BFH: Darlegungsanforderungen bei der Rüge unzulässiger Selbstentscheidung über einen Ablehnungsantrag
Finanzgerichtsordnung
BFH, Beschluss vom 09.07.2024, X B 81/23
Verfahrensgang: FG Rheinland-Pfalz, 2 K 1788/22 vom 14.06.2023
Leitsatz:
1. NV: Der Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter, der in einer Selbstentscheidung des abgelehnten Richters über einen zulässigen Ablehnungsantrag entgegen § 45 Abs. 1 der Zivilprozessordnung liegt, schlägt auf die Endentscheidung durch, ohne dass es hierfür darauf ankommt, ob das Ablehnungsgesuch in der Sache begründet ist oder nicht (Anschluss an Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 20.07.2007 - 1 BvR 2228/06, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2007, 3771, unter II.2.a und vom 11.03.2013 - 1 BvR 2853/11, NJW 2013, 1665, Rz 38 ff.; Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 16.10.2019 - X B 99/19, BFHE 266, 494, BStBl II 2020, 375).
2. NV: Für die Darlegung einer entsprechenden Verfahrensrüge genügt nicht allein die schlichte Äußerung der eigenen rechtlichen Einschätzung des Beteiligten, wonach die abgelehnten Richter nicht selbst über den Ablehnungsantrag hätten entscheiden dürfen. Vielmehr ist auch vorzutragen, in welcher Weise das Finanzgericht in seiner Selbstentscheidung über den Ablehnungsantrag --wenn auch nur geringfügig-- auf den Verfahrensgegenstand eingegangen ist oder weshalb dies zwar nicht geschehen ist, aber objektiv erforderlich gewesen wäre.
Gründe:
Die Beschwerde ist unzulässig.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) entsprechenden Weise dargelegt.
(...)
5. In Bezug auf die Behandlung der Ablehnungsanträge durch das FG hat die Klägerin ebenfalls keinen Verfahrensmangel dargelegt.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend verweist die Klägerin allerdings auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH, wonach der Verstoß gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter, der in einer Selbstentscheidung des abgelehnten Richters über einen zulässigen Ablehnungsantrag entgegen § 45 Abs. 1 der Zivilprozessordnung liegt, auf die Endentscheidung durchschlägt, ohne dass es hierfür darauf ankommt, ob das Ablehnungsgesuch in der Sache begründet ist oder nicht (ausführlich zum Ganzen u.a. BVerfG-Beschluss vom 11.03.2013 - 1 BvR 2853/11, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2013, 1665, Rz 38 ff.; Senatsbeschluss vom 16.10.2019 - X B 99/19, BFHE 266, 494, BStBl II 2020, 375, Rz 18 ff.; vgl. auch Beschluss des Bundessozialgerichts vom 21.09.2023 - B 3 P 8/23 B, NJW 2024, 1535). Eine Verwerfung des Ablehnungsantrags als unzulässig scheidet unter anderem dann aus, wenn für die Entscheidung ein, wenn auch nur geringfügiges, Eingehen auf den "Verfahrensgegenstand" --gemeint sind damit die angeführten inhaltlichen Gründe für die Richterablehnung-- erforderlich ist (BVerfG-Beschluss vom 20.07.2007 - 1 BvR 2228/06, NJW 2007, 3771, unter II.2.a; Senatsbeschluss vom 16.10.2019 - X B 99/19, BFHE 266, 494, BStBl II 2020, 375, Rz 15).
b) An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der Senat braucht indes nicht zu entscheiden, ob das FG die sich hieraus ergebenden Zuständigkeitsgrundsätze beachtet hat. Denn die Anforderungen, die an die Darlegung eines entsprechenden Verfahrensmangels zu stellen sind, sind nicht erfüllt.
aa) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung setzt die Rüge eines Verfahrensmangels die genaue Bezeichnung der Tatsachen voraus, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers der behauptete Verfahrensverstoß ergibt (BFH-Beschlüsse vom 08.12.2003 - I B 122/03, BFH/NV 2004, 810, unter II.3. und vom 20.09.2012 - X S 22/12, BFH/NV 2013, 216, Rz 8).
bb) Bezogen auf die Rüge des Verfahrensmangels eines Verstoßes gegen den Anspruch auf den gesetzlichen Richter durch unzulässige Selbstentscheidung abgelehnter Richter über ein Ablehnungsgesuch bedeutet dies, dass nicht allein die schlichte Äußerung der eigenen rechtlichen Einschätzung des Beteiligten genügt, wonach die abgelehnten Richter nicht selbst über den Ablehnungsantrag hätten entscheiden dürfen. Vielmehr ist auch vorzutragen, in welcher Weise das FG in seiner Selbstentscheidung über den Ablehnungsantrag --wenn auch nur geringfügig-- auf den Verfahrensgegenstand eingegangen ist oder weshalb dies zwar nicht geschehen ist, aber objektiv erforderlich gewesen wäre.
cc) Die Beschwerdebegründung befasst sich zwar ausführlich und unter Zitierung der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung mit den abstrakten Anforderungen an die Behandlung von Ablehnungsanträgen. Sie enthält jedoch nicht die erforderliche genaue Bezeichnung von Tatsachen in Bezug auf den konkreten Streitfall, hier in Gestalt einer einzelfallbezogenen Auseinandersetzung mit den Entscheidungen des FG über die Ablehnungsanträge.
Die Subsumtion in Bezug auf den konkreten Streitfall erschöpft sich --nach Darlegung der abstrakten rechtlichen Anforderungen-- in dem Satz "Genau so liegt der Fall hier vorliegend". Daraus wird nicht erkennbar, in welcher Weise das FG in seiner Selbstentscheidung über den Ablehnungsantrag auf den Verfahrensgegenstand eingegangen ist oder weshalb dies zwar nicht geschehen ist, aber objektiv erforderlich gewesen ware.