
BAG: Vergütung eines Psychologischen Psychotherapeuten in Ausbildung
Ausbildungsvergütung
BAG, Urteil vom 29.04.2025, 9 AZR 122/24
Verfahrensgang: ArbG München, 13 Ca 3742/23 vom 24.10.2023
LAG München, 11 Sa 505/23 vom 24.04.2024
Leitsatz:
Orientierungssätze:
1. Die in § 111 Abs. 2 Satz 1 ArbGG genannten Schlichtungsausschüsse sind ausschließlich für Berufsausbildungsverhältnisse iSd. BBiG zuständig. Streitigkeiten aus anderen Ausbildungsverhältnissen können vor dem Arbeitsgericht anhängig gemacht werden, ohne dass es zuvor der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bedarf (Rn. 13).
2. Die Anrufung eines Schlichtungsausschusses ist nicht erforderlich, wenn das Ausbildungsverhältnis vor Klageerhebung beendet worden ist. In diesem Fall besteht nicht mehr die Gefahr, dass das Verhältnis zwischen dem Ausbildenden und dem Auszubildenden mit einem Rechtsstreit belastet wird (Rn. 14).
3. Hat ein Psychologe seine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten vor der Ausbildungsreform, dh. vor dem 1. September 2020 begonnen, steht ihm für die Dauer seiner praktischen Tätigkeit in einer psychiatrischen klinischen Einrichtung gegen deren Träger ein monatlicher Vergütungsanspruch iHv. mindestens 1.000 Euro zu. Voraussetzung hierfür ist, dass er die praktische Tätigkeit in Vollzeitform ableistet (§ 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG). Eine solche Ausbildung liegt zumindest in Fällen vor, in denen er die vorgeschriebenen 1.200 Ausbildungsstunden in der kürzest möglichen Zeit, dh. innerhalb eines Jahres, absolviert (Rn. 21).
4. Der Anspruch auf Mindestvergütung nach § 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG tritt als gesetzlicher Anspruch eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch. Liegt die Vergütung, auf die sich die Parteien des Ausbildungsverhältnisses geeinigt haben, unterhalb der gesetzlich bestimmten Vergütung, führt dies zu einem Differenzanspruch (Rn. 32).
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütungsansprüche, die dem Kläger gegen die Beklagte für die praktische Tätigkeit im Rahmen seiner Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten zustehen.
Der Kläger, der vor dem 1. September 2020 ein Studium der Psychologie aufnahm, leistete in der Zeit vom 15. März bis zum 31. Dezember 2022 bei der Beklagten den praktischen Teil seiner Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten vom 18. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3749, zuletzt geändert durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz vom 15. August 2019, BGBl. I S. 1307; im Folgenden PsychTh-APrV aF) in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung ab.
Die von den Parteien unter dem 25. Februar/15. März 2022 geschlossene "Vereinbarung über die Ableistung des praktischen Teils der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten gemäß Psychotherapeutengesetz (PsychThG) in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung, sofern auch die anderen Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 des Psychotherapeutengesetzes in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung erfüllt sind" (Ausbildungsvereinbarung) sieht ua. folgende Bestimmungen vor:
"§ 1
Herr Z kann vom 15. März 2022 bis 31. Dezember 2022 ... den praktischen Teil der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten ableisten.
Die Tätigkeit umfasst 1200 Stunden gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 PsychTh-APrV.
§ 2
...
(2) Die Parteien sind sich darüber einig, dass es sich ausschließlich um ein Ausbildungsverhältnis handelt, auf das weder Tarifverträge noch beamtenrechtliche Vorschriften Anwendung finden und das auch kein Ausbildungsverhältnis im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes vorliegt, sondern dass es Teil der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten ist.
...
§ 3
(1) Für die Dauer der praktischen Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten erhält der/die in Ausbildung befindliche Psychologe/Psychologin eine monatliche Vergütung gemäß § 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG in der Fassung ab 01.09.2020 in Höhe
-
von 1.000,00 Euro brutto als Vollbeschäftigte/r - bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,50 Stunden.
-
von 779,22 Euro brutto als Teilzeitbeschäftigte/r - bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden. Dieser Betrag errechnet sich aufgrund der vereinbarten Teilzeittätigkeit im Verhältnis zur Vollzeittätigkeit (38,50 Stunden).
Die monatliche Vergütung ist zu demselben Zeitpunkt fällig wie das den Beschäftigten der Ausbildungsstätte gezahlte Entgelt. Es ist spätestens am letzten Ausbildungstag des Monats (Zahltag) für den laufenden Kalendermonat auf ein von dem/der in Ausbildung befindlichen Psychologen/Psychologin benanntes Konto im Inland zu zahlen.
(2) Die Vergütung wird längstens für 12 Monate bezahlt. ...
(3) Für die Dauer der praktischen Tätigkeit 1200 Stunden gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 haben Sie einen Anspruch auf vergütete ausbildungsfreie Zeiten in Höhe von 20 Arbeitstagen."
Die Vertragsurkunde lässt nicht erkennen, welche der beiden unter § 3 Abs. 1 Satz 1 der Ausbildungsvereinbarung genannten Vertragsvarianten die Parteien gewählt haben. Keine der beiden Absätze ist angekreuzt.
Auf der Grundlage einer monatlichen Vergütung iHv. 779,22 Euro zahlte die Beklagte an den Kläger, der im Zeitraum vom 15. März bis zum 20. Dezember 2022 1.200 praktische Stunden praktischer Ausbildung absolvierte, eine Vergütung iHv. insgesamt 7.163,79 Euro. Mit Schreiben vom 20. März 2023 forderte er die Beklagte erfolglos auf, seine Vergütungsansprüche auf der Grundlage einer monatlichen Ausbildungsvergütung iHv. 1.000,00 Euro abzurechnen und den Differenzbetrag an ihn zu zahlen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei in Vollzeitform ausgebildet worden und habe deshalb gemäß § 27 Abs. 4 Satz 1 des Psychotherapeutengesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1604; PsychThG) Anspruch auf eine monatliche Ausbildungsvergütung iHv. 1.000,00 Euro brutto.
Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.336,21 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag iHv. 1.838,93 Euro brutto seit dem 20. Dezember 2022 und auf einen Betrag iHv. 497,28 Euro brutto seit dem 2. Januar 2023 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, die Parteien hätten für den Ausbildungszeitraum eine monatliche Bruttovergütung iHv. 779,22 Euro vereinbart. Der Kläger sei nicht in Vollzeit-, sondern in Teilzeitform tätig gewesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und dem Kläger die geltend gemachte Differenzvergütung zugesprochen. Die Klage ist - soweit für die Berufung und die Revision von Bedeutung - zulässig und begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf eine monatliche Vergütung iHv. 1.000,00 Euro brutto für die von ihm bei der Beklagten erbrachten 1.200 Stunden praktischer Tätigkeit.
I. Die Revision hat nicht schon deshalb Erfolg, weil - wie die Beklagte meint - bereits die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts mangels ausreichender Begründung unzulässig gewesen wäre. Die Berufungsbegründung entspricht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger hat sich hinreichend mit dem klageabweisenden Urteil des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt (vgl. zu den Anforderungen BAG 14. März 2017 - 9 AZR 633/15 - Rn. 11). Er hat in der Berufungsbegründung im Einzelnen ausgeführt, das Arbeitsgericht habe versäumt, die Vorschrift des § 27 Abs. 4 PsychThG im Lichte der Vorgaben der PsychTh-APrV aF sowie nach Sinn und Zweck der Vorschrift, eine Mindestvergütung für in der Ausbildung befindliche Psychotherapeuten zu gewährleisten, auszulegen. Eine weitergehende Begründung kann im Hinblick auf die in Art. 19 Abs. 3 GG grundrechtlich verbürgte Rechtsschutzgarantie nicht verlangt werden.
II. Die Klage ist zulässig. Die Vorschrift des § 111 Abs. 2 Satz 5 ArbGG, der zufolge bei Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis vor Erhebung der Klage zwingend ein Schlichtungsverfahren durchzuführen ist, lässt die Zulässigkeit der Klage unberührt.
1. Das Rechtsverhältnis, aus dem der Kläger die Beklagte in Anspruch nimmt, ist kein Berufsausbildungsverhältnis iSd. § 111 Abs. 2 Satz 1 ArbGG. Die Zuständigkeit der in § 111 Abs. 2 Satz 1 ArbGG genannten Schlichtungsausschüsse erstreckt sich ausschließlich auf Berufsausbildungsverhältnisse iSd. BBiG (vgl. GK-ArbGG/Krumbiegel Stand 1. April 2025 § 111 Rn. 3). Streitigkeiten aus Ausbildungsverhältnissen, die nicht unter den Geltungsbereich des BBiG fallen, können vor dem Arbeitsgericht anhängig gemacht werden, ohne dass es zuvor der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bedarf (vgl. HK-ArbGG/Görg/Zimmermann 3. Aufl. ArbGG § 111 Rn. 7). Gemäß § 7 PsychThG aF finden die Vorschriften des BBiG auf die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten, wie sie die Parteien im Streitfall vereinbart haben, keine Anwendung.
2. Die Anrufung eines Schlichtungsausschusses ist außerdem dann nicht erforderlich, wenn das Ausbildungsverhältnis vor Klageerhebung sein Ende gefunden hat (vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 494/06 - Rn. 10). Nach der Beendigung der Rechtsbeziehung zwischen Ausbildendem und Auszubildenden besteht nicht mehr die Gefahr, dass ihr Verhältnis mit einem Rechtsstreit belastet wird (vgl. BAG 19. Februar 2008 - 9 AZR 1091/06 - Rn. 13, BAGE 126, 12). Der praktische Teil seiner Ausbildung, den der Kläger bei der Beklagten absolvierte, endete ausweislich § 1 Unterabs. 1 der Ausbildungsvereinbarung mit Ablauf des 31. Dezember 2022 und damit vor Erhebung der Klage am 25. April 2023.
III. Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht die geltend gemachte Differenzvergütung gemäß § 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG zu. Der Kläger absolvierte seine Ausbildung in Vollzeitform. Die Ausbildungsvereinbarung, die die Parteien geschlossen haben, hebt den gesetzlichen Vergütungsanspruch des Klägers weder auf noch modifiziert sie ihn zu seinen Lasten. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen.
1. Nach § 27 Abs. 1 PsychThG wird eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten, die der Auszubildende vor dem 1. September 2020 begonnen hat, nach dem Psychotherapeutengesetz in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung abgeschlossen. In diesem Fall erhält der Auszubildende von dem Träger der Einrichtung, in der er die praktische Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PsychTh-APrV aF absolviert, für die Dauer der praktischen Tätigkeit eine monatliche Vergütung iHv. mindestens 1.000,00 Euro, sofern die praktische Tätigkeit in Vollzeitform abgeleistet wird (§ 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG). Wird die praktische Tätigkeit in Teilzeitform abgeleistet, reduziert sich die Vergütung entsprechend (§ 27 Abs. 4 Satz 2 PsychThG).
2. Die Beklagte bildete den Kläger im Zeitraum vom 15. März bis zum 31. Dezember 2022 in ihrem Krankenhaus, einer Einrichtung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PsychTh-APrV aF, in "Vollzeitform" aus. Der Senat braucht im Streitfall nicht darüber zu befinden, ab welcher konkreten Wochenstundenzahl eine solche Ausbildung vorliegt. Zumindest in Fällen, in denen ein Psychologe - wie der Kläger - den praktischen Teil seiner klinischen Ausbildung, 1.200 Praxisstunden (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PsychTh-APrV aF), in der kürzest vorgesehenen Zeit, nämlich innerhalb eines Jahres (vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 3 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16. Juni 1998 [BGBl. I S. 1311], idF vom 15. August 2019 [BGBl. I S. 1307], PsychThG aF), absolviert, liegt eine Ausbildung in Vollzeitform vor. Dies ergibt die Auslegung des § 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG (vgl. zu den für die Auslegung von Gesetzen maßgebenden Grundsätzen BAG 7. September 2021 - 9 AZR 571/20 - Rn. 13, BAGE 175, 342).
a) Der Wortlaut der Vorschrift ("praktische Tätigkeit in Vollzeitform") ist für die Beantwortung der Frage, wo die zeitliche Grenze zwischen einer Ausbildung in Vollzeitform und einer Ausbildung in Teilzeitform anzusetzen ist, unergiebig. Die Verwendung des Begriffes "Vollzeitform" anstelle des in arbeitsrechtlichen Vorschriften üblichen Begriffs der "Vollzeit" gibt allerdings einen Hinweis darauf, dass bei der Bestimmung des Ausbildungsumfangs den spezifischen Umständen, unter denen ein Psychologe den praktischen Teil seiner Ausbildung ableistet, Rechnung zu tragen ist.
b) Der systematische Zusammenhang, in den die Bestimmung des § 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG eingebettet ist, gibt das Auslegungsergebnis, zu dem das Landesarbeitsgericht gelangt ist, zwingend vor.
aa) § 8 Abs. 1 Satz 1 PsychThG aF ermächtigt das Bundesministerium für Gesundheit, die Mindestanforderungen an die Ausbildung in einer Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten unter den dort genannten Voraussetzungen zu regeln. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 PsychThG aF ist in den Verordnungen vorzuschreiben, dass die praktische Tätigkeit für die Dauer von "mindestens einem Jahr" in Abschnitten von mindestens drei Monaten an einer psychiatrischen klinischen Einrichtung durchgeführt wird. Die auf dieser Grundlage vom Bundesministerium für Gesundheit erlassene PsychTh-APrV aF verlangt für den praktischen Teil der Ausbildung ua., dass der Auszubildende "mindestens 1.200 Stunden" an einer psychiatrischen klinischen Einrichtung ableistet (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PsychTh-APrV aF).
bb) Eine Ausbildung in Vollzeitzeitform liegt damit zumindest in den Fällen vor, in denen ein Psychologe 1.200 Ausbildungsstunden in der kürzest möglichen Zeit absolviert. Ginge man vom Gegenteil aus, wäre es einem Psychologen nicht möglich, den praktischen Teil seiner Ausbildung in Vollzeitform zu absolvieren, obwohl er die gesetzlichen Anforderungen an den Ausbildungsumfang erfüllt. Für eine solche Annahme findet sich in dem für die Ausbildung von Psychotherapeuten maßgebenden Regelwerk kein Hinweis.
cc) Arrondierend hinzu tritt die Bestimmung des § 5 Abs. 1 Satz 1 PsychThG aF, auf die das Landesarbeitsgericht maßgeblich abgestellt hat. Danach dauert die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten in Vollzeitform mindestens drei Jahre. Setzt man die in § 1 Abs. 3 PsychTh-APrV aF bestimmte Mindestanzahl an Ausbildungsstunden (4.200 Stunden) zu der Mindestdauer der Ausbildung von drei Jahren unter Abzug des gesetzlichen Mindesturlaubs von 20 Arbeitstagen in der Fünf-Tage-Woche (zum Urlaubsanspruch von Auszubildenden und Praktikanten sh. Bayreuther/Kiel/Zimmermann/Kiel 3. Aufl. BUrlG § 2 Rn. 57; vgl. insoweit auch § 3 Abs. 3 der Ausbildungsvereinbarung der Parteien vom 25. Februar/15. März 2022: "... vergütete ausbildungsfreie Zeiten in Höhe von 20 Arbeitstagen") ins Verhältnis, ergibt sich eine Arbeitszeit von 29,17 Stunden in der Woche (4.200 Stunden geteilt durch 144 Wochen).
dd) Der Umstand, dass die PsychTh-APrV aF seit dem 1. September 2020 nicht mehr gilt, ändert hieran nichts.
(1) Die Bestimmungen der PsychTh-APrV aF sind mit Wirkung zum 1. September 2020 von den Bestimmungen der Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vom 4. März 2020 (BGBl. I S. 448, zuletzt geändert durch Art. 1 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten vom 16. Oktober 2024 [BGBl. I Nr. 309], im Folgenden PsychThApprO) abgelöst worden (§ 85 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 PsychThApprO).
(2) Der Gesetzgeber, der die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten im Jahr 2020 umfassend reformiert hat, hat für Auszubildende, die sich zu dem Zeitpunkt, zu dem die gesetzlichen Änderungen in Kraft traten, dh. am 1. September 2020 (Art. 12 Abs. 2 des Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung vom 15. November 2019, BGBl. I S. 1604), in Ausbildung befanden, Übergangsregelungen geschaffen, zu denen insbesondere die Bestimmung des § 27 PsychThG gehört. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 PsychThG wird eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten, die vor dem 1. September 2020 begonnen wurde, nach dem Psychotherapeutengesetz in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung, dh. nach dem PsychThG aF, abgeschlossen. Für diesen Personenkreis gilt die Vergütungsregelung in § 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG. Auch diese Bestimmung nimmt auf solche "Alt-Ausbildungen" Bezug ("Wer sich nach dem 31. August 2020 in einer Ausbildung zum Beruf der Psychologischen Psychotherapeutin, des Psychologischen Psychotherapeuten ... nach dem Psychotherapeutengesetz in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung befindet ...").
(3) Über den Wortlaut des § 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG hinaus gelten für Auszubildende, die ihre Ausbildung vor der Ausbildungsreform begonnen haben, nicht nur die Bestimmungen des PsychThG aF, sondern auch die Verordnungen, die das Bundesministerium für Gesundheit auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 Satz 1 PsychThG aF erlassen hat, insbesondere die PsychTh-APrV aF. Das ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Norm selbst - bezüglich der Einrichtungen, in denen die praktische Ausbildung absolviert wird - auf Vorschriften der PsychTh-APrV aF Bezug nimmt. Folgerichtig hat auch das Bundesministerium für Gesundheit in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom 24. Juli 2020 (BT-Drs. 19/21270), also zu einem Zeitpunkt, zu dem das PsychThG bereits verabschiedet war, auf die PsychTh-APrV aF rekurriert. Abgesehen davon sollen die Übergangsregelungen in § 27 Abs. 4 PsychThG sicherstellen, dass Auszubildende, die ihre Ausbildung vor der Reform begonnen, aber nicht beendet haben, ihre Ausbildung innerhalb der in § 27 PsychThG bestimmten zeitlichen Grenzen unter Fortgeltung des alten Rechts abschließen können. Hierzu gehören insbesondere die in der PsychTh-APrV aF formulierten Anforderungen an Inhalt und Umfang der praktischen Ausbildung.
ee) Der Kläger absolvierte den praktischen, 1.200 Stunden umfassenden Teil seiner klinischen Ausbildung im Zeitraum vom 15. März bis zum 20. Dezember 2022. Die Ausbildungszeit liegt mit neun Monaten und sechs Tagen sogar unterhalb der zeitlichen Grenze von zwölf Monaten, bis zu der er eine Vergütung für eine Ausbildung in Vollzeitform verlangen könnte.
3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der nicht allgemeinverbindliche Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005, zuletzt geändert durch Änderungstarifvertrag Nr. 21 vom 22. April 2023 für die Bestimmung der maßgeblichen Ausbildungszeit und damit die Vergütungsansprüche des Klägers ohne Belang. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kommt eine Anwendung tarifvertraglicher Bestimmungen auf das Ausbildungsverhältnis der Parteien nicht in Betracht. Die Parteien haben nicht vorgetragen, tarifgebunden zu sein oder Tarifbestimmungen vertraglich in Bezug genommen zu haben. Das Gegenteil ist der Fall. § 2 Abs. 2 der Ausbildungsvereinbarung bestimmt, dass auf das Ausbildungsverhältnis tarifvertragliche Vorschriften nicht anzuwenden sind.
4. Die Ausbildungsvereinbarung der Parteien vom 25. Februar/15. März 2025 schränkt den Vergütungsanspruch des Klägers nicht ein.
a) Die formularmäßige Ausbildungsvereinbarung sieht unter § 3 Abs. 1 Satz 1 zwei Vergütungsmodelle vor. Das erste geht "bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,50 Stunden" von einer Vergütung iHv. 1.000,00 Euro, das zweite "bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden" von einer Vergütung iHv. 779,22 Euro aus. Die Vertragsurkunde lässt nicht erkennen, welches Modell die Parteien gewählt haben.
b) Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist nicht erheblich, auf welches Vergütungsmodell sich die Parteien verständigt haben.
aa) Der Anspruch auf die Mindestvergütung der Ausbildung nach § 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG tritt als gesetzlicher Anspruch eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch. Dabei bildet die gesetzliche Mindestvergütung, auf die nach § 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG jeder Auszubildende während einer in Vollzeit absolvierten praktischen Tätigkeit Anspruch hat, eine Art Sockel, der in jedem höheren Entgeltanspruch enthalten ist (vgl. zum MiLoG BAG 30. Januar 2019 - 5 AZR 43/18 - Rn. 18, BAGE 165, 205). Soweit sich beide Vergütungsregelungen decken, besteht zwischen ihnen Anspruchskonkurrenz. Ist die vereinbarte Vergütung höher als die gesetzliche bestimmte Ausbildungsvergütung, verbleibt es bei der vereinbarten Vergütung. Liegt die vereinbarte Vergütung unterhalb der in § 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG bezeichneten Grenze, führt dies zu einem Differenzanspruch (so zum Anspruch auf Mindestlohn nach dem MiLoG BAG 18. September 2018 - 9 AZR 162/18 - Rn. 70, BAGE 163, 282 unter Bezugnahme auf BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 22, BAGE 155, 202). Seiner Rechtsnatur nach ist der Anspruch aus § 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG damit ein die vertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Anspruch (so zum MiLoG BAG 24. Juni 2021 - 5 AZR 505/20 - Rn. 32, BAGE 175, 193).
bb) Der Kläger hat Anspruch auf die Differenz zwischen der Vergütung, die ihm nach der vertraglichen Absprache mit der Beklagten zusteht, und der gesetzlichen Mindestvergütung. Beide Vertragsvarianten, die die Ausbildungsvereinbarung der Parteien unter § 3 Abs. 1 Satz 1 nennt, senken die Vergütung, die der Kläger aufgrund der Ausbildungsvereinbarung beanspruchen kann, auf ein Niveau, das unterhalb der in § 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG bestimmten Mindestvergütung liegt.
5. Die Summe der streitgegenständlichen Differenzbeträge für den Vertragszeitraum vom 15. März bis zum 31. Dezember 2022 beträgt 2.336,21 Euro brutto. Sie berechnet sich auf der Grundlage einer monatlichen Bruttovergütung iHv. 1.000,00 Euro abzüglich der seitens der Beklagten hierauf gezahlten Vergütung iHv. 7.163,79 Euro. Hinsichtlich dieser Beträge herrscht zwischen den Parteien kein Streit.