BAG: AGB-Kontrolle - Rückzahlung von Fortbildungskosten für einen Lehrgang zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung
BAG, Urteil vom 25.04.2023, 9 AZR 187/22
Verfahrensgang: LAG Niedersachsen, 8 Sa 229/21 vom 23.02.2022
ArbG Lingen, 1 Ca 397/20 vom 03.03.2021
Leitsatz:
Orientierungssätze:
1. Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildung zu beteiligen hat, wenn er diese nicht beendet, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen (Rn. 20).
2. Es ist nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das wiederholte Nichtablegen der angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne die Gründe dafür zu betrachten. Jedenfalls praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, müssen von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden (Rn. 22).
3. Die vom Arbeitgeber (mit)verantwortete Kündigung des Arbeitnehmers stellt im Arbeitsleben keinen so fernliegenden Tatbestand dar, dass sie in einer Härtefallklausel, die Ausnahmen von der Rückzahlungspflicht vorsieht, nicht gesondert erwähnt werden müsste (Rn. 29).
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten.
Die Beklagte war bei der Klägerin, die eine Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei betreibt, in der Zeit vom 1. April 2014 bis zum 30. Juni 2020 als Buchhalterin beschäftigt. Ab August 2017 nahm die Beklagte an einem "Lehrgang zur Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung 2018/2019" beim Studienwerk der Steuerberater in Nordrhein-Westfalen teil. Am 4. Dezember 2017 schlossen die Parteien einen Fortbildungsvertrag, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:
"§ 1
Die Arbeitnehmerin nimmt in der Zeit vom 01.08.2017 bis 31.03.2019 an Fortbildungsmaßnahmen teil, die vorbereiten auf den Erwerb des Berufsexamens
Steuerberater
§ 2
Die Teilnahme an dieser Fortbildung erfolgt im Interesse der beruflichen Fort- und Weiterbildung der Arbeitnehmerin.
§ 3
Die Vorbereitung auf das Berufsexamen wird mit einem Gesamtbetrag in Höhe von bis zu 10.000 € gefördert. Bei dem Förderbetrag handelt es sich um einen umsatzsteuerlichen Bruttobetrag. Das gewährte Förderbudget dient in allen Fällen zur Deckung sämtlicher für die Erlangung des Berufsexamens erforderlichen Vorbereitungs- und Prüfungszeiten sowie Vorbereitungs- und Prüfungskosten und die Bestellungsgebühren für Steuerberater. ...
§ 4
Die Arbeitnehmerin kann frei über die Verwendung des Förderbudgets entscheiden. Sie kann die Verwendung für die Vorbereitungskurse zum Steuerberater, als auch die Umwandlung des Budgets in Freistellung wählen. ...
§ 5
Das in Anspruch genommene Förderbudget ist zurückzuzahlen, wenn
1. die Angestellte innerhalb von 24 Monaten nach bestandenem Berufsexamen das Unternehmen verlässt,
2. die Angestellte innerhalb von 24 Monaten nach nicht bestandenem Berufsexamen das Unternehmen verlässt,
3. die Angestellte das Examen wiederholt nicht ablegt.
Die Rückzahlungsmodalitäten im Einzelnen:
...
zu 3.: Abbruch des Examens: Falls der Angestellte nach Erhalt der Förderung das Examen nicht ablegt, ist der gesamte gewährte Förderbetrag zum Zeitpunkt des aus geschäftspolitischer Sicht nächstmöglichen Prüfungszeitpunktes vollständig zurückzuzahlen, wenn auch diese Prüfung nicht angetreten wurde. Dies gilt auch, wenn der Angestellte das Unternehmen in diesem Fall aufgrund eigener Kündigung oder einer verhaltensbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber oder sonstiger Auflösung aus gleichem Grunde verlässt.
Härtefallregelung: Für den Fall, dass der Angestellte das Examen aus einem nicht von ihm zu vertretenden objektiven Grund (bspw. Dauerhafte Erkrankung, Pflege von Angehörigen) nicht ablegen kann, ist er verpflichtet, das Examen nach Beendigung des Verhinderungsgrundes wieder aufzunehmen und abzuschließen. Es gelten dann wieder die übrigen Bestimmungen dieser Vereinbarung. Falls aufgrund eines zu großen Zeitablaufs oder aufgrund von Bestimmungen der entsprechenden Institutionen eine Wiederaufnahme und Beendigung des Examens nicht möglich sein sollte, ist er nicht zur Rückzahlung der bis dahin geleisteten Förderung verpflichtet."
In einer "Klarstellung zum Fortbildungsvertrag" vom 18. Dezember 2017 verständigten sich die Parteien, dass es sich bei den von der Klägerin bereitgestellten Mitteln "um Auszahlungen auf ein im Übrigen unverzinsliches Darlehen" handele. In der Zeit vom 18. Dezember 2017 bis zum 26. Juni 2018 erstattete die Klägerin der Beklagten Lehrgangsgebühren iHv. insgesamt 3.883,93 Euro sowie die Anmeldegebühr zur Steuerberaterprüfung iHv. 200,00 Euro.
Die Beklagte trat weder zur Steuerberaterprüfung für das Jahr 2018 noch zu den Prüfungen der Jahre 2019 und 2020 an, zu denen sie sich bis zum 30. April des jeweiligen Jahres anmelden konnte. Mit Schreiben vom 14. Mai 2020 kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2020.
Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin die Beklagte auf Rückzahlung der an diese geleisteten Beträge iHv. 4.083,93 Euro nebst Zinsen gerichtlich in Anspruch genommen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Rückzahlungsklausel im Fortbildungsvertrag sei wirksam. Sie hat vorgetragen, die Beklagte habe sich zu dem Lehrgang angemeldet, ohne dass ihr eine Übernahme der Kosten zugesagt worden sei. Den Wunsch, bei der Fortbildung finanziell unterstützt zu werden, habe die Beklagte erst im November 2017 an sie herangetragen. Daraufhin sei es zu der Vereinbarung vom 4. Dezember 2017 gekommen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.083,93 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Juni 2020 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, sich erst nach einer mündlichen Kostenübernahme der Klägerin zum Lehrgang angemeldet zu haben. Die Beklagte hat den Standpunkt eingenommen, nach Fortbildungsbeginn könne eine solche Regelung auch nicht mehr wirksam getroffen werden. Inhaltlich benachteilige sie die Regelung unangemessen, weil sie nicht hinreichend nach den Gründen der wiederholten Nichtablegung des Examens differenziere.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte weiter die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von Fortbildungskosten iHv. 4.083,93 Euro gemäß § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrags. Die Regelung hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand und ist daher unwirksam.
1. Bei den im Fortbildungsvertrag getroffenen Abreden handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass es sich um von der Klägerin vorformulierte Vertragsbedingungen handelt. Außer den persönlichen Daten der Beklagten und der Angabe des konkreten Fortbildungszeitraums weist der Vertrag keine individuellen Besonderheiten auf. Dies - wie auch das äußere Erscheinungsbild - begründen eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt (vgl. BAG 11. Dezember 2018 - 9 AZR 383/18 - Rn. 15, BAGE 164, 316).
2. Die Wirksamkeit der im Fortbildungsvertrag getroffenen Abreden ist anhand von § 305c Abs. 2, §§ 306, 307 bis 309 BGB zu beurteilen.
a) § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB steht dem nicht entgegen.
aa) Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gelten die Abs. 1 und 2 der Vorschrift sowie die §§ 308, 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder sie ergänzende Regelungen vereinbart werden. Dazu gehören auch Regelungen, die die Umstände des vom Verwender gemachten Hauptleistungsversprechens ausgestalten (BAG 11. Dezember 2018 - 9 AZR 383/18 - Rn. 17 mwN, BAGE 164, 316).
bb) Um eine derartige Regelung handelt es sich hier. Die Klägerin hat in § 5 des Fortbildungsvertrags festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte Fortbildungskosten zurückzuerstatten hat. Außerdem wird durch den mit der Rückzahlungsklausel ausgelösten Bleibedruck die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers eingeschränkt (st. Rspr., vgl. BAG 11. Dezember 2018 - 9 AZR 383/18 - Rn. 18, BAGE 164, 316; 13. Dezember 2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 23 mwN).
b) Einer Kontrolle des Fortbildungsvertrags steht auch die "Klarstellung zur Fortbildungsvereinbarung" nicht entgegen, in der sich die Parteien darauf verständigt haben, dass es sich bei den von der Klägerin bereitgestellten Mitteln um ein unverzinsliches Darlehen handele. Durch die Bezugnahme auf die Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 5 des Fortbildungsvertrags wird deutlich, dass tatsächlich kein Darlehen im Rechtssinne gewollt war, sondern eine Verpflichtung zur Rückzahlung des im Fortbildungsvertrag geregelten Förderzuschusses (vgl. BAG 18. März 2008 - 9 AZR 186/07 - Rn. 8, BAGE 126, 187).
3. § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrags führt zu einer unangemessenen Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist daher unwirksam. Die Regelung knüpft an das wiederholte Nichtablegen des Examens an, ohne in erforderlichem Maß danach zu differenzieren, aus welchen Gründen eine Teilnahme an der Prüfung nicht erfolgt ist.
a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
aa) Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei bedarf es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 22. Oktober 2020 - 6 AZR 566/18 - Rn. 29, BAGE 172, 377; 19. November 2019 - 7 AZR 582/17 - Rn. 42; 11. Dezember 2018 - 9 AZR 383/18 - Rn. 23 mwN, BAGE 164, 316).
bb) Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit er die Fortbildung nicht beendet, sind grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen (vgl. BAG 1. März 2022 - 9 AZR 260/21 - Rn. 21).
(1) Allerdings können Rückzahlungsverpflichtungen, die an ein wiederholtes Nichtablegen des angestrebten Examens anknüpfen, den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Da sie geeignet sind, auf den Arbeitnehmer einen Bleibedruck im bestehenden Arbeitsverhältnis auszuüben und damit das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG einzuschränken, muss einerseits die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und andererseits den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen. Insgesamt muss die Erstattungspflicht - auch dem Umfang nach - dem Arbeitnehmer nach den Geboten von Treu und Glauben zumutbar sein (vgl. BAG 1. März 2022 - 9 AZR 260/21 - Rn. 21; 11. Dezember 2018 - 9 AZR 383/18 - Rn. 24 mwN, BAGE 164, 316).
(2) Es ist nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das wiederholte Nichtablegen der angestrebten Prüfung zu knüpfen, ohne die Gründe dafür zu betrachten. Entsprechend den Wertungen aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Rückzahlungsklauseln aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers (BAG 1. März 2022 - 9 AZR 260/21 - Rn. 21; 11. Dezember 2018 - 9 AZR 383/18 - Rn. 24, BAGE 164, 316) müssen jedenfalls praktisch relevante Fallkonstellationen, in denen die Gründe für die Nichtablegung der Prüfung nicht in der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers liegen, von der Rückzahlungspflicht ausgenommen werden.
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrags als unangemessen benachteiligend iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass Fallkonstellationen, in denen eine Rückzahlungsverpflichtung unbillig erscheine, durch die in den Bestimmungen zu den Rückzahlungsmodalitäten enthaltene Härtefallregelung hinreichend erfasst seien. Die Regelung eröffne die Möglichkeit, weitere als die explizit genannten Tatbestände als Gründe zu behandeln, bei deren Vorliegen eine Rückzahlungspflicht unangemessen erscheine. Die Arbeitgeberin sei durch die Härtefallregelung ihrer Verpflichtung nachgekommen, in besonderen Fällen auf die Belange des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen und von einer Verpflichtung zur Rückzahlung der erhaltenen Förderbeträge abzusehen.
bb) Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Durch die Härtefallregelung werden zwar einige Fallkonstellationen, bei denen das wiederholte Nichtablegen des Examens nicht der Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers stammenden Gründen zuzurechnen ist, von der Rückzahlungspflicht ausgenommen. Die Regelung greift aber zu kurz. Sie erfasst nur einen Teil der praktisch relevanten Fälle und lässt insbesondere eine durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers (mit)veranlasste Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer unberücksichtigt. Darin liegt eine unangemessene Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
(1) § 5 des Fortbildungsvertrags nennt drei Tatbestände, die eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers auslösen können. Dies sind das Verlassen des Unternehmens durch den Arbeitnehmer innerhalb von 24 Monaten nach bestandenem Berufsexamen (Nr. 1), das Verlassen des Unternehmens durch den Arbeitnehmer innerhalb von 24 Monaten nach nicht bestandenem Berufsexamen (Nr. 2) und - worauf die Klägerin ihre Forderung stützt - das wiederholte Nichtablegen des Examens durch den Arbeitnehmer (Nr. 3). Die Regelung in § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrags wird durch die "Rückzahlungsmodalitäten" zu Nr. 3 konkretisiert. Diese sehen eine Verpflichtung zur Rückzahlung auch für Fälle vor, in denen der Angestellte die Prüfung nicht antritt, weil er das Unternehmen ua. aufgrund eigener Kündigung oder einer verhaltensbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber oder sonstiger Auflösung aus gleichem Grund verlässt. Die Rückzahlungspflicht soll unabhängig von den Gründen, aus denen der Arbeitnehmer die Eigenkündigung ausspricht, eintreten. § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrags sieht damit eine Rückzahlung auch vor in Fällen, in denen der Arbeitnehmer das Examen deshalb wiederholt nicht ablegt, weil ihm die Fortführung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines arbeitgeberseitigen Fehlverhaltens nicht mehr zumutbar ist und er es deshalb beendet. Es ist unangemessen, dem Arbeitnehmer auch für diesen Fall eine Rückzahlungsverpflichtung aufzuerlegen.
(2) Die Härtefallregelung zu § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrags führt nicht zur Angemessenheit der Norm.
(a) Die Regelung sieht in Satz 1 vor, dass der Arbeitnehmer, wenn er aus einem von ihm nicht zu vertretenden objektiven Grund (zB dauerhafte Erkrankung, Pflege von Angehörigen) das Examen nicht ablegen kann, verpflichtet ist, dieses nach Beendigung des Verhinderungsgrundes wiederaufzunehmen und abzuschließen. Damit regelt Satz 1 unter den genannten Voraussetzungen lediglich die Suspendierung der Pflicht, das Examen abzulegen, nicht aber die Aufhebung der Rückzahlungspflicht. Die Voraussetzungen, unter denen Letztere entfällt, ergeben sich aus Satz 3 der Regelung. Danach ist der Arbeitnehmer nicht zur Rückzahlung der bis dahin geleisteten Förderung verpflichtet, wenn aufgrund eines zu großen Zeitablaufs oder aufgrund von Bestimmungen der entsprechenden Institutionen eine Wiederaufnahme und Beendigung des Examens nicht möglich sein sollte. Die Regelung beschränkt damit den Wegfall der Rückzahlungspflicht auf diese Fälle.
(b) Es kann nicht angenommen werden, dass die Härtefallregelung die durch Arbeitgeberverhalten veranlasste Eigenkündigung des Arbeitnehmers - trotz fehlender entsprechender Erwähnung im Wortlaut - von der Rückzahlungspflicht ausnehmen sollte. Die vom Arbeitgeber (mit)verantwortete Kündigung des Arbeitnehmers stellt im Arbeitsleben keinen so seltenen und fernliegenden Tatbestand dar, dass sie nicht gesondert erwähnt werden müsste (vgl. BAG 13. Dezember 2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 20).
(c) Die Härtefallregelung kann auch nicht im Sinne einer Generalklausel dahin verstanden werden, dass sie alle Tatbestände, bei deren Vorliegen eine Rückzahlungspflicht unangemessen erscheint, umfassen sollte. Ungeachtet der Frage, ob eine so verstandene Regelung den Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügt, besteht vorliegend kein Raum für ein solchermaßen erweiterndes Verständnis. Nach Satz 3 der Härtefallregelung entfällt die Rückzahlungspflicht lediglich, wenn die Wiederaufnahme und Beendigung des Examens aus klar benannten Gründen (zu großer Zeitablauf oder entgegenstehende Bestimmungen) unmöglich ist. Anhaltspunkte dafür, dass es sich hierbei um eine bloß exemplarische Nennung von Hinderungsgründen handeln sollte, bestehen nicht.
4. Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel ist es unerheblich, welche Gründe die Beklagte vorliegend veranlasst haben, das Examen nicht abzulegen. Die §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Formularklauseln (§ 305 Abs. 1 Satz 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), nicht erst deren unangemessenen Gebrauch im konkreten Fall. Der Rechtsfolge der Unwirksamkeit sind auch solche Klauseln unterworfen, die in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im Entscheidungsfall nicht realisiert hat (st. Rspr., BAG 1. März 2022 - 9 AZR 260/21 - Rn. 29 mwN).
5. Die Unwirksamkeit von § 5 Nr. 3 des Fortbildungsvertrags führt nach § 306 Abs. 1 BGB zum Wegfall der Rückzahlungsklausel. Damit entfällt die Grundlage für einen Rückzahlungsanspruch der Klägerin.