Anm. zu LAG Köln: Verwirkung der Zurückweisung einer Kündigung mangels Originalvollmacht

Kündigungsschutzgesetz

Versäumt der Kläger nicht nur die Klagefrist gem. § 4 KSchG sondern nimmt er darüber hinaus auch noch die zu spät erhobene Kündigungsschutzklage zurück, so hat er das Recht verwirkt, sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 174 BGB zu berufen. Das LAG Köln hat mit Urteil vom 2.5.2024 (6 Sa 274/23) in einem solchen Fall festgestellt, dass beide Voraussetzungen der Verwirkung, das Zeitmoment und das Umstandsmoment, vorliegen (Entscheidungszusammenfassung mit Praxishinweisen der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB).

Sachverhalt:

Der Kläger war seit dem 1.2.2022 in Teilzeit bei der Beklagten beschäftigt und erhielt ein Bruttoentgelt von 983,18 EUR pro Monat. Am 19.2.2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 7.3.2022 innerhalb der Probezeit. Dem Kündigungsschreiben war eine Vollmacht (wohl in Kopie) beigefügt, die den Hausleiter zur Kündigung berechtigte. Der Kläger wies diese Kündigung am 23.2.2022 wegen fehlender Originalvollmacht gem. § 174 BGB zurück. Daraufhin kündigte die Beklagte erneut am 8.3.2022 zum 23.3.2022.

Der Kläger erhob am 15.3.2022 Kündigungsschutzklage gegen beide Kündigungen. Nach einem Hinweis des Arbeitsgerichts, dass die Klage gegen die erste Kündigung nach § 4 KSchG zu spät erhoben worden sei, nahm der Kläger den Antrag gegen die erste Kündigung am 14.11.2022 zurück.

Entscheidungsgründe:

Das Arbeitsgericht Aachen wies die Klage ab, da das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 19.2.2022 zum 7.3.2022 beendet worden sei und diese Kündigung gem. § 7 KSchG als rechtswirksam gelte. Die Klage wurde erst am 15.3.2022 und somit nach Ablauf der Dreiwochenfrist erhoben. Der Kläger argumentierte in der Berufung, dass die Kündigung vom 19.2.2022 wegen Zurückweisung nach § 174 BGB unwirksam gewesen sei. Die Unwirksamkeit sei nicht durch das Fristversäumnis heilbar.

Das LAG bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Berufung des Klägers sei zulässig, jedoch unbegründet. Das Arbeitsverhältnis habe bereits am 7.3.2022 auf Grund der ersten Kündigung geendet. Das stehe nach der Rücknahme des Kündigungsschutzantrages, mit dem sich der Kläger ursprünglich gegen diese Kündigung gewandt hatte, fest. Dabei sei es nicht erheblich, ob diese Kündigung unter einem formal- oder materiell-rechtlichen Mangel gelitten habe. Jedenfalls habe der Kläger das Recht, sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung zu berufen, nach dem Maßstab des § 242 BGB verwirkt. Der Kläger habe nämlich nicht nur die Klagefrist des § 4 KSchG verstreichen lassen, er habe also nicht nur durch Nichtstun eine gesetzliche Fiktion, die rückwirkend geltende Wirksamkeit der Kündigung, eintreten lassen; an dieser Stelle hätte noch über die Frage gestritten werden können, ob § 4 KSchG auch für Fälle des § 174 BGB gilt (wohl inzwischen bestätigend: BAG v. 20.5.2021 – 2 AZR 596/20). Sondern er habe zusätzlich aktiv durch die Abgabe der besagten Prozesserklärung dem Gericht und der gegnerischen Prozesspartei zum Ausdruck gebracht, dass er sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung vom 19.2.2022 nicht mehr wehren werde. Es gehe hier also nicht um einen Fall der Fristversäumnis oder der Klagerücknahme, sondern es gehe um den kumulativen Fall der Fristversäumnis und der Klagerücknahme. Damit lägen beide Voraussetzungen der Verwirkung, das Zeitmoment und das Umstandsmoment, vor. Der Kläger habe nicht nur die drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG verstreichen lassen (Zeitmoment), sondern er habe zusätzlich durch die Klagerücknahme die Rechtsfolge des § 7 KSchG noch einmal bestätigend ausgelöst (Umstandsmoment).

Die zweite Kündigung vom 8.3.2022 konnte das Arbeitsverhältnis nicht mehr auflösen, da dieses bereits am 7.3.2022 beendet war.

Praxishinweis:

Das Urteil zeigt nochmals: Arbeitnehmer sollten bei Erhalt einer Kündigung umgehend handeln und innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG Kündigungsschutzklage erheben. Eine Zurückweisung der Kündigung wegen fehlender Vollmacht gem. § 174 BGB sollte klar und dokumentiert erfolgen. Andererseits sollten Arbeitgeber sicherstellen, dass Kündigungen von ausreichend bevollmächtigten Personen ausgesprochen und Originalvollmachten vorgelegt werden, um formale Fehler zu vermeiden.

Im Ergebnis ist das Urteil des LAG Köln dogmatisch konsequent. Es zeigt aber einmal mehr, wie wichtig richtiges und rechtzeitiges Handeln in Zusammenhang mit Kündigungen von Arbeitsverhältnissen ist.

Autorin: Rechtsanwältin Stephanie Mayer, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

Quelle: LAG Köln, Urteil vom 2.5.2024 (6 Sa 274/23)