LAG Baden-Württemberg: Betriebsratswahl bei Porsche wirksam angefochten

Betriebsverfassungsgesetz

Die ursprünglich sieben wahlberechtigten Arbeitnehmer (Antragsteller) haben die in der Zeit vom 14. bis 18. März 2022 durchgeführte Wahl des 41-köpfigen Betriebsrats für den „Betrieb Zuffenhausen/Ludwigsburg/Sachsenheim“ der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, der Porsche Logistik GmbH und der Porsche Dienstleistungs GmbH angefochten. 

Sachverhalt:

Die der Betriebsratswahl zugrunde gelegte Betriebsstruktur weicht von dem Grundmodell eines Betriebs nach dem Betriebsverfassungsgesetz ab. Sie beruht unter anderem auf Führungsvereinbarungen, welche die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG mit ihren Tochtergesellschaften abgeschlossen hat, und auf zwischen der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG sowie den Tochtergesellschaften mit der IG Metall abgeschlossenen Tarifverträgen. So sah unter anderem ein im Jahr 2013 abgeschlossener Tarifvertrag die Ausdehnung der Zuständigkeit des Betriebsrats für den „Betrieb Zuffenhausen/Ludwigsburg/Sachsenheim“ auf den Betriebsteil der Porsche Dienstleistungs GmbH in Leipzig (Gastronomie) vor. Die Antragsteller rügen, dass die Wahl unter Verkennung des betriebsverfassungsrechtlich zulässigen Betriebsbegriffs stattgefunden habe, weil der Wahlbetrieb auch auf tarifvertraglicher Grundlage nicht wie geschehen habe gebildet werden dürfen. Die Arbeitnehmer der Porsche Dienstleistungs GmbH des Standorts Leipzig hätten an der Betriebsratswahl nicht teilnehmen dürfen. Die von den Antragstellern ursprünglich außerdem erhobenen Vorwürfe von Manipulationen bei der Durchführung der Betriebsratswahl wurden von ihnen bereits am Ende des erstinstanzlichen Verfahrens nicht mehr aufrechterhalten. Das Arbeitsgericht Stuttgart hat die Betriebsratswahl mit Beschluss vom 6. April 2023 (Az. 21 BV 54/22) für unwirksam erklärt. Die Wahl habe unter Verkennung des Betriebsbegriffs stattgefunden, was einen Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes darstelle. Die Arbeitnehmer der Gastronomie in Leipzig hätten an der Wahl nicht teilnehmen dürfen. Durch den Tarifvertrag aus 2013 sei der Standort Leipzig nicht wirksam in die Zuständigkeit des für den „Betrieb Zuffenhausen/Ludwigsburg/Sachsenheim“ zuständigen Betriebsrats einbezogen worden. Die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG und ihre Tochtergesellschaften sowie der Betriebsrat haben gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Beschwerde beim Landesarbeitsgericht BadenWürttemberg eingelegt. Sie haben die Wahl weiterhin gegen die Anfechtung verteidigt, die in der Beschwerdeinstanz nur noch von drei Arbeitnehmern weiterverfolgt wurde. Die Arbeitnehmer der Gastronomie Leipzig seien aufgrund des gemeinschaftlich geführten Betriebs und - in Übereinstimmung mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes - auf Grundlage des Tarifvertrags aus 2013 wirksam in die Wahl einbezogen worden. Sie seien auch in der Wählerliste aufgeführt gewesen, gegen die innerhalb der einschlägigen Fristen vor der Wahl kein Einspruch erhoben worden sei.  Die vor dem Landesarbeitsgericht zudem diskutierte etwaige Unvollständigkeit der Tarifverträge, mit denen der Wahlbetrieb in seiner Gesamtheit gebildet worden sei, sei zumindest durch einen weiteren, im Jahr 2024 geschlossenen Bestätigungstarifvertrag aller drei Unternehmen und der IG Metall mit Rückwirkung auf den Wahlzeitpunkt behoben worden.

Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 19. März 2024 (Az.: 15 TaBV 2/23) die Beschwerden des Betriebsrats und der Arbeitgeberinnen zurückgewiesen und hat für die unterlegenen Verfahrensbeteiligten die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. 

Entscheidungsgründe:

Nach Auffassung der 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts wurde bei der Wahl der Betriebsbegriff verkannt. Solle eine betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG als Basis einer "anderen Arbeitnehmervertretungsstruktur" gebildet werden und als Betrieb gelten (§ 3 Abs. 5 BetrVG), müssten sämtliche an der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit beteiligten Unternehmen dies dementsprechend tarifvertraglich vereinbaren. Hier aber hätten nicht alle beteiligten Arbeitgeberinnen solche tarifvertraglichen Vereinbarungen abgeschlossen. Der nachträglich im Jahr 2024 geschlossene weitere Tarifvertrag habe dies nicht mit Rückwirkung auf den Wahlzeitpunkt des Jahres 2022 reparieren können. Die Anfechtung wegen Verkennung des Betriebsbegriffs sei auch keine auf die Unrichtigkeit der Wählerliste gestützte Anfechtung. Die Versäumung der einschlägigen Fristen für einen Einspruch gegen die Wählerliste sei deshalb ohne Relevanz. Wegen der zuletzt genannten Rechtsfrage wurde die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Quelle: Pressemitteilung des LAG Baden-Württemberg v. 19.3.2024