BAG: Antragsänderung im Rechtsbeschwerdeverfahren; Betriebsratsfähigkeit eines Filialstandorts
Betriebsverfassungsgesetz
BAG, Beschluss vom 25.10.2023, 7 ABR 25/22
Verfahrensgang: ArbG Weiden, 3 BV 9/21 vom 03.02.2022
LAG Nürnberg, 8 TaBV 15/22 vom 02.09.2022
Leitsatz:
Orientierungssätze:
1. Bei streitigem Fortbestand eines rechtsbeschwerdeführenden betriebsverfassungsrechtlichen Gremiums wird dessen Beteiligtenfähigkeit für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde regelmäßig auch dann unterstellt, wenn dessen Existenz nicht Verfahrensgegenstand ist (Rn. 15).
2. Eine Betriebsratswahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt wurde, ist in der Regel nicht nichtig, sondern allenfalls anfechtbar. Dies ist grundsätzlich auch dann der Fall, wenn im Zeitpunkt der Wahl bereits Streit über die Wirksamkeit einer von der gesetzlichen Betriebsverfassung abweichenden Vereinbarung iSv. § 3 BetrVG besteht (Rn. 21 f.).
3. Der Verfahrensgegenstand in einem Beschlussverfahren ändert sich iSv. § 263 ZPO auch dann, wenn zwar nicht der gestellte Antrag als solcher, aber der ihm zugrundeliegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist (Rn. 25).
4. Eine solche Antragsänderung ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - nicht zulässig (Rn. 30).
Gründe:
A. Die Beteiligten streiten in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch über die Betriebsratsfähigkeit eines Filialstandorts.
Die zu 2. beteiligte, nicht tarifgebundene Arbeitgeberin betreibt deutschlandweit über 500 Filialen mit Kraftfahrzeugwerkstätten und integriertem Kraftfahrzeugzubehörhandel sowie eine Zentrale am Unternehmenssitz in W. Ursprünglich war sie in fünf Vertriebsorganisationen - jeweils unter der Leitung eines mit Prokura ausgestatteten Regionalleiters - und 45 Vertriebsgebiete gegliedert. Seit einer Neustrukturierung im Jahr 2019 bestehen 20 Vertriebsbezirke mit je einem der Zentrale unterstellten Vertriebsleiter ohne Prokura, dem die in den jeweiligen Bezirk befindlichen Filialen zugeordnet sind.
Seit 2018 war in den Filialen die Tendenz zur Bildung von Betriebsräten rückläufig. Im Februar 2022 waren noch an 227 Filialstandorten örtliche - überwiegend einköpfige - Betriebsräte gewählt; darunter in S der antragstellende, zu 1. beteiligte Betriebsrat.
Unter dem 25. Januar/5. Februar 2021 schlossen die Arbeitgeberin und der in ihrem Unternehmen errichtete, zu 3. beteiligte Gesamtbetriebsrat eine "Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach § 3 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 a) BetrVG" (GBV 2021). In deren § 2 Abs. 1 und Abs. 5 war bestimmt, dass ein - sowohl den Gesamtbetriebsrat als auch die örtlichen Betriebsräte ablösender - unternehmenseinheitlicher Betriebsrat mit Sitz in W für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gebildet wird. Dessen Mitgliederzahl war nach § 2 Abs. 3 GBV 2021 abweichend von § 9 BetrVG auf 71 festgelegt, was bezweckte, "dass jeder Vertriebsbezirk gleich stark im unternehmenseinheitlichen Betriebsrat vertreten sein soll". Außerdem waren dem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat "dauerhaft bis zu maximal 10 sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen gem. § 80 Abs. 2 Satz 4 BetrVG zur Verfügung gestellt", welche den Schutzbestimmungen des § 15 KSchG und § 78 BetrVG unterliegen und -ebenso wie alle Betriebsratsmitglieder - für die Erledigung ihrer Aufgaben freigestellt sein sollten. Zur Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen dem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat und den Beschäftigten sah § 3 Abs. 1 GBV 2021 vor, dass "die Vertriebsbezirke Vertreter haben". Diese "Bezirksvertreter" sollte der unternehmenseinheitliche Betriebsrat im Rahmen seines Selbstorganisationsrechts benennen und dabei die räumliche Nähe des Betriebsratsmitglieds zum Vertriebsbezirk beachten.
Unter dem 5. Januar/23. Februar 2022 schlossen die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat erneut eine "Gesamtbetriebsvereinbarung über die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach § 3 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 a) BetrVG" (GBV 2022). In deren Präambel war im Gegensatz zur GBV 2021 niedergelegt, dass alle wesentlichen mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen in der Zentrale in W getroffen werden. Die Freistellung der Betriebsratsmitglieder stand nach § 2 Abs. 3 GBV 2022 unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit; außerdem waren dem Betriebsrat nach § 2 Abs. 4 GBV 2022 "dauerhaft bis zu maximal 10 sachkundige Arbeitnehmer als Kommunikationsbeauftragte nach § 40 Abs. 2 BetrVG zur Verfügung" gestellt. Auf Grundlage der GBV 2022 wurde am 1. März 2022 der unternehmenseinheitliche Betriebsrat (Beteiligter zu 4.) gebildet, dessen Wahl von mehreren Arbeitnehmern angefochten wurde. Am 17. März 2022 wurde der zu 1. beteiligte Betriebsrat am Standort S neu gewählt; diese Wahl wurde von der Arbeitgeberin angefochten.
Der zu 1. beteiligte Betriebsrat hat in dem von ihm im August 2021 eingeleiteten Verfahren die Auffassung vertreten, bei der Filiale S handele es sich um eine betriebsratsfähige Organisationseinheit entsprechend der gesetzlichen Betriebsverfassung. Mit den vereinbarten Regelungen zu einem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat hätten die Betriebsparteien gegen den Grundsatz der ortsnahen Belegschaftsvertretung verstoßen. Diese Regelungen seien auch deshalb unwirksam, weil bei der Vereinbarung einer von der gesetzlichen Betriebsverfassung abweichenden Vertretungsstruktur die Zusammenfassung von Betrieben gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG vorrangig gegenüber der Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BetrVG sei.
Der Betriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - beantragt
festzustellen, dass am Standort der Beteiligten zu 2. unter der Adresse S eine betriebsratsfähige Organisationseinheit besteht.
Die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat haben beantragt, den Antrag abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerden des Gesamtbetriebsrats und der Arbeitgeberin nach Anhörung des während des Beschwerdeverfahrens auf Grundlage der GBV 2022 gewählten unternehmenseinheitlichen Betriebsrats - welcher im Beschwerdeverfahren eine Rücknahme des Antrags erklärt hat - zurückgewiesen. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen die Arbeitgeberin, der Gesamtbetriebsrat sowie der unternehmenseinheitliche Betriebsrat weiter eine Antragsabweisung, während der zu 1. beteiligte Betriebsrat die Zurückweisung der Rechtsbeschwerden begehrt.
Im Verlauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Arbeitgeberin und der unternehmenseinheitliche Betriebsrat am 22. Februar 2023 die "Betriebsvereinbarung über die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach § 3 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 a) BetrVG" (BV UEB 2023) geschlossen. In ihr sind maximal 35 Kommunikationsbeauftragte - bei einem näher beschriebenen Zeitkontingent - vorgesehen. Es ist keine von § 9 BetrVG abweichende Zahl der Betriebsratsmitglieder festgelegt. Auch Bezirksvertreter sind nicht mehr vorgesehen. Im Übrigen ist nach Rücktritt des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats im März 2023 und dessen Neuwahl am 19. Juli 2023 auf Grundlage der BV UEB 2023 das diesen betreffende Wahlanfechtungsverfahren infolge übereinstimmender Erledigungserklärungen der dort Beteiligten eingestellt worden.
B. Die zulässigen Rechtsbeschwerden der Arbeitgeberin, des Gesamtbetriebsrats sowie des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats haben Erfolg. Das Feststellungsbegehren des Betriebsrats ist wegen einer in der Rechtsbeschwerdeinstanz eingetretenen Änderung des streitgegenständlichen Lebenssachverhalts unzulässig geworden.
I. Die Rechtsbeschwerden sind zulässig. Insbesondere sind - neben der Arbeitgeberin - der zu 3. beteiligte Gesamtbetriebsrat und der zu 4. beteiligte unternehmenseinheitliche Betriebsrat (weiterhin) rechtsbeschwerdebefugt.
1. Die Rechtsmittelbefugnis im Beschlussverfahren folgt der Beteiligungsbefugnis. Daher ist rechtsbeschwerdebefugt nur derjenige, der nach § 83 Abs. 3 ArbGG am Verfahren beteiligt ist.
a) Verfahrensbeteiligt ist eine Person oder Stelle, die durch die zu erwartende Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen wird. In einem Beschlussverfahren kann nach § 83 Abs. 3 ArbGG nur eine Person, Vereinigung oder Stelle zu hören sein, die nach § 10 ArbGG partei- und damit beteiligtenfähig ist. Einem nicht (mehr) existenten Gremium kommen keine kollektivrechtlichen Rechtspositionen (mehr) zu. Die Beteiligtenfähigkeit ist vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens - auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz - von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen. Fehlt die Rechtsmittelbefugnis, ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen (vgl. BAG 14. September 2022 - 7 ABR 17/21 - Rn. 12 mwN).
b) Ein unstreitiger Verlust der Beteiligtenfähigkeit einer Stelle führt grundsätzlich zur Unzulässigkeit eines von ihr eingelegten Rechtsmittels. Ist die Beteiligtenfähigkeit hingegen streitig, wird sie hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels unterstellt. Das gilt auch in einem Verfahren, dessen Gegenstand nicht - oder nicht unmittelbar - die Existenz der rechtsmittelführenden Stelle ist (vgl. BAG 14. September 2022 - 7 ABR 17/21 - Rn. 13 mwN).
2. Unter Anwendung dieser Grundsätze sind sowohl der Beteiligte zu 3. als auch der Beteiligte zu 4. rechtsmittelbefugt. Deren Beteiligtenfähigkeit hängt jedenfalls mittelbar mit der im vorliegenden Verfahren zu entscheidenden Frage zusammen, ob am Standort S eine betriebsratsfähige Organisationseinheit besteht. In einem solchen Verfahren sind die jeweiligen Gremien als bestehend zu behandeln und damit beteiligtenfähig (vgl. BAG 24. März 2021 - 7 ABR 16/20 - Rn. 16, BAGE 174, 269). Für den zu 3. beteiligten Gesamtbetriebsrat gilt dies ungeachtet des Umstands, dass seine Errichtung in den Vereinbarungen über eine vom Gesetz abweichende Betriebsverfassung nicht vorgesehen ist. Als Dauereinrichtung ist seine Existenz auch an keine Amtszeit gebunden, deren Ablauf einer fortbestehenden Beteiligtenfähigkeit entgegenstünde. Der im Juli 2023 neu gewählte unternehmenseinheitliche Betriebsrat ist Funktionsnachfolger des im Beschwerdeverfahren zu 4. beteiligten Gremiums (vgl. zur verfahrensrechtlichen Funktionsnachfolge BAG 1. Juni 2022 - 7 ABR 41/20 - Rn. 23).
II. Die Rechtsbeschwerden sind begründet. Mit dem Abschluss der BV UEB 2023 hat sich der zu beurteilende Lebenssachverhalt im Lauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens derart geändert, dass der Gegenstand des Verfahrens ein anderer geworden ist. Darin liegt eine in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr mögliche Antragsänderung, die eine Abweisung des Antrags als unzulässig zur Folge hat.
1. Allerdings begegnet der Antrag jenseits seiner unstatthaften Änderung in der Rechtsbeschwerdeinstanz keinen Zulässigkeitsbedenken. Auch ist der zu 1. beteiligte Betriebsrat als Funktionsnachfolger des das Verfahren einleitenden Gremiums unverändert antragsbefugt und der Antrag noch anhängig.
a) Der Betriebsrat erstrebt die Feststellung einer betriebsratsfähigen Organisationseinheit an einem iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt benannten Standort der Arbeitgeberin. Es handelt sich um ein Begehren nach § 18 Abs. 2 BetrVG, wonach bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, ua. jeder beteiligte Betriebsrat eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen kann. Das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG klärt eine für zahlreiche betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen bedeutsame Vorfrage, indem verbindlich festgelegt wird, welche Organisationseinheit als der Betrieb anzusehen ist, in dem ein Betriebsrat zu wählen ist und in dem er seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann. Für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 18 Abs. 2 BetrVG kommt es nicht darauf an, in welchen betrieblichen Organisationseinheiten bereits Betriebsräte gewählt sind. Damit ist die betriebsverfassungsrechtliche Situation allenfalls für die laufende Amtszeit der Betriebsräte geklärt. Für künftige Betriebsratswahlen besteht nach wie vor ein Interesse an der Feststellung, in welcher Organisationseinheit ein Betriebsrat zu wählen ist (vgl. BAG 24. März 2021 - 7 ABR 16/20 - Rn. 26 mwN, BAGE 174, 269).
b) Die Antragsbefugnis des zu 1. beteiligten Betriebsrats folgt gleichfalls aus § 18 Abs. 2 BetrVG. Er ist der für die festzustellende unternehmenseinheitliche Organisationseinheit gewählte und damit "beteiligte Betriebsrat" iSv. § 18 Abs. 2 BetrVG. Mit seiner Neuwahl nach Verfahrenseinleitung am 17. März 2022 hat eine Funktionsnachfolge stattgefunden. Diese Annahme scheitert nicht etwa daran, dass die Neuwahl nichtig wäre (vgl. zur fehlenden Antragsbefugnis bei einem nicht mehr existenten Gremium BAG 25. Februar 2020 - 1 ABR 40/18 - Rn. 11). Eine Nichtigkeit der Wahl resultiert im vorliegenden Streitfall insbesondere nicht daraus, dass am 17. März 2022 bereits der unternehmenseinheitliche Betriebsrat - mit einer beanspruchten Vertretung auch der in der streitbefangenen Organisationseinheit beschäftigten Arbeitnehmer - gewählt war.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Betriebsratswahl nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig. Voraussetzung dafür ist ein so eklatanter Verstoß gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht (BAG 30. Juni 2021 - 7 ABR 24/20 - Rn. 28). Wegen der weitreichenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders gravierenden und krassen Wahlverstößen angenommen werden. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften handeln, so dass ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss "den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen" (st. Rspr., vgl. BAG 30. Juni 2021 - 7 ABR 24/20 - Rn. 28 mwN). Dies ist bei einer Betriebsratswahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt wurde, grundsätzlich nicht der Fall (vgl. hierzu etwa BAG 21. Juni 2023 - 7 ABR 19/22 - Rn. 18 mwN). Die Verkennung des Betriebsbegriffs hat in der Regel nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge (BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 1 der Gründe mwN).
bb) Die (Neu-)Wahl des Antragstellers am 17. März 2022 ist nach diesen Grundsätzen nicht nichtig. Sie fand in einem Zeitpunkt statt, in welchem bereits Streit über die Wirksamkeit der GBV 2021 bzw. der GBV 2022 bestand; mithin über die Grundlage der Errichtung des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats. Insgesamt erfolgte sie damit allenfalls unter Verkennung des Betriebsbegriffs. Eine solche Annahme ist in Konstellationen wie der vorliegenden auch deshalb geboten, weil anderenfalls Verfahrensrechte des Antragstellers unzulässig verkürzt würden. Der zu 1. beteiligte Betriebsrat ist bezogen auf die Wahl des Beteiligten zu 4. nicht nach § 19 Abs. 2 BetrVG anfechtungsberechtigt.
c) Entgegen der Ansicht des zu 4. beteiligten unternehmenseinheitlichen Betriebsrats hat dieser den Antrag in der Beschwerdeinstanz nicht wirksam zurückgenommen mit der Folge einer Verfahrenseinstellung. Hierfür fehlt es - ungeachtet der Frage, ob der Beteiligte zu 4. Funktionsnachfolger des örtlichen Betriebsrats und damit in dessen verfahrensrechtliche Stellung eingetreten ist - jedenfalls an der nach § 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 ArbGG erforderlichen Zustimmung der übrigen Beteiligten.
2. Der Antrag des zu 1. beteiligten Betriebsrats hat sich aber durch Eintritt eines neuen Lebenssachverhalts in der Rechtsbeschwerdeinstanz geändert. Die hierin liegende Antragsänderung ist unzulässig.
a) Nach dem für den Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess einschließlich des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens geltenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens durch den konkret gestellten Antrag (Klageantrag) und den ihm zugrundeliegenden Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt (BAG 27. Juli 2016 - 7 ABR 16/14 - Rn. 24; 18. Mai 2016 - 7 ABR 81/13 - Rn. 14; 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - Rn. 18 mwN). Der Verfahrensgegenstand ändert sich dementsprechend iSv. § 263 ZPO auch dann, wenn zwar nicht der gestellte Antrag als solcher, aber der ihm zugrundeliegende Lebenssachverhalt ein anderer geworden ist (BAG 27. Juli 2016 - 7 ABR 16/14 - Rn. 24; 8. Dezember 2010 - 7 ABR 69/09 - Rn. 16; 2. Oktober 2007 - 1 ABR 79/06 - Rn. 18; zur Änderung des Verfahrensgegenstands in der Rechtsbeschwerdeinstanz durch Änderung der zu beachtenden Rechtslage vgl. BAG 10. Juli 2013 - 7 ABR 91/11 - Rn. 31, BAGE 145, 355 und 25. Januar 2005 - 1 ABR 61/03 - zu B I 1 der Gründe mwN, BAGE 113, 218).
b) Eine solche Änderung des dem Antrag zugrundeliegenden Lebenssachverhalts liegt vor.
aa) Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob am Standort des antragstellenden Betriebsrats in S eine betriebsratsfähige Organisationseinheit besteht. Insoweit hat der Antragsteller allein ein gegenwarts- und zukunftsbezogenes Interesse an der Feststellung, in welcher Organisationseinheit ein Betriebsrat zu wählen ist (vgl. allg. BAG 23. November 2016 - 7 ABR 3/15 - Rn. 57; 24. April 2013 - 7 ABR 71/11 - Rn. 22, BAGE 145, 60; 17. August 2005 - 7 ABR 62/04 - zu B II 1 der Gründe). Dieses Verständnis des Antrags als Begehren iSv. § 18 Abs. 2 BetrVG hat der zu 1. beteiligte Betriebsrat zuletzt sowohl schriftsätzlich als auch im Rahmen des Anhörungstermins vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Eine andere Interpretation widerspräche im Übrigen nicht nur dem Wortlaut seines Begehrens, sondern bewirkte gemäß § 256 Abs. 1 ZPO dessen Unzulässigkeit jenseits der Antragsänderungsproblematik. Ein rechtliches Interesse des zu 1. beteiligten Betriebsrats an einer "rückwirkenden" Feststellung der betriebsratsfähigen Organisationseinheit - hier konkret für den Zeitraum unter Geltung der GBV 2021 bzw. der GBV 2022 - ist von vornherein nicht ersichtlich (vgl. zu den Anforderungen an ein vergangenheitsbezogenes Feststellungsinteresse BAG 6. Mai 2003 - 1 AZR 340/02 - zu 1 der Gründe).
bb) Dieser Verfahrensgegenstand bedingt ein materiell-rechtliches Prüfprogramm mit der streitentscheidenden Frage, ob die gesetzlich vorgesehenen Strukturen der Betriebsverfassung durch eine ihrerseits wirksame Vereinbarung iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 BetrVG geändert worden sind. Diese Frage hatte das Arbeitsgericht auf Grundlage der GBV 2021 und das Landesarbeitsgericht auf Grundlage der GBV 2022 zu beantworten. Es kann dahinstehen, ob bereits die nach Verkündung des erstinstanzlichen Beschlusses geschlossene GBV 2022 eine Antragsänderung in der Beschwerdeinstanz impliziert hat, die der durch den arbeitsgerichtlichen Beschluss nicht beschwerte, zu 1. beteiligte Betriebsrat im Übrigen nur im Wege einer Anschlussbeschwerde hätte anbringen können. Jedenfalls wäre eine (stillschweigende) Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über ihre Zulassung nach § 87 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 iVm. § 81 Abs. 3 Satz 3 ArbGG unanfechtbar (vgl. BAG 23. März 2021 - 1 ABR 31/19 - Rn. 39, BAGE 174, 233; 20. Februar 2019 - 7 ABR 40/17 - Rn. 29). In der Rechtsbeschwerdeinstanz bezieht sich das Prüfprogramm nunmehr jedoch auf die BV UEB 2023. Diese bewirkt als neue vereinbarte Betriebsverfassung bei gleichgebliebenem Wortlaut des Antrags dessen Änderung.
c) Die während des Rechtsbeschwerdeverfahrens eingetretene Antragsänderung ist unzulässig.
aa) Antragserweiterungen und sonstige Antragsänderungen sind im Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht mehr möglich. Hiervon hat das Bundesarbeitsgericht - abgesehen von den Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO - aus prozess- oder verfahrensökonomischen Gründen Ausnahmen zugelassen, wenn sich der neue Sachantrag auf einen in der Berufungs- bzw. Beschwerdeinstanz festgestellten oder von den Parteien bzw. Beteiligten übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der anderen Parteien bzw. Beteiligten durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden (BAG 25. Januar 2023 - 4 ABR 4/22 - Rn. 36 mwN; 18. Mai 2016 - 7 ABR 81/13 - Rn. 24 mwN). Auch die durch eine "bloße" novellierte Rechtslage bewirkte Antragsänderung ist unzulässig, wenn dadurch Rechte von Verfahrensbeteiligten beeinträchtigt werden können (vgl. zur ausnahmsweisen Zulässigkeit der Antragsänderung BAG 10. Juli 2013 - 7 ABR 91/11 - Rn. 31, BAGE 145, 355).
bb) Danach ist die im Streitfall eingetretene Antragsänderung nicht zulässig. Mit der durch den Abschluss der BV UEB 2023 eingetretenen Änderung des Lebenssachverhalts hat sich - bei gleichbleibendem Antrag - das rechtliche Prüfprogramm wesentlich verändert, denn die Grundlage der gewillkürten Betriebsratsstruktur ist in mehrfacher Hinsicht modifiziert worden. Vor allem aber würden durch eine Sachentscheidung in der Rechtsbeschwerdeinstanz die Verfahrensrechte der Beteiligten verkürzt.
(1) Zum einen unterscheidet sich die BV UEB 2023 inhaltlich weitreichend von der - für die angefochtene Entscheidung noch maßgeblichen - GBV 2022. So legt sie etwa - anders als noch die GBV 2022 - keine vom Gesetz abweichende mitgliederbestimmte Größe des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats mehr fest. Demgegenüber sollen dem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat nunmehr anstatt der in der GBV 2022 vorgesehenen zehn sog. Kommunikationsbeauftragten (§ 2 Abs. 4 GBV 2022) bei Bedarf 35 (zeitkontingentierte) Kommunikationsbeauftragte zur Unterstützung an die Seite gestellt werden (§ 2 Abs. 4 BV UEB 2023). Die Ziele, dass im unternehmenseinheitlichen Betriebsrat möglichst Mitglieder aus allen Bezirken vertreten sein sollen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GBV 2022) und dass jeder Vertriebsbezirk im UEB gleich stark vertreten sein soll (§ 2 Abs. 3 Satz 1 GBV 2022), sind in der BV UEB 2023 nicht mehr enthalten. Das gilt ebenso für die in der GVB 2022 noch vorgesehenen Bezirksvertreter.
(2) Zum anderen hat die Arbeitgeberin die BV UEB 2023 - im Gegensatz zu der mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen GBV 2022 - mit dem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat vereinbart. Dieser ist insoweit auch nicht bloßer Funktionsnachfolger des Gesamtbetriebsrats, denn nach der Konzeption der BV UEB 2023 (und auch schon der GBV 2021 sowie der GBV 2022) soll er neben dem Gesamtbetriebsrat die örtlichen Betriebsräte ablösen und als unternehmenseinheitlicher (örtlicher) Betriebsrat fungieren. Würde der Senat darüber befinden, ob die BV UEB 2023 den Anforderungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BetrVG genügt, würden seine Verfahrensrechte, aber auch die der übrigen Beteiligten erheblich verkürzt. Gerade bei der streitentscheidenden Frage, ob und wie die Betriebsparteien von den sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BetrVG ergebenden Möglichkeiten Gebrauch machen wollten, kommt ihnen ein Einschätzungsspielraum hinsichtlich des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen sowie ein Beurteilungs- und ein Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung einer Regelung zu. Dieser ist von den Gerichten bei der Überprüfung einer entsprechenden Regelung zu beachten (vgl. BAG 24. April 2013 - 7 ABR 71/11 - Rn. 31, BAGE 145, 60), was seinerseits eine Äußerungsmöglichkeit der Betriebsparteien, die die Betriebsvereinbarung geschlossen haben, gebietet. Die Betriebsparteien - vorliegend neben der Arbeitgeberin auch der unternehmenseinheitliche Betriebsrat (und nicht mehr wie in der Beschwerdeinstanz der Gesamtbetriebsrat) - müssen die Möglichkeit haben, ihr Regelungskonzept im Einzelnen darzulegen. Bezogen auf die BV UEB 2023 fehlt es an einer - schon aufgrund der zeitlichen Abläufe nicht möglichen - entsprechenden Äußerungsmöglichkeit, wobei neuer Sachvortrag hierzu in der Rechtsbeschwerdeinstanz ausgeschlossen ist (vgl. BAG 18. Juli 2012 - 7 ABR 21/11 - Rn. 38). Daneben wären auch die Verfahrensrechte des zu 1. beteiligten Betriebsrats im Falle einer Zulassung der Antragsänderung in der Rechtsbeschwerdeinstanz beeinträchtigt. Diesem wäre es zB nicht möglich, Einwendungen gegen die formelle Wirksamkeit der BV UEB 2023 zu erheben.
3. Die in der Rechtsbeschwerde nicht statthafte Änderung des Antrags führt zu dessen Abweisung - mit dem in der Rechtsbeschwerde angefallenen Inhalt - als unzulässig.