BFH: Erledigungsstreit; Mindestinhalt eines Protokolls

Finanzgerichtsordnung

BFH, Beschluss vom 19.12.2023, X B 1/23
Verfahrensgang: FG Sachsen-Anhalt, 1 K 600/22 vom 28.11.2022

Leitsatz:

1. NV: Es stellt einen Verfahrensfehler dar, wenn das Finanzgericht (FG) im Erledigungsstreit die Erledigung in der Hauptsache feststellt, obwohl eine Erledigungserklärung unwirksam war und der Rechtsstreit fortzusetzen gewesen wäre.

2. NV: Erteilt das FG in einer mündlichen Verhandlung oder einem Erörterungstermin einen Hinweis, ist dessen konkreter Inhalt zumindest in gestraffter Form zu protokollieren. Nicht protokollierte Hinweise gelten grundsätzlich als nicht erteilt.

3. NV: Stellt das FG im Erledigungsstreit fest, dass die Erledigungserklärungen wirksam waren und der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, bleibt die Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung bestehen. Für den Erledigungsstreit ergeht eine weitere Kostenentscheidung.

Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielte in den Streitjahren 2011 bis 2014 gewerbliche Einkünfte aus einer Photovoltaikanlage und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Gestalt von Versorgungsbezügen. Da er keine Einkommensteuererklärungen abgegeben hatte, erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) Schätzungsbescheide in der Form der Einzelveranlagung. Die dagegen gerichteten Einsprüche, die der Kläger nur damit begründet hatte, dass er noch bis November 2013 verheiratet gewesen sei, wies das FA zurück, nachdem es anhand der Stammdaten des Klägers festgestellt hatte, dass dessen Ehe im Jahr 2011 geschieden worden war.

Der Kläger erhob Klage (Aktenzeichen 1 K 424/16) und legte Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre vor. Darin machte er unter anderem behinderungsbedingte Umzugskosten als außergewöhnliche Belastung für das Streitjahr 2012 geltend. Der Rechtsstreit wurde gemäß § 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 01.06.2022 schlug das Gericht den Beteiligten eine Verständigung in Bezug auf mehrere Streitpunkte vor (nachgemeldete Rente, Zusammenveranlagung für das Jahr 2011, lineare Absetzung für Abnutzung --AfA-- und Sonder-AfA für eine Photovoltaikanlage sowie Fahrtkosten, Vorsorgeaufwendungen, haushaltsnahe Dienstleistungen, Kapitalerträge und Behindertenpauschbetrag). Das FA sagte zu, die Bescheide entsprechend dem gerichtlichen Vorschlag zu ändern, und die Beteiligten erklärten daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Gerichtskosten wurden dem Kläger auferlegt. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung enthält die auf Vorschlag des Gerichts vorzunehmenden Änderungen, ebenso die Zusage des FA und die Erledigungserklärungen der Beteiligten. Die für das Streitjahr 2012 geltend gemachten Umzugskosten waren ausweislich des Protokolls nicht Gegenstand der getroffenen Verständigung; sie sind darin nicht erwähnt.

Das FA erließ am 20.06.2022 Änderungsbescheide für die Streitjahre.

Mit Schriftsatz vom 14.08.2022 wandte sich der Kläger gegen die Kostenentscheidung, trug erneut zur Sache vor und erklärte die Anfechtung seiner Erledigungserklärung wegen eines unzutreffenden Hinweises des Finanzgerichts (FG) in Bezug auf die für das Streitjahr 2012 geltend gemachten Umzugskosten. Mit weiterem Schriftsatz vom 15.09.2022 erklärte der Kläger, er widerrufe seine Erledigungserklärung "aufgrund nicht zielführender Beratung seitens des Gerichts".

Das Gericht setzte daraufhin den Rechtsstreit fort und wies die Klage mit Urteil vom 28.11.2022 mit der Begründung ab, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt habe; der Kläger könne daher sein ursprüngliches Klageziel nicht mehr verfolgen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit der er die Zulassung der Revision wegen einer Verletzung materiellen Rechts, wegen Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung und wegen Verstößen gegen das Verfahrensrecht begehrt. Das FG habe ihn in Bezug auf die von ihm verfolgte Anerkennung der Umzugskosten fehlerhaft belehrt; nur wegen dieser Belehrung habe er seine Erledigungserklärung abgegeben.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von dem Kläger vorgetragenen Revisionszulassungsgründe liegen, soweit sie überhaupt in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form geltend gemacht worden sind, nicht vor.

1. Mit dem Vorbringen, das angefochtene Urteil beruhe auf einer Verletzung materiellen Rechts, macht der Kläger keinen Revisionszulassungsgrund im Sinne von § 115 Abs. 2 FGO geltend.

Die schlichte Rüge einer fehlerhaften Rechtsanwendung ist grundsätzlich nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu begründen. Das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile umfassend zu gewährleisten (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschlüsse vom 26.04.2023 - X B 102/22, BFH/NV 2023, 824, Rz 18 und vom 21.07.2017 - X B 167/16, BFH/NV 2017, 1447, Rz 19, m.w.N.).

2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen.

Der Senat legt das Vorbringen des Klägers, das FG sei von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen, als Divergenzrüge im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO aus.

a) Eine Revisionszulassung wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der Bundesfinanzhof (BFH), das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht, ein anderes FG oder ein anderer Spruchkörper desselben FG. Das FG muss in der angefochtenen Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (BFH-Beschluss vom 13.06.2022 - X B 148/21, BFH/NV 2022, 1176, Rz 34).

b) Nach diesen Grundsätzen liegt keine Divergenz vor.

aa) Der Kläger beruft sich zur Begründung seines Vorwurfs auf die Entscheidung "BVerwG NVwZ-RR 1988, 407, 408". Er macht geltend, nach dieser Entscheidung sei der Widerruf einer prozessualen Erklärung als Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben zulässig, wenn die Erklärung infolge einer unzutreffenden richterlichen Belehrung oder Empfehlung abgegeben worden sei; dies gelte für jede Art prozessualer Erklärung. Da sich unter der von dem Kläger angegebenen Fundstelle keine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) findet, die zu seinem Vorbringen passt, geht der Senat davon aus, dass der Kläger den --auch vom FG (auf S. 16 des angefochtenen Urteils) genannten-- Beschluss des BVerwG vom 07.08.1998 - 4 B 75/98 (Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-RR-- 1999, 407) meint, in dem sich das BVerwG mit der Frage befasst hat, unter welchen besonderen Voraussetzungen Prozesshandlungen widerrufen werden können.

Demgegenüber habe das FG --so der Kläger-- in seinem Urteil den Rechtssatz aufgestellt, dass sich eine Verfahrenswiederaufnahme daraus nur herleiten lasse, wenn eine unrichtige Empfehlung den Verlust einer verfahrensrechtlichen Position verursacht habe, was im Streitfall nicht geschehen sei.

bb) Diese Rechtssätze divergieren lediglich äußerlich, aber nicht tatsächlich.

Der Kläger hat die jeweiligen Rechtssätze zwar korrekt formuliert. Das BVerwG geht davon aus, dass Prozesshandlungen unter anderem dann widerrufen werden können, wenn es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar wäre, einen Beteiligten an der Prozesshandlung festzuhalten, wobei eine Rolle spielen kann, ob der Betroffene durch eine richterliche Belehrung oder Empfehlung zu einer bestimmten prozessualen Erklärung bewogen worden ist. Das FG hingegen nimmt an, ein Widerruf einer Erledigungserklärung sei nur möglich, wenn die Empfehlung zum Verlust einer verfahrensrechtlichen Position geführt habe. Damit hat es formell eine weitere Voraussetzung für den Widerruf aufgestellt, die sich so in der Entscheidung des BVerwG nicht findet.

Gleichwohl handelt es sich in Wahrheit nicht um divergierende Rechtssätze, weil diese zusätzliche Voraussetzung objektiv leer läuft. Insbesondere Erledigungserklärungen bewirken, wie der Kläger zutreffend ausführt, stets den Verlust prozessualer Rechte. Eine vermeintlich weitere Voraussetzung, die stets erfüllt ist, wenn die übrigen Voraussetzungen des Rechtssatzes erfüllt sind, hat keinen Inhalt. Der dadurch entstandene scheinbar abweichende Rechtssatz ist deshalb tatsächlich derselbe Rechtssatz.

Soweit das FG im Streitfall zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Erledigungserklärung nicht zu dem Verlust prozessualer Rechte geführt habe, ist dies das Ergebnis einer materiell-rechtlich falschen Rechtsanwendung und rechtfertigt deshalb nach den Grundsätzen unter II.1. die Zulassung der Revision nicht.

3. Es liegt auch kein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vor, auf dem das angefochtene Urteil beruhen könnte.

a) In der Beschwerdebegründung wird keine prozessuale Vorschrift genannt, die das FG nach Ansicht des Klägers verletzt haben soll.

b) Ungeachtet dessen lässt sich dem Vorbringen des Klägers entnehmen, dass er dem FG vorwirft, es hätte sich nicht darauf beschränken dürfen, die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen, sondern stattdessen in der Sache entscheiden müssen.

aa) Der Senat geht davon aus, dass ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die Feststellung der Erledigung fehlerhaft wäre. Denn auch dann, wenn das FG eine Klage zu Unrecht durch Prozessurteil als unzulässig abweist, anstatt in der Sache zu entscheiden, liegt nach der Rechtsprechung ein Verfahrensmangel vor (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschlüsse vom 25.08.2022 - X B 96/21, BFH/NV 2022, 1187, Rz 25 und vom 28.07.2016 - X B 205/15, BFH/NV 2016, 1742, Rz 15). Die vorliegende Situation ist in Bezug auf die prozessuale Stellung des Klägers insoweit vergleichbar. Mit der sinngemäßen Feststellung, dass der Rechtsstreit sich erledigt habe, hat das FG eine Entscheidung in der Sache abgelehnt.

Zutreffend ist auch, dass nach der Rechtsprechung der Widerruf einer Erledigungserklärung ausnahmsweise dann zulässig ist, wenn der Kläger diese Erklärung nur deshalb abgegeben hat, weil das Gericht oder die Finanzbehörde in unzulässiger Weise durch Drohung, Druck, Täuschung oder auch unbewusste Irreführung auf ihn eingewirkt haben, auch wenn für die Bejahung eines solchen Ausnahmefalles strenge Maßstäbe gelten (Senatsbeschluss vom 23.05.2005 - X B 63/05, juris, unter 2.a).

bb) Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit dem Vortrag, das FG habe ihm fehlerhafte Hinweise erteilt, überhaupt gehört werden kann.

Einerseits sind in dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 01.06.2022 solche Hinweise nicht vermerkt worden. Gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 139 Abs. 4 Satz 1 der Zivilprozessordnung müssen die vom Gericht erteilten Hinweise aktenkundig gemacht werden. Wird der Hinweis im Rahmen einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins erteilt, ist er regelmäßig in das Verhandlungsprotokoll aufzunehmen, widrigenfalls er grundsätzlich als nicht erteilt gilt (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 22.09.2005 - VII ZR 34/04, Neue Juristische Wochenschrift 2006, 60, unter II.2.b bb). Nicht erforderlich ist eine wörtliche Protokollierung, aber doch zumindest eine konkrete Wiedergabe in gestraffter Form; inhaltslose Floskeln genügen nicht (vgl. BGH-Beschluss vom 30.06.2011 - IX ZR 35/10, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2011, 1556, unter II.1.b; s. dazu auch ; Bünnigmann in Anders/Gehle, Zivilprozessordnung, 82. Aufl., § 160 Rz 7).

Andererseits ist das Protokoll offensichtlich unvollständig. Aus dem angefochtenen Urteil (S. 15, vorletzter Absatz) ergibt sich, dass das FG in der mündlichen Verhandlung vom 01.06.2022 "eine vorläufige Einschätzung getroffen" hatte, welche "Streitpunkte erfolgreich sein könnten und welche nicht". Unter diesen Voraussetzungen kann es zulässig sein, Umstände zu berücksichtigen, die nicht Inhalt des Protokolls geworden sind. (s. dazu Senatsbeschluss vom 29.08.2023 - X B 18-20/23, BFH/NV 2023, 1325).

cc) Inwieweit in einem solchen Falle dem Grunde nach ein Sachvortrag berücksichtigt werden kann, der auch über die Feststellungen des FG hinausgeht, kann dahinstehen. Im Streitfall hat der Kläger nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des Widerrufs nach den oben beschriebenen Maßstäben des BVerwG-Beschlusses vom 07.08.1998 - 4 B 75/98 (NVwZ-RR 1999, 407) sowie des Senatsbeschlusses vom 23.05.2005 - X B 63/05 vorgelegen hätten. Dafür hätte es der Darstellung bedurft, dass die von ihm behauptete Irreführung durch das FG ihn zu der Abgabe der Erledigungserklärung bewogen habe. Dazu wiederum gehört die Darstellung, inwieweit es sich überhaupt um eine Irreführung gehandelt habe, inwieweit also die durch das FG erteilte Einschätzung der Sach- und Rechtslage falsch gewesen sein soll.

Hierzu meint der Kläger, das FG habe ihm erklärt, für die Anerkennung der Umzugskosten hätte es der Einholung eines Gutachtens bedurft, so dass die Verfolgung dieses Begehrens mit einem entsprechenden Kostenrisiko verbunden gewesen wäre. Hingegen erkenne die Finanzverwaltung die medizinische Veranlassung eines Umzugs aufgrund eines einfachen ärztlichen Attestes an; dies sei jedenfalls Information aller im Internet auftretenden steuerlichen Beratungsdienste.

Mit diesem Vortrag wird die --notwendige-- Irreführung nicht dargelegt, denn es fehlt an Vorbringen dazu, inwieweit die durch das FG gegebene Information falsch war. Für eine verlässliche allgemeine Praxis der Finanzverwaltung bedürfte es grundsätzlich eines entsprechenden Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen. Der Kläger hat kein derartiges Schreiben genannt. Welche im Internet auftretenden steuerlichen Beratungsdienste der Kläger meint, hat er nicht mitgeteilt, so dass auch nicht erkennbar ist, welche Überzeugungskraft derartige aus dem --mit keinerlei Richtigkeitsgewähr versehenen-- Internet abrufbare Informationen besitzen sollten.

Es tritt hinzu, dass die Behauptung des Klägers, er habe seine Erledigungserklärung nur wegen einer unzutreffenden Belehrung des FG zu den streitigen Umzugskosten abgegeben, in Anbetracht der in der mündlichen Verhandlung vom 01.06.2022 erzielten Einigung mit dem FA und der dabei insgesamt auch zugunsten des Klägers berücksichtigten Streitpunkte nur schwer nachvollziehbar ist. Zwar beliefen sich die von dem Kläger für das Streitjahr 2012 geltend gemachten Umzugskosten auf 7.823 ¤; allerdings waren hiervon nach Aktenlage nur 929,92 ¤ belegt (s. S. 4 des Schriftsatzes des FA vom 12.09.2016, Bl. 28 der FG-Akte, Bd. I). Weitere Belege hat der Kläger nicht vorgelegt und er hat auch nicht vorgetragen, dass er noch weitere Nachweise hätte vorlegen können. Hinzu kommt, dass sich nach dem geänderten Bescheid über Einkommensteuer für 2012 vom 20.06.2022 die sonstigen --anzuerkennenden-- außergewöhnlichen Belastungen auf 900 ¤ beliefen, während die gemäß § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes zumutbare Belastung des Klägers 2.034 ¤ betrug. Somit hätten sich die belegten Umzugskosten von 929,92 ¤ noch nicht einmal steuerlich ausgewirkt.

dd) Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich die Darlegungen des Klägers zu einem Widerruf der von ihm abgegebenen Erledigungserklärung allein auf das Streitjahr 2012 beziehen. Die weiteren Streitjahre 2011, 2013 und 2014 wären hiervon nicht betroffen gewesen, so dass es insoweit bereits an der erforderlichen Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde fehlt.

c) Der Vorwurf des Klägers, das angefochtene Urteil lasse nicht erkennen, worüber das FG entschieden habe, ist unberechtigt.

Das Rubrum des angefochtenen Urteils nennt richtigerweise als Streitgegenstand "Erledigung des Rechtsstreits mit dem Az. 1 K 424/16". Zwar lautet der Tenor: "Die Klage wird abgewiesen". Doch stellt das FG in den Entscheidungsgründen (auf Seite 12) richtigerweise fest: "Der Rechtsstreit um die Anfechtung der Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2014 (bisheriges Az. 1 K 424/16) hat sich in der Hauptsache erledigt, weshalb der Kläger sein ursprüngliches Klageziel nicht mehr verfolgen kann". Der Urteilstenor ist daher in dem Sinne auszulegen, dass das FG die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt hat (s. zur Auslegung des Urteilstenors unter Rückgriff auf den Urteilsinhalt etwa BFH-Urteil vom 05.11.2015 - III R 57/13, BFHE 252, 108, BStBl II 2016, 403, Rz 14, m.w.N.).

d) Auch die Einwendungen des Klägers gegen die vom FG getroffene Kostenentscheidung rechtfertigen kein anderes Ergebnis; denn die Rüge einer fehlerhaften Kostenentscheidung kann nicht zur Zulassung der Revision führen, wenn --wie hier-- der Nichtzulassungsbeschwerde in der Hauptsache der Erfolg zu versagen ist (BFH-Beschluss vom 20.05.2016 - III B 62/15, BFH/NV 2016, 1293, Rz 48, m.w.N.).

e) Soweit sich der Kläger schließlich gegen den Kostenbeschluss vom 01.06.2022 wendet, ist dieser nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, auch anderweit nicht anfechtbar und auch im vorliegenden Verfahren nicht aufzuheben.

aa) Widerruft nach beidseitigen Erledigungserklärungen und entsprechender Kostenentscheidung ein Beteiligter seine Erledigungserklärung und kommt das FG in dem sodann folgenden Verfahren zu dem Ergebnis, dass die Erledigungserklärung wirksam widerrufen und erneut eine Sachentscheidung zu treffen ist, ist dem auf § 138 Abs. 1 FGO gestützten Kostenbeschluss die Grundlage entzogen (BFH-Beschluss vom 02.12.1982 - IV B 35/82, BFHE 137, 393, BStBl II 1983, 332). Ein solcher Beschluss ist aus Klarstellungsgründen aufzuheben (so auch Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 138 Rz 27; Böwing-Schmalenbrock in ).

bb) Anders verhält es sich, wenn nach einem um die Wirksamkeit der Erledigungserklärung entstandenen Folgestreit das FG --wie im Streitfall-- feststellt, dass der Rechtsstreit sich in der Hauptsache erledigt habe. In einem solchen Falle bleibt es bei der Wirksamkeit der Erledigungserklärungen. Folglich war und bleibt der Rechtsstreit mit Wirksamkeit der letzten Erledigungserklärung in der Hauptsache erledigt. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass einer der Beteiligten sich anschließend der Rechte berühmt hat, die aus einer Unwirksamkeit der Erledigungserklärung resultiert hätten. Das Urteil in dem Folgestreit stellt lediglich fest, dass sich der Rechtsstreit auf den Zeitpunkt der letzten Erledigungserklärung erledigt hat; es ist insoweit nicht konstitutiv. Damit sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen für den Kostenbeschluss nach § 138 Abs. 1 FGO nicht rückwirkend entfallen, sondern wurden vielmehr bestätigt. Anders als bei Unwirksamkeit einer Erledigungserklärung hat in dieser Konstellation die Kostenentscheidung ihre Grundlage stets behalten. Die in dem Feststellungsurteil des FG zu treffende Kostenentscheidung betrifft demgegenüber allein den mit dem Streit um die Wirksamkeit der Erledigungserklärung begonnenen Verfahrensabschnitt.

Damit werden zwar insgesamt zwei Kostenentscheidungen getroffen, die aber nicht dazu führen, dass für ein und denselben prozessualen Sachverhalt doppelte Kosten erhoben würden. Die Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO betrifft das Verfahren bis zur Erledigung der Hauptsache. Die Kostenentscheidung des folgenden Feststellungsurteils betrifft das Verfahren vom Beginn des Erledigungsstreits bis zum Urteil und damit einen anderen Zeitabschnitt.