BFH: Keine Relevanz der Unternehmensidentität bei einer Kapitalgesellschaft für die Feststellung eines im Wege der Anwachsung von einer Personengesellschaft übernommenen Gewerbeverlusts
Gewerbesteuer
BFH, Urteil vom 25.04.2024, III R 30/21
Verfahrensgang: FG Sachsen, 5 K 114/19 vom 07.09.2020
Leitsatz:
1. Die Änderung der wirtschaftlichen Betätigung einer Kapitalgesellschaft und die Übertragung einer betrieblichen Einheit auf eine andere Kapitalgesellschaft lassen die für die Nutzung eines Gewerbeverlusts gemäß § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) erforderliche Unternehmensidentität der übertragenden Kapitalgesellschaft unberührt.
2. Soweit ein ursprünglich im Betrieb einer Personengesellschaft entstandener Gewerbeverlust durch Anwachsung auf eine Kapitalgesellschaft übergegangen ist, entfällt der bei der Kapitalgesellschaft nach § 10a Satz 6 GewStG als vortragsfähig festgestellte Fehlbetrag nicht dadurch, dass sie den verlustverursachenden Geschäftsbereich im Wege eines Asset Deals weiterveräußert.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob ein auf den 31.12.2012 festgestellter vortragsfähiger Gewerbeverlust wegen der Veräußerung des den Verlust ursprünglich verursachenden Geschäftsbereichs im Jahr 2013 (Streitjahr) untergegangen ist. Maßgeblich für die Entscheidung ist die Frage, inwieweit der Fortbestand eines zum Vorjahresende bei einer Kapitalgesellschaft festgestellten Gewerbeverlusts, den sie aufgrund einer Anwachsung von einer Personengesellschaft übernommen hatte, auch bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft von dem Kriterium der Unternehmensidentität abhängig bleibt.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die früher unter ... firmierte. Im Jahr 2011 wurde die Klägerin Gesamtrechtsnachfolgerin der A GmbH & Co. KG. Bis dahin war sie alleinige Kommanditistin dieser KG und hielt 100 % der Kapitaleinlage; Komplementärin ohne Kapitaleinlage war die B Verwaltungsgesellschaft mbH.
Für die A GmbH & Co. KG war zum 31.12.2010 ein vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von 34.793.699 € bestandskräftig festgestellt worden.
Mit notariellem Vertrag vom xx.xx.2011 wurde die B Verwaltungsgesellschaft mbH (Komplementärin) auf die Klägerin (Kommanditistin) verschmolzen. Die A GmbH & Co. KG bestand danach als KG nicht mehr fort, ihr Vermögen ging im Wege der Anwachsung auf die Klägerin über (vgl. §§ 161 Abs. 2, 105 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs i.V.m. § 738 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- a.F., vgl. auch §§ 712, 712a BGB n.F.).
Mit Gesellschafterbeschluss vom xx.xx.2011 wurden die Firma und der Unternehmensgegenstand der Klägerin geändert. Neuer Unternehmensgegenstand war die Be- und Verarbeitung von ... Die Klägerin führte den übernommenen Betrieb der A GmbH & Co. KG zunächst weiter.
In den Feststellungsbescheiden zum vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2011 und den 31.12.2012 blieb der von der KG herrührende Verlustbetrag von 34.793.699 € auch bei der Klägerin erhalten. Zum 31.12.2012 wurde der vortragsfähige Gewerbeverlust mit 43.554.465 € festgestellt.
Mit notariellem Vertrag vom xx.xx.2013 (Asset Deal) veräußerte die Klägerin ihr operatives Geschäft zu Buchwerten an eine andere GmbH. Infolgedessen führte sie nunmehr den früheren Betrieb der A GmbH & Co. KG nicht mehr weiter.
Durch Gesellschafterbeschluss vom xx.xx.2013 wurden der Unternehmensgegenstand und die Firma der Klägerin erneut geändert. Sie firmierte nun als C GmbH, deren Unternehmensgegenstand das Halten und Verwalten von Beteiligungen aller Art, insbesondere ..., ist.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 2011 bis 2013 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, aufgrund des mit Wirkung zum xx.xx.2013 vereinbarten Asset Deals sowie des damit einhergehenden Wegfalls der Unternehmensidentität seien die auf die Klägerin übergegangenen und noch nicht genutzten gewerbesteuerlichen Verluste der früheren A GmbH & Co. KG in Höhe von 34.793.699 € weggefallen. Sie könnten durch die Klägerin insoweit nicht mehr genutzt werden.
Das für die Klägerin früher zuständige Finanzamt X machte sich die Auffassung der Betriebsprüfung zu eigen und erließ am 08.11.2016 geänderte Bescheide. Den Gewerbesteuermessbetrag 2013 setzte es auf 43.897 € fest, den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2013 stellte es mit 5.879.431 € fest. Im Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag nahm es einen unstreitigen Verlustabzug von 2.881.335 € vor und legte dar, dass im Streitjahr 2013 von dem auf den 31.12.2012 festgestellten Gewerbeverlust (43.554.465 €) nur noch ein Betrag von 8.760.766 € abzugsfähig sei, wohingegen ein Verlust aus früheren Erhebungszeiträumen in Höhe von 34.793.699 € nicht mehr abziehbar sei.
Der Einspruch gegen die Bescheide vom 08.11.2016 hatte keinen Erfolg. Der zuständig gewordene Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) wies ihn durch Einspruchsentscheidung vom 20.12.2018 als unbegründet zurück.
Der daraufhin erhobenen Klage gab das Sächsische Finanzgericht (FG) durch Urteil vom 07.09.2020 - 5 K 114/19 statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2022, 848 veröffentlicht. Der Senat hat die Revision durch Beschluss vom 07.10.2021 - III B 121/20 zugelassen.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Das FG-Urteil berücksichtige nicht die sich aus § 10a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ergebenden Anforderungen, sondern begründe nach dem Wegfall der Unternehmensidentität der Klägerin im Streitjahr die Fortführung des übernommenen Gewerbeverlusts mit der Fiktion eines einheitlichen Gewerbebetriebs nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG.
Das FA beantragt,
das Urteil des Sächsischen FG vom 07.09.2020 - 5 K 114/19 aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat in seinem Urteil zwar den in Rechtsprechung und Literatur bestehenden Meinungsstreit und insbesondere die divergierende finanzgerichtliche Rechtsprechung nicht vollständig erkannt. Im Ergebnis hat es der Klage des Klägers jedoch zu Recht stattgegeben.
1. Das FG ist stillschweigend, aber zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage sowohl bezüglich des Gewerbesteuermessbescheids 2013 als auch bezüglich des Bescheids zur Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2013 zulässig ist (vgl. § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG und Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15.06.2023 - IV R 6/20, BFH/NV 2023, 1190, Rz 20 ff.; vgl. zum Verhältnis der Feststellung des Gewerbeverlusts zu der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags auch die BFH-Urteile vom 07.09.2016 - IV R 31/13, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rz 17 ff.; vom 17.03.2021 - IV R 7/20, BFH/NV 2021, 1206, Rz 17; vom 10.02.2022 - IV R 33/18, BFH/NV 2022, 911, Rz 20 ff.; vom 11.01.2024 - IV R 25/21, BFH/NV 2024, 679, Rz 19 ff.).
2. Ebenfalls zutreffend hat das FG entschieden, dass im geltenden Recht keine Grundlage für das vom FA in den Bescheiden vom 08.11.2016 und in der Einspruchsentscheidung vom 20.12.2018 bejahte Entfallen des Gewerbeverlusts in Höhe von 34.793.699 € besteht. Eine solche ist weder in § 10a GewStG noch in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG enthalten. Ebenso wenig ist eine Regelung außerhalb des GewStG einschlägig (vgl. im Kontext des § 10a GewStG etwa § 19 Abs. 2 des Umwandlungssteuergesetzes --UmwStG--, der mangels sachlicher Anwendbarkeit des Umwandlungssteuergesetzes im Streitfall keine Anwendung findet). Das FG hat deshalb zu Recht entschieden, dass der von der KG herrührende Gewerbeverlust von 34.793.699 € bei der Klägerin trotz der im Streitjahr erfolgten Veräußerung des verlustverursachenden früheren Geschäftsbetriebs der KG als vortragsfähiger Fehlbetrag erhalten blieb.
a) Nach § 10a Satz 1 GewStG wird der maßgebende Gewerbeertrag bis zu einem Betrag in Höhe von 1 Mio. € um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. Der 1 Mio. € übersteigende maßgebende Gewerbeertrag ist nach § 10a Satz 2 GewStG bis zu 60 % um nicht berücksichtigte Fehlbeträge der vorangegangenen Erhebungszeiträume zu kürzen. Die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge ist gesondert festzustellen (§ 10a Satz 6 GewStG). Vortragsfähige Fehlbeträge sind die nach der Kürzung des maßgebenden Gewerbeertrags nach dem Satz 1 und 2 des § 10a GewStG zum Schluss des Erhebungszeitraums verbleibenden Fehlbeträge (§ 10a Satz 7 GewStG). Im Fall des § 2 Abs. 5 GewStG kann der andere Unternehmer den maßgebenden Gewerbeertrag nicht um die Fehlbeträge kürzen, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags des übergegangenen Unternehmens ergeben haben (§ 10a Satz 8 GewStG). Die Sätze 9 ff. des § 10a GewStG sehen die entsprechende Anwendung von Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) vor, wobei die Sätze 11 und 12 erst nach dem Streitjahr eingefügt wurden.
b) Das FG ist in seinem allein das Jahr 2013 betreffenden Urteil in zutreffender Weise von dem zum 31.12.2012 festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust ausgegangen. Dieser betrug 43.554.465 € und schloss den streitigen Betrag von 34.793.699 € ein, den die Klägerin im Zuge der Anwachsung im Jahr 2011 von der KG übernommen hatte. Ausgehend von diesem zum Vorjahresende festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlust (43.554.465 €) ergibt sich aus dem Gesetz kein Anhaltspunkt dafür, dass der von der KG stammende Verlustbetrag (34.793.699 €) im Streitjahr untergegangen sein könnte. Die Veräußerung des von der KG übernommenen Geschäftsbetriebs änderte nichts daran, dass die bei der Klägerin verbliebene andere Unternehmenstätigkeit nach § 2 Abs. 2 Abs. 1 GewStG weiterhin in vollem Umfang als einheitlicher und zugleich identischer Gewerbebetrieb galt (vgl. zur vom unterjährigen Wechsel des Unternehmensgegenstands unabhängigen gewerbesteuerlichen Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs einer Kapitalgesellschaft z.B. BFH-Urteil vom 25.11.2009 - I R 18/08, BFH/NV 2010, 941, Rz 12). Insbesondere galt der Gewerbebetrieb der Klägerin nicht gemäß § 2 Abs. 5 Satz 1 GewStG als eingestellt, da er im Zuge des Asset Deals nicht "im Ganzen" auf einen anderen Unternehmer überging. Aus dem unmittelbar ohnehin nicht den übergebenden, sondern den übernehmenden Unternehmer betreffenden § 10a Satz 8 GewStG folgt deshalb im Streitjahr kein Entfallen des von der Klägerin bereits im Jahr 2011 übernommenen und in der Folgezeit fortgeführten Verlustbetrags von 34.793.699 €. Auch nach den entsprechend anwendbaren Vorschriften des KStG und insbesondere aus § 8c KStG in der im Streitjahr anwendbaren Fassung ist er nicht entfallen. Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig und bedarf keiner weiteren Begründung.
c) Das Entfallen des vortragsfähigen Gewerbeverlusts lässt sich im Streitfall nicht mit der nach der ständigen Rechtsprechung zu § 10a GewStG für die Gewerbeverlustnutzung erforderlichen Unternehmensidentität begründen. Denn diese blieb durch den Asset Deal vom xx.xx.2013 unberührt.
aa) Für die Geltendmachung eines Gewerbeverlusts bedarf es sowohl der Unternehmeridentität als auch der Unternehmensidentität (vgl. Senatsurteil vom 17.01.2019 - III R 35/17, BFHE 264, 32, BStBl II 2019, 407, Rz 18 ff. und BFH-Urteil vom 01.02.2024 - IV R 26/21, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2024, 671, Rz 23 ff., zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Insoweit liegt kein Umstand vor, der im Streitjahr 2013 gegen den Fortbestand der Unternehmeridentität (vgl. dazu Senatsurteil vom 17.01.2019 - III R 35/17, BFHE 264, 32, BStBl II 2019, 407, Rz 21; BFH-Urteile vom 07.09.2016 - IV R 31/13, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rz 27 und vom 01.02.2024 - IV R 26/21, DStR 2024, 671, Rz 24 ff., zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) sprechen könnte. Im Streit steht hier ausschließlich die Unternehmensidentität der Klägerin.
bb) Das Erfordernis der Unternehmensidentität wird aus dem Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer abgeleitet, der es nicht zulasse, dass Verluste eines Gewerbebetriebs im Sinne des § 2 Abs. 1 GewStG bei einem anderen Gewerbebetrieb berücksichtigt werden. Die Unternehmensidentität liegt vor, wenn der im Verlustabzugsjahr bestehende Gewerbebetrieb mit jenem identisch ist, der im Verlustentstehungsjahr bestand (vgl. Senatsurteil vom 17.01.2019 - III R 35/17, BFHE 264, 32, BStBl II 2019, 407, Rz 19; BFH-Urteile vom 07.09.2016 - IV R 31/13, BFHE 255, 266, BStBl II 2017, 482, Rz 27 und vom 01.02.2024 - IV R 26/21, DStR 2024, 671, Rz 24, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, m.w.N.). Statt des Begriffs der Unternehmensidentität wird teilweise auch der (synonyme) Begriff der Unternehmensgleichheit verwendet (z.B. BFH-Urteile vom 12.01.1978 - IV R 26/73, BFHE 124, 348, BStBl II 1978, 348; vom 29.10.1986 - I R 318-319/83, BFHE 148, 158, BStBl II 1987, 310; vom 15.03.1994 - XI R 60/89, BFH/NV 1994, 899; vgl. auch BTDrucks 18/9986, S. 14: "ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal").
cc) Bei einer Kapitalgesellschaft wird die Unternehmensidentität insofern als unproblematisch angesehen, als ihre Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt (vgl. Senatsurteil vom 17.01.2019 - III R 35/17, BFHE 264, 32, BStBl II 2019, 407, Rz 20 und BFH-Urteil vom 01.02.2024 - IV R 26/21, DStR 2024, 671, Rz 26, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Eine Änderung ihrer wirtschaftlichen Betätigung berührt die Unternehmensidentität einer Kapitalgesellschaft nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BFH nicht, solange derselbe einheitliche Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG weiterhin existiert (vgl. BFH-Urteile vom 29.10.1986 - I R 318-319/83, BFHE 148, 158, BStBl II 1987, 310 und vom 25.11.2009 - I R 18/08, BFH/NV 2010, 941, Rz 12). Das Kriterium der Unternehmensidentität hat danach für den Fortbestand des vortragsfähigen Gewerbeverlusts bei einer Kapitalgesellschaft --zumindest grundsätzlich-- keine Bedeutung (vgl. BFH-Beschluss vom 26.02.2014 - I R 59/12, BFHE 246, 27, BStBl II 2014, 1016, Rz 35 und BFH-Urteil vom 04.05.2017 - IV R 2/14, BFHE 258, 470, BStBl II 2017, 1138, Rz 31; zu dem jüngst entschiedenen Sonderfall der Einbringung des gesamten Betriebs einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft vgl. BFH-Urteil vom 01.02.2024 - IV R 26/21, DStR 2024, 671, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, und näher dazu unten II.2.c dd (2)).
dd) Von dem Grundsatz der Unerheblichkeit der Unternehmensidentität bei einer Kapitalgesellschaft ist auch im Anschluss an eine Anwachsung --wie im Streitfall (das heißt nach der Übernahme des bei einer Personengesellschaft entstandenen Gewerbeverlusts)-- keine Ausnahme zu machen.
(1) Die Frage ist sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte umstritten.
(a) Unter Verweis auf Kleinheisterkamp (in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 10a Rz 36, vgl. auch Rz 43) und den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer schloss sich das FG Nürnberg im Urteil vom 25.10.2016 - 1 K 1229/14 (EFG 2017, 929; die Revision I R 14/17 wurde zurückgenommen) der Literaturmeinung an, noch nicht verbrauchte Fehlbeträge seien nicht mehr nutzbar, wenn die Körperschaft das übergehende Unternehmen nicht bis zu deren vollständiger Verrechnung unverändert fortführe (vgl. auch Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 11. Aufl., § 10a Rz 10a; Hackemann in Hallerbach/Nacke/Rehfeld, Gewerbesteuergesetz, 2. Aufl., § 10a Rz 87; Schnitter in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 10a GewStG Rz 62; Suchanek/Hesse in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 10a Rz 78, 87; Suchanek, Die Unternehmensbesteuerung 2020, 57, 62). Aus § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG folge nichts anderes. Zwar gelte danach der Gewerbebetrieb der aufnehmenden Gesellschaft auch bei Verschiedenheit der ausgeübten Tätigkeiten als einheitlicher Gewerbebetrieb. Dies habe jedoch keine Bedeutung für die Frage, ob der (einheitliche) Gewerbebetrieb der aufnehmenden Gesellschaft im Abzugsjahr mit dem übergegangenen Unternehmen im Entstehungsjahr der Verluste identisch gewesen sei. Anders als für die originären Fehlbeträge der aufnehmenden Kapitalgesellschaft komme es für die in einem übergegangenen Unternehmen entstandenen Fehlbeträge auf die tatsächliche Fortführung des verlustverursachenden Unternehmens an.
(b) Die Gegenmeinung wird nicht nur vom Sächsischen FG im angefochtenen Urteil, sondern auch vom FG Düsseldorf im Urteil vom 28.10.2010 - 11 K 3637/09 F (EFG 2011, 477) und vom FG München im Urteil vom 25.01.2023 - 6 K 1787/19 (EFG 2023, 541) vertreten. Letzteres hat den höchstrichterlich bislang ungeklärten Meinungsstreit in seinem Urteil, gegen das beim BFH die unter dem Aktenzeichen XI R 2/23 geführte Revision anhängig ist, unter II.2.c der Entscheidungsgründe (Rz 73 ff.) ausführlich dargelegt. Es verweist auf das Urteil vom 02.03.1983 - I R 85/79 (BFHE 138, 94, BStBl II 1983, 427), in dem der BFH das Kriterium der Unternehmensidentität nicht thematisiert habe, sowie auf das zitierte Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.2010 - 11 K 3637/09 F (EFG 2011, 477). Die Unternehmensidentität sei nur im Zeitpunkt der Anwachsung erforderlich. Der übernommene Geschäftsbetrieb lebe weder als steuerrechtliches noch als zivilrechtliches Subjekt unter dem Dach der übernehmenden Körperschaft fort. Anders als bei Personengesellschaften komme es bei Kapitalgesellschaften auf das Merkmal der Unternehmensidentität nicht an (Verweis auf BFH-Urteil vom 29.10.1986 - I R 318-319/83, BFHE 148, 158, BStBl II 1987, 310, Rz 28). Nach der Anwachsung verbleibe bei der Körperschaft ein einheitlicher Gewerbebetrieb. Die Unternehmensidentität sei gewahrt, solange nicht der (gesamte) Betrieb der aufnehmenden Kapitalgesellschaft veräußert oder aufgegeben werde. Es sei Sache des Gesetzgebers, eine von § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG abweichende Behandlung des Verlustabzugs bei Kapitalgesellschaften im Allgemeinen oder für den Fall der Nutzung eines von einer Personengesellschaft übernommenen Verlusts zu regeln.
(c) Auch Vertreter des Schrifttums haben sich der inzwischen überwiegenden Auffassung der Finanzgerichte angeschlossen (vgl. Weiss, DStR 2022, 1785, 1788 und in BeckOK GewStG, Jahndorf/Oellerich/Weiss, § 10a Rz 492.2 ff. und 743.5 f.; Hübner/Jesic/Leucht/Schildmann, DStR 2023, 543, 547 f.).
(2) Diese in Übereinstimmung mit der Vorentscheidung des Sächsischen FG stehende Auffassung ist zutreffend. Die Frage der Unternehmensidentität hat bei einer Kapitalgesellschaft nicht deswegen ausnahmsweise eine andere oder besondere Bedeutung, weil der von ihr übernommene Gewerbeverlust im Ursprung von einer Personengesellschaft herrührt. Es bedürfte vielmehr einer rechtlichen Grundlage, die für den Fall, dass eine Kapitalgesellschaft im Wege der Anwachsung einen für eine Personengesellschaft festgestellten Gewerbeverlust übernommen hat, die Verlustnutzung von der identitätswahrenden Fortführung des verlustverursachenden Betriebs der Personengesellschaft abhängig macht. An einer solchen Vorschrift fehlt es im geltenden Recht; dies gilt insbesondere auch für das Entfallen des nach der Anwachsung ununterscheidbar festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlusts der Kapitalgesellschaft.
Für diese Sichtweise spricht der seit längerem als Argument für die dauerhafte Unternehmensidentität einer Kapitalgesellschaft angeführte Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG. Anders als bei einer Personengesellschaft kommt es danach bei einer Kapitalgesellschaft für die Nutzung ihres Gewerbeverlusts nicht auf die Unternehmensidentität an, weil diese unabhängig von der Art ihrer gewerblichen Tätigkeit erhalten bleibt. Der seit dem Urteil vom 29.10.1986 - I R 318-319/83 (BFHE 148, 158, BStBl II 1987, 310, Rz 28) in der Rechtsprechung des BFH gefestigte Grundsatz, dass die Änderung der wirtschaftlichen Betätigung einer Kapitalgesellschaft ihre Unternehmensidentität nicht berührt (vgl. Senatsurteil vom 17.01.2019 - III R 35/17, BFHE 264, 32, BStBl II 2019, 407, Rz 20, m.w.N.), bedürfte einer normativen Einschränkung, um zu der in der Revisionsbegründung des FA vertretenen "Auslegung" des § 10a GewStG im Anwachsungsfall zu gelangen. Einer näheren gesetzlichen Ausgestaltung bedürfte es hierbei nicht nur in materiellrechtlicher, sondern auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht. Ein im Bescheid einheitlich festgestellter Gewerbeverlust lässt nämlich nicht erkennen, aus welchen einzelnen ursprünglichen Bestandteilen er sich zusammensetzt. Ebenso wenig ist gesetzlich geregelt, nach welchen Kriterien und insbesondere in welcher Reihenfolge die Verwendung des festgestellten Gewerbeverlusts zu erfolgen hat. Dass es gesetzliche Bestimmungen zu einem "fortführungsgebundenen" Verlustvortrag im derzeit geltenden Recht gibt und wie diese aussehen können, belegen die nach dem Streitjahr eingeführten Regelungen des § 8d KStG und des § 10a Satz 10 ff. GewStG.
Die Anwachsung bei der mit 100 % am KG-Vermögen beteiligten Klägerin führte im Jahr 2011 (also zwei Jahre vor dem Streitjahr) dazu, dass der bei der KG entstandene Gewerbeverlust nun bei der Klägerin (GmbH) festzustellen war. Zum 31.12.2011 und zum 31.12.2012 wurde der streitige Fehlbetrag von 34.793.699 € in voller Höhe als vortragsfähiger Fehlbetrag der Klägerin festgestellt. Aus den betreffenden Bescheiden ist nicht ersichtlich, dass die vortragsfähigen Fehlbeträge teilweise von einer Personengesellschaft stammten. Der vortragsfähige Gewerbeverlust der Klägerin wurde für ihren einheitlichen Gewerbebetrieb vielmehr auch insofern in einer nicht unterscheidenden Weise gemäß § 10a Satz 6 GewStG gesondert festgestellt. Für eine Differenzierung zwischen verschiedenen Teilen des Gewerbeverlusts bietet das Gewerbesteuergesetz keine Anhaltspunkte. Nicht geregelt ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch die Frage, ob die Fortführung des ursprünglich von einer Personengesellschaft geführten verlustverursachenden Betriebs --ihre Notwendigkeit für die spätere Verlustnutzung durch die Kapitalgesellschaft unterstellt-- für die weitere Feststellung des übernommenen Gewerbeverlusts zeitlich unbefristet oder nur für eine bestimmte Zeit als unverzichtbare Voraussetzung anzusehen ist.
ee) Gegen die vom erkennenden Senat vorgenommene Auslegung des § 10a GewStG sprechen weder die vom FA angeführten Gesetzesmaterialien zu § 8d KStG noch gleichheitsrechtliche Überlegungen oder das BFH-Urteil vom 01.02.2024 - IV R 26/21 (DStR 2024, 671, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).
(1) § 8d KStG wurde durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften vom 20.12.2016 (BGBl I 2016, 2998) eingeführt und trat mit Wirkung vom 01.01.2016 in Kraft. Parallel dazu wurde § 10a GewStG entsprechend angepasst. Die neuen Vorschriften beruhten auf einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 18/9986). In diesem wurde ausgeführt (S. 14), die Änderung des § 10a GewStG reflektiere die Änderung der Verlustnutzungsmöglichkeiten im Körperschaftsteuerrecht. Der neue § 8d KStG sei uneingeschränkt auch auf die gewerbesteuerlichen Fehlbeträge anzuwenden. Für deren Geltendmachung leite die Rechtsprechung bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften aus dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer "als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal" die Voraussetzung ab, dass die Verluste bei demselben Unternehmen entstanden sind, dessen Gewerbeertrag gekürzt werden solle ("Erfordernis der Unternehmensgleichheit bzw. Unternehmensidentität"). Im Anschluss an die Kriterien für die "Bestimmung der wirtschaftlichen Eigenart" eines Gewerbebetriebs und für die Frage, "ob eine natürliche Person mehrere selbständige oder nur einen einheitlichen Gewerbebetrieb unterhält", schließt die Gesetzesbegründung mit dem vom FA im Revisionsverfahren als Argument angeführten Satz, dass "diese Grundsätze ... fortan auch für Körperschaften" gälten.
Entgegen der Auffassung des FA spricht diese Historie des § 8d KStG nicht für, sondern gegen die vom FA vertretene Auslegung des § 10a GewStG. Zum einen kommt schon im Wort "fortan" zum Ausdruck, dass die beschriebenen gewerbesteuerlichen Konsequenzen für Körperschaften erst ab dem Jahr 2016 zu ziehen waren. Zum anderen ist angesichts ihres Kontexts festzustellen, dass sich die Gesetzesbegründung nur auf die mit Wirkung vom 01.01.2016 in Kraft gesetzten Neuregelungen in § 8d KStG und § 10a GewStG bezog. Diese sind für die im vorliegenden Revisionsverfahren relevante Streitfrage unerheblich (vgl. dazu oben II.2.b). Die Neuregelungen bestätigen zudem indirekt die gesetzliche Regelungsbedürftigkeit und die Entscheidung, dass es de lege lata an einer gesetzlichen Regelung für die vom FA vertretene Rechtsauffassung fehlt (vgl. II.2.c dd (2)).
(2) Soweit sich das FA in der Revisionsbegründung auf die gleiche Behandlung des Unternehmensübergangs auf eine Kapitalgesellschaft einerseits und eine gewerbliche Personengesellschaft andererseits beruft, wird in der Revisionserwiderung zu Recht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.03.2010 - 1 BvR 2130/09 (Finanz-Rundschau --FR-- 2010, 670) verwiesen. Danach genügt die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, weil hinreichend gewichtige, sachliche Unterscheidungsgründe vorliegen, die die gesetzliche Differenzierung tragen (Rz 16). Ausgehend von der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG beruht auch die ständige Rechtsprechung des BFH zur Unternehmensidentität bei Kapitalgesellschaften auf einer sachlich begründeten Differenzierung.
(3) Das BFH-Urteil vom 01.02.2024 - IV R 26/21 (DStR 2024, 671, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) steht schließlich ebenfalls nicht im Widerspruch zur vorliegenden Entscheidung (a.A. Suchanek, FR 2024, 447, 448). Danach steht § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG der Annahme von "Unternehmensidentität im Sinne des § 10a GewStG" auf der Ebene der übernehmenden Personengesellschaft nicht entgegen, wenn eine Kapitalgesellschaft ihren gesamten Betrieb nach § 24 UmwStG in eine GmbH & Co. KG einbringt und sich ihre Tätigkeit fortan auf die Verwaltung der Mitunternehmerstellung an der aufnehmenden Gesellschaft sowie das Halten der Beteiligung an der Komplementär-GmbH beschränkt. Der IV. Senat hat damit den vom erkennenden Senat im Urteil vom 17.01.2019 - III R 35/17 (BFHE 264, 32, BStBl II 2019, 407, Rz 27) offengelassenen Fall entschieden (vgl. die hierauf Bezug nehmenden Rz 29 ff. des Urteils vom 01.02.2024 - IV R 26/21, DStR 2024, 671, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).
Eine Einbringung gemäß § 24 UmwStG liegt bei der Klägerin im Streitjahr nicht vor, vielmehr veräußerte sie ihr operatives Geschäft mit notariellem Vertrag vom xx.xx.2013 (Asset Deal) an eine andere GmbH. Anders als in dem vom IV. Senat entschiedenen Fall war die Geschäftsübernehmerin im vorliegenden Fall keine Personengesellschaft, sondern eine GmbH. Auf sie ging der zum 31.12.2012 bei der Klägerin festgestellte Gewerbeverlust im Zuge des Asset Deals vom xx.xx.2013 schon mangels Unternehmeridentität nicht über. Die Rechtsauffassung des FA würde hier also im Gegensatz zum Fall des IV. Senats dazu führen, dass der festgestellte Gewerbeverlust der Klägerin, soweit er von der KG herrührte, ersatzlos entfiele und nicht auf die Erwerberin überginge. Aus diesem Grund steht im Streitfall keine mit der Systematik des gewerbesteuerlichen Verlustabzugs nach § 10a GewStG unvereinbare "doppelte Unternehmensidentität" zu befürchten, ebenso wenig führt das vorliegende Urteil zu einer "Überstrapazierung" des Zwecks der Gewerblichkeitsfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG (vgl. zu diesen beiden Aspekten des BFH-Urteils vom 01.02.2024 - IV R 26/21 die dortigen Rz 42 und 44).
d) Im Ergebnis bleibt es auch im Falle einer Anwachsung bei dem Grundsatz, dass eine Änderung der wirtschaftlichen Betätigung einer Kapitalgesellschaft ihre Unternehmensidentität unberührt lässt und sich das Problem der Unternehmensidentität bei einer Kapitalgesellschaft, die eine betriebliche Einheit auf einen anderen Rechtsträger überträgt, nicht stellt (vgl. Senatsurteil vom 17.01.2019 - III R 35/17, BFHE 264, 32, BStBl II 2019, 407, Rz 20 und BFH-Urteil vom 01.02.2024 - IV R 26/21, DStR 2024, 671, Rz 26, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Soweit ein im Betrieb einer Personengesellschaft entstandener Gewerbeverlust durch Anwachsung auf eine Kapitalgesellschaft übergegangen ist, entfällt der anschließend zu ihren Gunsten festgestellte Gewerbeverlust nicht dadurch, dass sie den verlustverursachenden Geschäftsbereich im Wege eines Asset Deals später weiterveräußert. Demgemäß steht das stattgebende Urteil des FG im Einklang mit dem Bundesrecht und insbesondere mit § 10a GewStG; die Revision des FA war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.