BAG: Auslegung einer Ruhegeldordnung
Betriebsverfassungsgesetz
BAG, Urteil vom 21.11.2023, 3 AZR 14/23
Verfahrensgang: ArbG Münster, 4 Ca 1369/21 vom 18.02.2022
LAG Hamm, 4 Sa 428/22 vom 21.09.2022
Leitsatz:
Die für einen Anspruch auf Invalidenrente nach einer Ruhegeldbetriebsvereinbarung erforderliche rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses greift jedenfalls dann nicht unverhältnismäßig in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl der Arbeitnehmer ein, wenn die Invalidität durch den Rentenbescheid des gesetzlichen Sozialversicherungsträgers nachgewiesen ist.
Orientierungssätze:
1. Verlangt eine Betriebsvereinbarung für den Bezug einer Invalidenrente das "Ausscheiden aus den Diensten" der Arbeitgeberin, spricht schon der Wortsinn dafür, dass damit eine endgültige, rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht nur ein vorübergehendes Ruhen der Hauptleistungspflichten gemeint ist. Auch die Formulierung, dass der Arbeitnehmer aus Gründen der Erwerbsunfähigkeit ausgeschieden sein muss, "ohne dass vorher sein Arbeitsvertrag gekündigt worden ist", belegt, dass eine rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist (Rn. 13).
2. Zwar verfügen die Betriebsparteien bei der Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen über Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume, die Typisierungen und Pauschalierungen einschließen. Allerdings müssen sie hierbei den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG und den Schutz der Freiheitsrechte der Arbeitnehmer nach § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG beachten (Rn. 15).
3. Eine nach der Versorgungsordnung in der Form einer Betriebsvereinbarung erforderliche rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses greift jedenfalls dann nicht unverhältnismäßig in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl der Arbeitnehmer ein, wenn die Invalidität durch den Rentenbescheid des gesetzlichen Sozialversicherungsträgers nachgewiesen ist. Zwar wird auf die Arbeitnehmer dadurch ein gewisser, aber kein unzumutbarer Druck zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeübt (Rn. 16, 22).
4. Der Arbeitgeber muss keinen zeitlichen Gleichklang mit dem (rückwirkenden) Bezugsbeginn der sozialversicherungsrechtlichen Erwerbsminderungsrente herstellen. Entscheidet er sich für eine Zusage, ist er nach Betriebsrentenrecht nicht gehalten, sich den Regeln der gesetzlichen Sozialversicherung anzuschließen und für die betriebliche Versorgung gleiche oder entsprechende Regeln aufzustellen (Rn. 23).
Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf betriebliche Invaliditätsversorgung vor der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Der im Februar 1963 geborene Kläger war bei dem Beklagten beschäftigt. Dort galt die Betriebsvereinbarung "Versorgungsregelung für Betriebsangehörige der L-Versicherungen" (VR 1979). Darin heißt es auszugsweise:
"Betriebsvereinbarung
I. Die betriebliche Altersversorgung der Betriebsangehörigen, die vom 01.02.1979 an als Angestellte oder Arbeiter ihre Tätigkeit bei den L-Versicherungen aufgenommen haben, richtet sich nach der folgenden Versorgungsregelung für Betriebsangehörige der L-Versicherungen (Versorgungsregelung 1979)
II. Versorgungsregelung für Betriebsangehörige der
L-Versicherungen (Versorgungsregelung 1979)
...
1. Grundsatz
Wenn und soweit die nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind, gewähren
der L Versicherungsverein a.G. (L),
...
eine Versorgung für das Alter, die Invalidität und im Todesfall für die Hinterbliebenen von Betriebsangehörigen der L-Versicherungen ausschließlich nach den Bestimmungen dieser Versorgungsregelung.
...
2. Aufnahme
...
2.3 Die Aufnahme in die Versorgung erfolgt aufgrund eines Vertrages zwischen dem Betriebsangehörigen und seinem Arbeitgeber, der im Arbeitsvertrag der L-Versicherungen genannt ist.
Der Betriebsangehörige muß dem L mitteilen, daß er in die Versorgung aufgenommen werden möchte. Der L verpflichtet sich, den Betriebsangehörigen bei Beginn des Arbeitsverhältnisses und unmittelbar vor Eintritt der formellen Voraussetzungen für die Aufnahme in die betriebliche Altersversorgung hierauf hinzuweisen. Nachdem der L die Vorfragen der Ziffer 2.1 bis 2.1.5 im positiven Sinne geklärt hat, bietet er dem Betriebsangehörigen unter Beifügung dieser Versorgungsregelung schriftlich die Aufnahme in die Versorgung an. Nimmt der Betriebsangehörige dieses Angebot an, so ist der Vertrag mit dem Zugang der schriftlichen Annahmeerklärung beim L zustande gekommen.
3. Versorgungsleistungen
Je nach Vorliegen der erforderlichen, nach den Leistungsarten unterschiedlichen Voraussetzungen, werden auf Antrag alternativ folgende Versorgungsleistungen als laufende Rentenzahlung erbracht:
3.1 Altersrente oder
3.2 Invalidenrente oder
...
5. Invalidenrente
5.1 Invalidenrente wird gezahlt, wenn
5.1.1 und solange - längstens bis zum Beginn der Altersgrenze nach Ziffer 4.2 - der Betriebsangehörige invalide, d.h. berufsunfähig i.S. von § 23 AVG bzw. 1246 RVO oder erwerbsunfähig i.S. von § 24 AVG bzw. § 1247 RVO ist und
5.1.2 er aus diesen Gründen aus den Diensten der L-Versicherungen ausgeschieden ist, ohne daß vorher sein Arbeitsvertrag gekündigt worden ist, unbeschadet der Rechte aus Ziffer 11.1.
5.2 Der L soll binnen dreier Monate nach Antragsstellung darüber entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Zahlung einer Invalidenrente vorliegen.
5.2.1 Das Vorliegen der Invalidität hat der Betriebsangehörige durch Vorlage des Rentenbescheides eines Sozialversicherungsträgers nachzuweisen. Falls kein Rentenbescheid ergeht, muß die Invalidität aufgrund einer ärztlichen Gesundheitsprüfung entsprechend der Ziffer 2.2 festgestellt werden.
...
5.3 Der Anspruch auf Invalidenrente erlischt im selben Zeitpunkt,
5.3.1 mit dessen Wirkung dem Betriebsangehörigen die Sozialversicherungsrente entzogen wird, oder,
5.3.2 falls der Betriebsangehörige keine Sozialversicherungsrente wegen Invalidität erhielt, er nicht mehr invalide ist.
5.3.3 Der Betriebsangehörige hat die Entziehung der Sozialversicherungsrente und den Wegfall der Invalidität dem L unverzüglich schriftlich anzuzeigen.
5.3.4 Der L kann bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres des Betriebsangehörigen jederzeit verlangen,
5.3.4.1 daß dieser zum Nachweis der Fortdauer der Invalidität einen Bescheid des Sozialversicherungsträgers vorlegt, oder
5.3.4.2 falls er keine Sozialversicherungsrente wegen Invalidität erhielt, sich einer ärztlichen Gesundheitsprüfung nach Maßgabe der Ziffer 2.2 unterzieht.
5.4 Erzielt der Rentenempfänger vor Vollendung seines 65. Lebensjahres neben der Invalidenrente aus einer Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit regelmäßige Einkünfte, so werden diese mit Beginn des Monats, der der Aufnahme der Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit folgt, zur Hälfte, höchstens jedoch bis zur Hälfte der Invalidenrente angerechnet. Der Betriebsangehörige hat die vor Vollendung seines 65. Lebensjahres aufgenommene Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit sowie die Höhe der daraus erzielten Einkünfte dem L unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Bei Vollendung des 65. Lebensjahres des Betriebsangehörigen tritt an die Stelle der Invalidenrente die Altersrente in gleicher Höhe.
...
16. Verfahren
16.1 Die Höhe und eventuelle Dauer von Versorgungsleistungen wird vom L nach Eintritt des Versorgungsfalles festgestellt und den Versorgungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern minderjähriger Waisen schriftlich mitgeteilt.
16.2 Versorgungsrenten werden erstmals für den Monat gezahlt, der auf den Monat folgt, in dem der Versorgungsfall eintritt."
Im April 1996 schlossen die Parteien einen Vertrag, nach dem der Beklagte dem Kläger einen Versorgungsanspruch nach Maßgabe der VR 1979 gewährte.
Mit Bescheid vom 9. August 2021 wurde dem Kläger rückwirkend ab dem 1. Februar 2020 gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze am 31. Dezember 2029 bewilligt. Ab dem 1. September 2021 bezog der Kläger vom Beklagten Invalidenrente iHv. monatlich 919,57 Euro brutto.
Der Kläger hat vom Beklagten die Zahlung einer Invalidenrente bereits ab dem 1. Februar 2020 verlangt. Bei der VR 1979 handele es sich nicht um eine Betriebsvereinbarung, vielmehr unterliege das Versorgungsversprechen einer Auslegung und Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. In der VR 1979 sei nicht definiert, wann der Versorgungsfall eintrete. Nach zutreffender Auslegung sei dies der Eintritt der Invalidität. Der vollständige Ausschluss einer Invalidenrente vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei überdies unangemessen benachteiligend.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 17.471,83 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. September 2021 zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Invalidenrente bereits ab dem 1. Februar 2020.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch aus Nr. II 5 VR 1979 gegen den Beklagten auf eine Invalidenrente vor dem 1. September 2021. Er war zwar seit dem 1. Februar 2020 erwerbsunfähig iSv. Nr. II 5.1.1 VR 1979, aber vor dem 1. September 2021 nicht iSv. Nr. II 5.1.2 VR 1979 aus den Diensten des Beklagten ausgeschieden.
1. Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters nach den für Tarifverträge und für Gesetze geltenden Grundsätzen auszulegen. Dabei ist vom Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn auszugehen. Insbesondere bei unbestimmtem Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelungen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Betriebsparteien geben kann. Soweit kein eindeutiges Auslegungsergebnis möglich ist, kommen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Auslegungskriterien wie etwa eine regelmäßige Anwendungspraxis oder die Normengeschichte in Betracht. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 8. März 2022 - 3 AZR 420/21 - Rn. 24; 2. Dezember 2021 - 3 AZR 212/21 - Rn. 32). Die Grundsätze der Auslegung von Betriebsvereinbarungen gelten auch für die Frage, ob eine Betriebsvereinbarung vorliegt (BAG 8. Dezember 2020 - 3 AZR 437/18 - Rn. 108; 3. Juni 2020 - 3 AZR 730/19 - Rn. 53, BAGE 171, 1).
2. Danach handelt es sich bei der VR 1979 um eine Betriebsvereinbarung, die gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend gilt. Nach ihrem Wortlaut und der Systematik ihrer Bestimmungen begründet sie selbst normativ Ansprüche der Betriebsangehörigen. So legt Nr. I VR 1979 unter der Überschrift "Betriebsvereinbarung" fest, dass sich die betriebliche Altersversorgung der Betriebsangehörigen nach der folgenden VR richtet. Unter der Überschrift "Grundsatz" wird nach Nr. II 1 VR 1979 eine Versorgung ua. für die Invalidität von Betriebsangehörigen ausschließlich nach den Bestimmungen dieser Versorgungsregelung gewährt. Nach Nr. II 3 VR 1979 wird auf Antrag ua. Invalidenrente als laufende Rentenzahlung geleistet. Nr. II 5.1, 5.2 sowie 5.3 VR 1979 regeln die Anspruchsvoraussetzungen und das Erlöschen des Anspruchs. Nr. II 16.1 und 16.2 VR 1979 gestalten das Verfahren für die Ermittlung der Invalidenrente und bestimmen, dass Versorgungsrenten erstmals für den Monat gezahlt werden, der auf den Monat folgt, in dem der Versorgungsfall eintritt. Zwar verlangt gemäß Nr. II 2.3 VR 1979 die "Aufnahme in die Versorgung" einen Vertrag zwischen dem Betriebsangehörigen und seinem Arbeitgeber sowie dem Versorgungsträger. Dabei handelt es sich aber lediglich um eine weitere Voraussetzung für die in der VR 1979 geregelten Ansprüche. Der Vertrag gestaltet den Versorgungsanspruch nicht selbst aus.
3. Der Kläger war seit dem 1. Februar 2020 erwerbsunfähig iSv. Nr. II 5.1.1 VR 1979. Die Begriffe "berufsunfähig" und "erwerbsunfähig" in der Bestimmung sind als Bezugnahme auf die sozialversicherungsrechtliche Terminologie zu verstehen. Der Arbeitgeber ist zwar nicht verpflichtet, sich am gesetzlichen Rentenversicherungsrecht zu orientieren. Sieht er aber - wie hier - davon ab, die Begriffe "berufsunfähig" und "erwerbsunfähig" selbst zu definieren und den Eintritt des Versorgungsfalls eigenständig festzulegen, will er damit in der Regel die sozialversicherungsrechtlichen Gegebenheiten übernehmen (vgl. BAG 10. Oktober 2023 - 3 AZR 250/22 - Rn. 16; 13. Juli 2021 - 3 AZR 445/20 - Rn. 17). Es handelt sich um eine dynamische Bezugnahme auf das jeweils geltende Sozialversicherungsrecht. Die Rente wegen voller Erwerbsminderung entspricht dabei nach Voraussetzungen und Inhalt der früheren Erwerbsunfähigkeitsrente (vgl. BAG 10. Oktober 2023 - 3 AZR 250/22 - Rn. 17).
4. Der Kläger war jedoch nicht vor dem 1. September 2021 iSv. Nr. II 5.1.2 VR 1979 aus den Diensten des Beklagten ausgeschieden. Die Auslegung der Bestimmung ergibt, dass das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet sein muss, um Invalidenrente zu beziehen. Schon der Wortsinn des Begriffs "Ausscheiden aus den Diensten" spricht dafür, dass damit eine endgültige, rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nicht nur ein vorübergehendes Ruhen der Hauptleistungspflichten gemeint ist (vgl. BAG 10. Oktober 2023 - 3 AZR 250/22 - Rn. 18 zu einer Allgemeinen Geschäftsbedingung). Auch die Formulierung, dass der Arbeitnehmer aus Gründen der Erwerbsunfähigkeit ausgeschieden sein muss, "ohne dass vorher sein Arbeitsvertrag gekündigt worden ist", belegt, dass eine rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemeint ist. Denn eine vorherige Kündigung führte gemäß § 620 Abs. 2 BGB ebenfalls zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der VR 1979 ein vom Wortsinn abweichendes Verständnis von "Ausscheiden aus den Diensten" zugrunde liegt. Die Unklarheitenregel gemäß § 305c Abs. 2 BGB findet unabhängig davon, ob ihre Voraussetzungen im Übrigen vorlägen, nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB auf Betriebsvereinbarungen keine Anwendung.
II. Die Betriebsparteien haben das Erfordernis einer rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Rentenbezug jedenfalls für die hier in Rede stehende Konstellation, dass die Invalidität gemäß Nr. II 5.2.1 Satz 1 VR 1979 durch den Rentenbescheid des gesetzlichen Sozialversicherungsträgers nachgewiesen ist, wirksam vereinbart. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger anderenfalls überhaupt einen Anspruch auf einen früheren Bezug der Invalidenrente ableiten könnte, verstößt Nr. II 5.1.2 VR 1979 zumindest insoweit nicht gegen § 75 Abs. 1 BetrVG. Eine Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB findet gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht statt.
1. Die Betriebsparteien verfügen bei der Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen über Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume, die Typisierungen und Pauschalierungen einschließen. Allerdings müssen sie hierbei den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG beachten (BAG 11. Oktober 2022 - 1 AZR 129/21 - Rn. 16; 25. Januar 2022 - 3 AZR 345/21 - Rn. 54). § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BetrVG verpflichtet sie zudem zum Schutz der Freiheitsrechte der Arbeitnehmer (BAG 30. Januar 2019 - 5 AZR 450/17 - Rn. 71, BAGE 165, 168). Die Betriebsparteien dürfen daher keine Regelung treffen, die die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer unverhältnismäßig beschränkt. Eine die Arbeitsplatzwahlfreiheit beschränkende Regelung muss geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung des gewährleisteten Freiheitsrechts angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Geeignet ist die Regelung, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Erforderlich ist sie, wenn kein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Angemessen ist sie, wenn sie verhältnismäßig im engeren Sinn erscheint. Es bedarf einer Gesamtabwägung zwischen der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe; die Grenze der Zumutbarkeit darf nicht überschritten werden (BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 30 mwN, BAGE 137, 300).
2. Die nach Nr. II 5.1.2 VR 1979 erforderliche rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses greift jedenfalls dann nicht unverhältnismäßig in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl der Arbeitnehmer ein, wenn die Invalidität - wie hier - durch den Rentenbescheid des gesetzlichen Sozialversicherungsträgers nachgewiesen ist.
a) Die Regelung beschränkt zwar die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, da sie, um in den Genuss der betrieblichen Invalidenrente zu gelangen, ihr Arbeitsverhältnis beenden müssen, sofern es nicht ohnehin aufgrund einer wirksamen (tarif-)vertraglichen Regelung endet.
b) Auf Seiten des die Versorgung zusagenden Arbeitgebers besteht jedoch das seinerseits nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse, sein Unternehmen so zu führen, dass Doppelleistungen an die Arbeitnehmer vermieden werden. Der Arbeitgeber muss Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aus den Erträgen des Unternehmens erwirtschaften. Wird die betriebliche Invaliditätsleistung nicht von einer vorherigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht, kann dies Doppelleistungen auch im ruhenden Arbeitsverhältnis zur Folge haben. Der eine Invalidenrente zusagende Arbeitgeber hat zudem ein ebenfalls nach Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes Interesse an Planungssicherheit für den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers, die erst bei einer rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben ist (vgl. BAG 10. Oktober 2023 - 3 AZR 250/22 - Rn. 32; 13. Juli 2021 - 3 AZR 298/20 - Rn. 56 ff., BAGE 176, 1).
c) Die nach Nr. II 5.1.2 VR 1979 erforderliche rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist geeignet, die erstrebte Vermeidung von Doppelleistungen zu fördern. Sie ist auch erforderlich, da kein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Zwar könnte auch eine ausdrückliche Ausschlussklausel Doppelleistungen verhindern, allerdings nicht ebenso rechtssicher wie eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Außerdem wären Rückforderungen des Arbeitgebers ggf. nach § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.
d) Die Regelung in Nr. II 5.1.2 VR 1979 ist jedenfalls für die Konstellation, dass die Invalidität durch den Rentenbescheid des gesetzlichen Sozialversicherungsträgers nachgewiesen ist, auch angemessen. Im Rahmen der Gesamtabwägung zwischen der Intensität der Beschränkung der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gründe ist insoweit die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten.
aa) Die Arbeitnehmer und später Versorgungsberechtigten haben ein berechtigtes Interesse daran, autonom darüber zu entscheiden, ob sie ihr Arbeitsverhältnis beibehalten oder aufgeben. Am Bestand des Arbeitsverhältnisses haben sie ein besonderes Interesse, wenn die Erwerbsminderungsrente wie im Regelfall nur befristet gewährt wird (§ 102 Abs. 2 SGB VI) (vgl. BAG 10. Oktober 2023 - 3 AZR 250/22 - Rn. 33; 13. Juli 2021 - 3 AZR 298/20 - Rn. 59 f., BAGE 176, 1).
bb) Auf die Arbeitnehmer wird durch Nr. II 5.1.2 VR 1979 zwar ein gewisser, jedenfalls in der Konstellation, dass die Invalidität durch den Rentenbescheid des gesetzlichen Sozialversicherungsträgers nachgewiesen ist, aber kein unzumutbarer Druck zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeübt. Sie sind in diesem Fall nicht etwa gezwungen, über ihr Arbeitsverhältnis zu einem Zeitpunkt verbindlich zu disponieren und dieses aufzugeben, zu dem noch gar nicht feststeht, ob die Voraussetzungen für ihr betriebliches Ruhegeld erfüllt sind oder wie lange die Arbeitgeberin für eine Entscheidung über die materiellen Voraussetzungen des Ruhegelds benötigt (vgl. BAG 10. Oktober 2023 - 3 AZR 250/22 - Rn. 35; anders BAG 13. Juli 2021 - 3 AZR 298/20 - Rn. 61 f., BAGE 176, 1). Die VR 1979 sieht in Nr. II 5.2.1 Satz 1 den Nachweis der Invalidität durch Vorlage des Rentenbescheides eines Sozialversicherungsträgers vor und knüpft damit an den Bezug der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente an. Dieser Termin lässt sich für die Arbeitnehmer eindeutig bestimmen. Die Arbeitgeberin verfügt nicht über einen eigenen Prüfungszeitraum, der den Leistungsbeginn verzögern könnte. Der einzelne Arbeitnehmer kennt mit der Bewilligung der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente alle relevanten Umstände: seine gesundheitliche Situation, persönlichen Verhältnisse und das Rentenverfahren. Er kann diese Umstände bewerten und auf ihrer Grundlage entscheiden, ob er und wie lange er am Arbeitsverhältnis festhalten will, wenn es nicht ohnehin aufgrund wirksamer (tarif-)vertraglicher Regelung endet. Wünscht er den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, muss er im Gegenzug hinnehmen, in dieser Zeit kein Ruhegeld zu erhalten. Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers, keine Doppelleistungen erbringen zu müssen und Planungssicherheit zu haben, ist dem Interesse des Arbeitnehmers am Bezug betrieblichen Ruhegeldes bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zumindest gleichgewichtig. Dies gilt auch dann, wenn die gesetzliche Erwerbsminderungsrente - wie regelmäßig - nur befristet bewilligt worden ist. Zwar wird dies das Interesse des Arbeitnehmers verstärken, am Arbeitsverhältnis festzuhalten, um sich die Chancen für eine Weiterbeschäftigung im Falle der Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Es ist aber auch dann nicht unzumutbar, ihm unter der Voraussetzung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses (noch) kein betriebliches Ruhegeld zu gewähren. Das Interesse des Arbeitgebers, Doppelleistungen zu vermeiden und Planungssicherheit zu haben, vermindert sich dadurch nicht. Der Arbeitnehmer kennt dagegen die Umstände, die es entweder realistisch erscheinen lassen, auf eine Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit zu hoffen, oder aber einer Aufgabe des Arbeitsverhältnisses mit der Folge des Bezugs betrieblichen Ruhegeldes den Vorzug zu geben (vgl. BAG 10. Oktober 2023 - 3 AZR 250/22 - Rn. 36).
cc) Der Arbeitgeber ist auch sonst nicht verpflichtet, einen zeitlichen Gleichklang mit dem (rückwirkenden) Bezugsbeginn der sozialversicherungsrechtlichen Erwerbsminderungsrente herzustellen. Entscheidet er sich für eine Zusage, ist er nach Betriebsrentenrecht nicht gehalten, sich den Regeln der gesetzlichen Sozialversicherung anzuschließen und für die betriebliche Versorgung gleiche oder entsprechende Regeln aufzustellen (BAG 10. Oktober 2023 - 3 AZR 250/22 - Rn. 37; 13. Juli 2021 - 3 AZR 298/20 - Rn. 51, BAGE 176, 1; 25. April 2017 - 3 AZR 668/15 - Rn. 19).
dd) Soweit Nr. II 5.2.1 Satz 2 VR 1979 für den Fall, dass kein Rentenbescheid ergeht, die Möglichkeit vorsieht, aufgrund einer ärztlichen Gesundheitsprüfung die Invalidität feststellen zu lassen, bedarf keiner Entscheidung, ob in dieser - hier nicht gegebenen - Konstellation das Erfordernis einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Nr. II 5.1.2 VR 1979 einer Überprüfung am Maßstab des § 75 Abs. 1 BetrVG standhielte (zu einer Überprüfung am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vgl. BAG 13. Juli 2021 - 3 AZR 298/20 - BAGE 176, 1).
Die Verknüpfung dieses Verfahrens des Nachweises der Invalidität mit dem Erfordernis einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führte allenfalls zu einer Teilunwirksamkeit der Regelung.