. Der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2023 sei nicht durch Erfüllung untergegangen. Der Kläger habe unstreitig im Jahr 2023 keinen Urlaub genommen. Zudem sei der Urlaubsanspruch des Klägers auch nicht durch Prozessvergleich erloschen. Zwar haben die Parteien in der Klausel festgehalten, dass die Urlaubsansprüche des Klägers in natura gewährt worden seien. Jedoch habe diese Vereinbarung den Urlaubsanspruch des Klägers nicht durch einen Tatsachenvergleich i.S.d. § 779 BGB zum Erlöschen gebracht. Denn ein Tatsachenvergleich i.S.d. § 779 BGB setze voraus, dass eine bestehende Ungewissheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll. Eine völlig unstreitige Forderung könne nicht Gegenstand eines wirksamen Tatsachenvergleichs sein, der hinter der vollständigen Erfüllung zurückbleibt. In dem vorliegenden Fall habe zwischen den Parteien jedoch zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses kein Streit über die Anzahl der wegen der anhaltenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahr 2023 noch nicht gewährten und damit noch offenen Urlaubstage bestanden. Das LAG Köln ist deshalb zu dem Ergebnis gelangt, dass in der obigen Vereinbarung des Prozessvergleichs zwischen den Parteien kein zulässiger Tatsachenvergleich gem. § 779 BGB lag. Das Gericht führt weiter aus, dass die Vereinbarung den gesetzlichen Urlaubsanspruch des Klägers auch nicht durch einen Verzicht i.S.d. § 397 Abs. 1 BGB zum Erlöschen gebracht habe. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG könne abgesehen von § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Der Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 BUrlG sei gem. § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG damit unverzichtbar. Die Vorschrift stelle sicher, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub im laufenden Arbeitsverhältnis gewahrt bleibe. Zudem sichere die Bestimmung den Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann. Der gesetzliche Schutzzweck würde verfehlt, wenn der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen oder beschränkt werden könnte. Etwas anderes gilt nach Auffassung des LAG auch dann nicht, wenn das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Abschluss der einschränkenden Vereinbarung verbindlich feststehe.

Hinweise für die Praxis:

Die Entscheidung des LAG überzeugt sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung. Dem LAG ist es auf diese Weise gelungen, dem besonderen Schutzweck des § 13 Abs. 1 Satz. 3 BUrlG hinreichend Rechnung zu tragen. Bei der Durchführung von Vergleichsverhandlungen sind Arbeitgeber deshalb gut damit beraten, wenn Sie etwaige Urlaubs(abgeltungs)ansprüche des Arbeitnehmers stets im Auge behalten. Um einen Rechtsstreit und weitere Kosten zu vermeiden, sollte die Rechtswirksamkeit der jeweiligen Vereinbarungen in einem Vergleich gründlich überprüft werden.

Das Urteil ist noch nicht rkr.. Die Revision zum BAG wurde zugelassen (Az.: 9 AZR 104/24). Es bleibt deshalb abzuwarten, ob sich das BAG der Rechtsauffassung des LAG anschließen wird.

Autor: Rechtsanwalt Felix Häringer, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

Quelle: LAG Köln, Urteil vom 11.4.2024 (7 Sa 516/23)