Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
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Welche Bedeutung haben die Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)?
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Aktuelles aus Heft 11 der EFG (Juni 2023) u.a.
Anscheinsbeweis für private PKW-Nutzung
Das FG Köln hat mit Urteil vom 8.12.2022 (13 K 1001/19) zum Anscheinsbeweis für private PKW-Nutzung entschieden. Der Richter am FG Dr. Michael Hennigfeld kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Sachverhalt
Streitig war die Frage, ob bei der Klin. eine vGA und unentgeltliche Wertabgaben wegen der privaten Nutzung eines betrieblichen PKW durch den Gesellschafter-Geschäftsführer zu berücksichtigen waren. Die Klin. ist eine GmbH. Sie überließ ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer einen PKW Porsche Cayenne. Die private Nutzung war vertraglich ausgeschlossen. Der Geschäftsführer besaß privat einen Porsche Boxter, der 16 Jahre alt war. Darüber hinaus war auf den Geschäftsführer ein Opel Agila zugelassen, der (auch) durch dessen Mutter genutzt wurde. Im Rahmen einer Bp kam das FA zu dem Ergebnis, dass ungeachtet des vertraglichen Nutzungsverbots davon auszugehen sei, dass der Geschäftsführer den betrieblich überlassenen PKW privat genutzt habe. Hierfür spreche die allgemeine Lebenserfahrung und, dass es sich bei dem überlassenen Fahrzeug um ein repräsentatives Kfz gehandelt habe. Organisatorische Maßnahmen zur Überwachung des privaten Nutzungsverbotes seien nicht festzustellen. In der Folge setzte das FA eine vGA i.H.v. 1 % des inländischen Listenpreises des überlassenen PKW sowie für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 0,03 % des Listenpreises an. Darüber hinaus wurde für die Nutzungsüberlassung Umsatzsteuer erhoben. Hiergegen wandte sich die Klin. und trug vor, dass der Geschäftsführer ein vergleichbares Fahrzeug im Privatvermögen gehalten habe und daher kein Anscheinsbeweis für eine private Nutzung des überlassenen Fahrzeugs spreche. Objektive Nachweise für eine Privatnutzung seien nicht gegeben.
II. Entscheidung des Gerichts
Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Das FA habe zu Recht eine vGA für die private PKW-Nutzung angesetzt. Dass trotz vertraglichen Nutzungsverbots von einer Privatnutzung auszugehen sei, beruhe auf einem Anscheinsbeweis. Die allgemeine Lebenserfahrung spreche dafür, dass ein Geschäftsführer ein ihm überlassenes Fahrzeug auch für private Fahrten nutze. Dies entspreche der Rspr. des I. Senats des BFH. Demgegenüber habe der VI. Senat des BFH für lohnsteuerliche Zwecke einen derartigen Anscheinsbeweis verneint. Dieser Auffassung sei jedoch nicht zu folgen. Das vertragliche Nutzungsverbot sei im Streitfall nicht durch organisatorische Maßnahmen abgesichert gewesen. Würde es nur auf die vertraglichen Regelungen ankommen, wäre es ein Leichtes durch Aufnahme eines formalen Nutzungsverbotes eine vGA auszuschließen. Im Streitfall seien die Grundsätze des Anscheinsbeweises auch nicht erschüttert worden, da die im Privatvermögen befindlichen Fahrzeuge nicht mit dem dienstlich überlassenen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar gewesen seien. Aus den gleichen Gründen sei umsatzsteuerlich von einer unentgeltlichen Wertabgabe auszugehen.
III. Hinweis für die Praxis
Das FG hat die Revision zugelassen, die allerdings offenbar nicht eingelegt wurde. Das Gericht setzt sich in seiner Entscheidung intensiv mit der Frage auseinander, ob trotz eines vertraglichen Nutzungsverbots von einem Anscheinsbeweis für eine private Nutzung des PKW durch den Geschäftsführer ausgegangen werden darf. Das Gericht bejaht dies unter Hinweis auf die Rspr. des I. Senats des BFH und die herrschende Meinung in der Literatur. Der I. Senat des BFH geht in ständiger Rspr. davon aus, dass eine vertraglich nicht geregelte bzw. vertragswidrige private PKW-Nutzung durch einen Geschäftsführer einer Gesellschaft eine vGA darstellt (BFH-Urteil vom 23.1.2008 I R 8/06, BStBl II 2012, 260). Der VI. Senat des BFH hatte in Zusammenhang mit lohnsteuerlichen Fragen entschieden, dass ein Anscheinsbeweis nur dafür streite, dass ein Arbeitnehmer einen vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassenen PKW auch tatsächlich nutze, nicht aber dafür, dass ein Arbeitnehmer ein überlassenes Fahrzeug unbefugt privat nutze. Es gebe keinen Erfahrungssatz, wonach ein Geschäftsführer generell gegen arbeitsvertraglich vereinbarte Nutzungsverbote verstoßen würde (BFH-Urteil vom 14.11.2013 V R 25/13, BFH/NV 2014, 678). Die Streitfragen sind vorerst
Aktuelles aus Heft 10 der EFG (Mai 2023) u.a.
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Aussetzungszinsen
Das FG Münster hat mit Beschluss vom 3.4.2023 (3 V 2464/22) zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Aussetzungszinsen entschieden. Die Richterin am FG Dr. Bernadette Mai kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Das FG Münster hatte in einem Verfahren wegen AdV über die Frage zu entscheiden, ob die Höhe des Zinssatzes von 0,5 % pro Monat für Aussetzungszinsen zur ErbSt (§ 237 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) verfassungsrechtlichen Bedenken begegnete. Dabei ging es um einen Zinszeitraum von Ende 2017 bis Anfang 2021.
II. Rechtslage
§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO bestimmt die Höhe der Aussetzungszinsen gem. § 237 Abs. 1 Satz 1 AO auf 0,5 % pro Monat. Die Höhe dieses Zinssatzes ist, anders als bei Steuernachforderungen und -erstattungen, für die der Zinssatz ab dem 1 1.2019 auf 0,15 % pro Monat reduziert wurde, während der Niedrigzinsphase unverändert geblieben.
III. Die Entscheidung des FG
Das FG entschied unter Anlegung des im Verfahren wegen AdV gebotenen summarischen Prüfungsmaßstabs, dass es die Höhe der Aussetzungszinsen von 0,5 % pro Monat für den streitgegenständlichen Zeitraum für verfassungsgemäß halte. Weder liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor, noch sei Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Das FG Münster stützte sich dabei auf die Überlegung, dass es der Stpfl. durch sein Verhalten grundsätzlich selbst in der Hand habe, die Aussetzungszinsen zu vermeiden. Außerdem nahm es den Telos der Aussetzungszinsen in den Blick, der – anders als die Nachzahlungs- und Erstattungszinsen – über die Abschöpfung eines Liquiditätsvorteils hinausgehe. Aussetzungszinsen seien das Pendant zu Prozesszinsen, die sich ebenfalls auf 0,5 % beliefen, und sollten auch zur Vermeidung unnötiger Prozesse beitragen.
IV. Einordnung der Entscheidung
Der vorliegende FG-Beschluss beschäftigt sich nach der Entscheidung des BVerfG vom 8.7.2021 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 (BVerfGE 158, 282) mit der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Aussetzungszinsen in der Niedrigzinsphase. Das BVerfG hatte in jenem Beschluss den Zinssatz der Vollverzinsung gem. § 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO von 0,5 % für alle Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 für verfassungswidrig erklärt. Aus diesem Grund wurde zwischenzeitlich § 238 Abs. 1a AO geschaffen, der für Vollverzinsungstatbestände ab dem 1.1.2019 einen Zinssatz von 0,15 % pro Monat vorschreibt. Da das BVerfG die Unvereinbarkeitserklärung ausdrücklich nicht auf die weiteren Verzinsungstatbestände nach der AO ausgedehnt hatte, stellt sich nun für jeden einzelnen Verzinsungstatbestand die Frage nach einer etwaigen Verfassungswidrigkeit neu.
Das FG München hat im Urteil vom 7.9.2022 15 K 358/22 (juris) für einen im Jahr 2020 beginnenden Verzinsungszeitraum zu Aussetzungszinsen ausgeführt, dass es die Differenzierung zwischen der Höhe der Nachzahlungs- und Erstattungszinsen gem. § 233a i.V.m. § 238 Abs. 1a AO einerseits und der Höhe der anderen Zinstatbestände nach der AO ab dem 1.1.2019 für sachlich gerechtfertigt hält und deshalb keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sieht. Dieser Ansicht hat sich das FG Düsseldorf (Beschluss vom 24.1.2023 12 V 1597/22 A(AO), juris) angeschlossen.
V. Hinweise für die Praxis
Soweit ersichtlich ist derzeit weder beim BFH noch beim BVerfG ein Verfahren anhängig, in dem über die Verfassungsmäßigkeit des gesetzlichen Zinssatzes für Aussetzungszinsen in der Niedrigzinsphase gestritten wird. Im Interesse der Stpfl. dürfte eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage allerdings wünschenswert sein.
Aktuelles aus Heft 9 der EFG (Mai 2023) u.a.
Kein Anspruch auf Vorlage einer anonymen Anzeige nach Art. 15 DSGVO
Das FG Düsseldorf hat mit Urteil vom 10.8.2022 (4 K 879/21 AO) zum Anspruch auf Vorlage einer anonymen Anzeige nach Art. 15 DSGVO entschieden. Der Richter am FG Dr. Andreas Frantzmann kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO ist Gegenstand zahlreicher finanzgerichtlicher Verfahren. Dabei ist häufig – wie auch in der Besprechungsentscheidung – zwischen den Beteiligten streitig, ob Art. 15 DSGVO einen Anspruch auf Akteneinsicht oder auf Vorlage bestimmter Dokumente begründet (zuletzt FG Berlin-Brandenburg, Gerichtsbescheid vom 4.8.2022 16 K 5109/20, juris; FG München, Urteil vom 5.5.2022 15 K 193/20, EFG 2022, 1352, Rev. beim BFH anhängig unter II R 22/22; vgl. auch die ausführliche Darstellung des Meinungsstandes in FG Münster, Urteil vom 24.2.2022 6 K 3515/20, EFG 2022, 820, Rev. beim BFH anhängig unter IX R 20/22).
Im Besprechungsfall begehrte die Klin. Einsicht in die Betriebsprüfungsakte und dabei insbesondere Zugang zu den Informationen und Dokumenten, die zu einer anonymen Anzeige vorhanden sind.
Der Bekl. lehnte die Einsichtnahme unter Verweis auf die Ausschlusstatbestände nach § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO (Gefährdung einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung) und § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (Geheimhaltung wegen überwiegender berechtigter Interessen eines Dritten) ab.
II. Die Entscheidung des FG
Nach der Besprechungsentscheidung steht der Klin. kein Anspruch auf Zugang zu den im Rahmen der Ap von der FinVerw. erzeugten Daten in der Gestalt von Dokumenten und Aktenvermerken zu. Das FG begründet dies damit, dass Art. 15 Abs. 1 und 3 Satz 1 DSGVO bereits nach seinem Wortlaut nur das Recht auf Auskunft über personenbezogene Daten i.S. des Art. 4 Nr. 1 DSGVO vermittele und dass in der Betriebsprüfungsakte nicht nur personenbezogene Daten enthalten seien.
Nach Auffassung des FG könnte die Klin. zwar grds. gem. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO Zugang zu der anonymen Anzeige selbst verschafft werden, da es sich bei dieser um ein personenbezogenes, die Klin. betreffendes Datum i. S. des Art. 4 Nr. 1 DSGVO handele. Der Gewährung von Akteneinsicht durch die Überlassung einer Kopie der anonymen Anzeige stehe allerdings Rechte Dritter entgegen (Art. 15 Abs. 4 DSGVO). Nach § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO bestehe kein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO, wenn die Daten, ihre Herkunft, ihre Empfänger oder die Tatsache ihrer Verarbeitung nach § 30 AO oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen überwiegender berechtigter Interessen Dritter i.S. des Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO geheim gehalten werden müssten. Im Streitfall sei die anonyme Anzeige in Anbetracht ihrer Herkunft wegen überwiegender berechtigter Interessen Dritter i. S. des Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO geheim zu halten.
Der Name eines Anzeigeerstatters unterliege gem. § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO dem Steuergeheimnis. Entsprechendes gelte für die wortgetreue Offenbarung des Inhalts einer anonymen Anzeige, weil der Inhalt einer solchen Anzeige häufig Rückschlüsse auf den Verfasser zulasse. Die nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten der Klin. aus, da der Anzeigeerstatter ein gesetzlich geschütztes Interesse daran habe, dass seine Anzeige der Klin. nicht ohne weiteres zur Verfügung gestellt werde.
III. Einordnung und Würdigung der Entscheidung
Die Reichweite des Art. 15 DSGVO und die Auslegung der Ausschlusstatbestände nach § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 und 2 AO sind in Rspr. und Fachliteratur umstritten.
Die Klin. hat gegen die Besprechungsentscheidung Revision eingelegt (Az. beim BFH: II R 35/22). Der BFH wird daher – wie in zahlreichen anderen Revisionsverfahren – Gelegenheit haben, für mehr Rechtssicherheit zu sorgen.
Aktuelles aus Heft 8 der EFG (April 2023) u.a.
Im Nachlassinsolvenzverfahren nach der Betriebsaufgabe erstattete USt erhöht den Betriebsaufgabegewinn
Das FG Düsseldorf hat mit Urteil vom 9.2.2023 (9 K 2035/20 E) zur im Nachlassinsolvenzverfahren nach der Betriebsaufgabe erstatteten Umsatzsteuer entschieden. Der Richter am FG Helmut Jelinek kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
In dem Urteilsfall ist das Gericht nicht der Auffassung der FinVerw. gefolgt, die im BMF-Schreiben vom 5.7.2006 IV B 2-S 2141-7/06 (BStBl I 2006, 418, Tz. 7) zum Ausdruck gebracht ist. Der Bekl. fühlte sich durch dieses Schreiben daran gebunden, die Rechtsauffassung zu vertreten, dass die spätere Umsatzsteuererstattung nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 EStG im Zuflussjahr einkommensteuerlich zu erfassen sei. Ebenso wie das FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 5.7.2018 1 K 2501/15 (EFG 2018, 1712, mit Anm. Frank, Rev. anhängig, Az. des BFH: V R 27/18, durch die Revisionsklägerin zurückgenommen) und das FG Düsseldorf in seinem Urteil vom 19.7.2016 10 K 2384/10 E (EFG 2016, 1443) ist das Gericht zum Ergebnis gelangt, dass die Zahlung des FA auf eine bei der Betriebsaufgabe wegen ihrer Ungewissheit nicht bilanzierungsfähige Erstattungsforderung aus Glückspielumsätzen ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellt.
Das Gericht hat der späteren Zahlung Rückwirkung i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO beigemessen, obwohl, anders als in den beiden zuvor zitierten Urteilen und auch in anderen Entscheidungen (z.B. BFH-Urteil vom 10.2.1994 IV R 37/92, BFHE 174, 140, BStBl II 1994, 564: Schadensersatz), der dem Grunde und der Höhe nach ungewisse Erstattungsanspruch sich für U bzw. für den Kl. nicht in einem Schwebezustand befand. Denn die USt für die Jahre 2003 und 2004 war zunächst bestandskräftig festgesetzt, woran auch der üblicherweise mit Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahresfestsetzungen verbundene Nachprüfungsvorbehalt (§ 164 Abs. 1 AO) nichts zu ändern vermochte. Erst durch die in 2006 gestellten Anträge auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen, verbunden mit der Einreichung berichtigter Umsatzsteuererklärungen, wurde die Höhe der USt in Frage gestellt. Auch in diesem Fall soll die Berichtigung auf den Betriebsaufgabezeitpunkt zurückwirken. Dem richtigen und punktuell auf den Aufgabezeitpunkt festzustellenden Gewinn bzw. Verlust wird dadurch unter Berücksichtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips der Vorrang insbesondere vor dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung eingeräumt.
Aus fiskalischer Sicht des Bekl. ist allerdings misslich, dass eine Berichtigung der ESt des Betriebsaufgabejahres 2004 nicht mehr möglich erscheint, denn einer Berichtigung nach §175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO steht trotz der Ablaufhemmung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO der Verjährungseintritt entgegen. Weder die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 und 4 AO noch die Bedingungen einer sog. Bilanzberichtigung sind gegeben.
Aktuelles aus Heft 7 der EFG (April 2023) u.a.
Zinsen gem. § 233a AO bei Änderung des Veranlagungswahlrechts
Das FG Köln hat mit Urteil vom 13.10.2022 (14 K 642/21) zu Zinsen gem. § 233a AO bei Änderung des Veranlagungswahlrechts entschieden. Der Richter am FG Dr. Michael Hennigfeld kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Sachverhalt
Im Kern ging es im Besprechungsfall um die Frage, wie sich ein Antrag auf Durchführung von Einzelveranlagungen auf bereits im Zusammenhang mit Zusammenveranlagungen festgesetzte Zinsen auswirkt. Die Kl. wurden ursprünglich im März 2019 zusammen zur ESt veranlagt. Die Steuerbescheide der Jahre 2010 bis 2015 waren jeweils mit Zinsfestsetzungen nach § 233a AO verbunden. Die Kl. wandten sich gegen die Steuerbescheide mit Einsprüchen und beantragten die Durchführung von Einzelveranlagungen nach § 26a EStG. Entsprechende Bescheide erließ der Bekl. im Juli 2019, wobei die Einkünfte zu 100 % auf den Ehemann zu 0 % auf die Ehefrau verteilt wurden. In den Aufhebungsbescheiden bezüglich der Zusammenveranlagungen wies der Bekl. darauf hin, dass die bisherige Zinsfestsetzung gem. § 233a AO bestehen bleibe. Hiergegen wandten sich die Kl. und trugen vor, dass der Bekl. lediglich die Einkommensteuerfestsetzungen aufgehoben und nicht zugleich die Zinsfestsetzungen geändert habe. Mit Bekanntgabe der Einzelveranlagungen seien auch die Zinsfestsetzungen aufzuheben und neu zu verfügen gewesen. Im weiteren Verlauf wies der Bekl. darauf hin, dass die bis zum Erlass der Aufhebungsbescheide aufgelaufenen Zinsen bestehen blieben und der sich aus der Aufhebung der Steuerfestsetzung ergebende Unterschiedsbetrag erst ab April 2021 zu verzinsen sei.
II. Entscheidung des Gerichts
Die Klage des Kl. verwarf das Gericht als unzulässig, da dieser im Ergebnis die Höhe der festgesetzten Zinsen nicht bestritten habe. Die Klage der Kl. wies das Gericht als unbegründet ab. Zwar sei ihre Überlegung, dass mit der Aufhebung der Zusammenveranlagung und der Durchführung von Einzelveranlagungen auch die im Zusammenhang mit der Zusammenveranlagung auf sie entfallenden Zinsen aufzuheben seien, nachvollziehbar. Gleichwohl ergebe sich aus § 233a AO, dass die bis zum Antrag auf Durchführung der Einzelveranlagung aufgelaufenen Zinsen auch gegenüber der Kl. weiterhin festgesetzt blieben und die Kl. als Gesamtschuldnerin hierfür in Anspruch genommen werden könne. Der Antrag auf Einzelveranlagung stelle ein rückwirkendes Ereignis dar. Dieses sei nach § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO zu beurteilen. Der Wechsel der Veranlagungsart sei im März 2019 erfolgt, so dass der hieraus resultierende abweichende Zinslauf aus den Steuerfestsetzungen vom Juli 2019 für die hieraus hervorgehenden Unterschiedsbeträge erst 15 Monate später, also im April 2021 begonnen habe. Die im abgelaufenen Zeitraum bereits entstandenen Zinsen seien nach § 233a Abs. 7 Satz 2 AO endgültig aufrechtzuerhalten. Eine teleologische Reduktion der Vorschrift käme nicht in Betracht. Die entsprechende Aufrechterhaltung der Verzinsung entspreche vielmehr den Willen des Gesetzgebers, wie er aus der Gesetzesbegründung deutlich werde. Ein rückwirkendes Ereignis könne zu Gunsten wie zu Lasten eines Stpfl. bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung noch nicht berücksichtigt werden, weshalb weder der Steuerpflichtige noch das FA vor Eintritt des rückwirkenden Ereignisses einen Liquiditätsvorteil oder -nachteil erlitten haben könne, der nach § 233a AO zu kompensieren sei.
III. Hinweise für die Praxis
Das FG hat die Revision zugelassen. Das Gericht hat sein Ergebnis schlüssig hergeleitet. Die bis zum Antrag auf Änderung der Veranlagungsart aufgelaufenen Zinsen schuldet die Kl. weiterhin als Gesamtschuldnerin. Erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Einzelveranlagung sind die Zinsen nach Maßgabe der neuen Verhältnisse neu zu berechnen. Der BFH hatte bereits für die umgekehrte Sachverhaltskonstellation (Wechsel von getrennter Veranlagung zu Zusammenveranlagung) entschieden, dass Nachzahlungszinsen, die für die Zeit bis zur Änderung des Veranlagungswahlrechts zuzüglich der Karenzzeit entstanden sind, Bestehen bleiben (BFH-Beschluss vom 12.8.2015 III B 50/15, BFH/NV 2015, 1670). Es spricht nichts dafür, dass die umgekehrte Konstellation anders zu behandeln sein sollte.
Aktuelles aus Heft 6 der EFG (März 2023) u.a.
Zulässigkeit einer Protokollberichtigung
Das FG München hat mit Beschluss vom 18.11.2022 (4 K 2087/11) zur Zulässigkeit einer Protokollberichtigung entschieden. Der Vorsitzende Richter am FG Dr. Peter Welzel kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Bedeutung des Sitzungsprotokolls
Findet im finanzgerichtlichen Verfahren eine mündliche Verhandlung mit oder ohne Durchführung einer Beweisaufnahme statt, so ist in jedem Fall hierüber ein Protokoll aufzunehmen (§ 94 FGO i.V.m. § 159 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Sitzungsprotokoll ist jedoch keine vollständige Inhaltswiedergabe der mündlichen Verhandlung. Hierin sind lediglich die wesentlichen Angaben und Vorgänge der mündlichen Verhandlung zu dokumentieren. Der insoweit unverzichtbare Inhalt des Sitzungsprotokolls ergibt sich aus § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 1 bis 3 ZPO (vgl. hierzu auch FG München, Beschluss vom 27.2.2020, 4 K 240/17, EFG 2020, 1433). Während der mündlichen Verhandlung können die Beteiligten auch beantragen, dass bestimmte Vorgänge oder Äußerungen in das Sitzungsprotokoll aufgenommen werden (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Die Bedeutung des Protokolls liegt in seiner erhöhten Beweiskraft als Urkundsbeweis und sein Zweck besteht darin, die Prozesshandlungen der Beteiligten und ggf. die Aussagen von Zeugen zu sichern und hierdurch die Überprüfung des Urteils durch das Rechtsmittelgericht zu ermöglichen (Herbert in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 94 Rz. 4, mit zahlreichen Rechtsprechungshinweisen). Da die Beachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten ausschließlich nur durch das Protokoll bewiesen werden kann (§ 94 FGO i.V.m. § 165 Satz 1 ZPO), haben die Beteiligten gerade im Hinblick auf eine in Aussicht genommene Einlegung eines Rechtsmittels ein erhebliches Interesse an der korrekten Dokumentation dieser verfahrensrechtlichen Förmlichkeiten.
II. Protokollberichtigung
Nach § 94 FGO i.V.m. § 164 Abs. 1 ZPO können Unrichtigkeiten des Protokolls jederzeit besichtigt werden. Die Verwendung des Begriffs „können“ ist insoweit missverständlich, als die Berichtigung eines erkannten Fehlers nicht im Ermessen des zur Entscheidung Befugten steht, sondern zwingend zu erfolgen hat. Die Berichtigung kann dabei von Amts wegen oder auch auf Antrag eines der Beteiligten (§ 57 FGO) erfolgen. Das Sitzungsprotokoll ist in diesem Sinne dann unrichtig, wenn dessen Inhalt fehlerhaft ist. Hierbei muss es sich nicht um eine offenbare Unrichtigkeit handeln; es genügt vielmehr jede Art von Fehler. Für die Frage, ob ein Protokoll unrichtig ist, kommt es darauf an, ob aus der Sicht des Verhandlungstermins, auf den sich das Protokoll bezieht, der Vorgang protokollierungspflichtig ist (FG München, Beschluss vom 7.2.2014, 10 K 3728/10, juris). Die jederzeitige Möglichkeit der Fehlerberichtigung umfasst auch eine solche nach Schluss der mündlichen Verhandlung.
Der zeitliche Rahmen für eine solche Protokollberichtigung schließt sich jedoch mit Eintritt der Rechtskraft der auf Grund der protokollierten mündlichen Verhandlung ergangenen Gerichtsentscheidung. Ist das Verfahren abgeschlossen, so ist das Rechtsschutzbedürfnis der Beteiligten an der Berichtigung eines Fehlers des Sitzungsprotokolls entfallen. Das Sitzungsprotokoll dient schließlich allein dem ordnungsgemäßen Ablauf desjenigen Gerichtsverfahrens, zu dessen Zweck es erstellt worden ist.
Aktuelles aus Heft 5 der EFG (März 2023) u.a.
Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes eines Miteigentumsanteils nach § 198 BewG
Das FG Münster hat mit Urteil vom 24.11.2022 (3 K 1201/21 F) zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes eines Miteigentumsanteils nach § 198 BewG entschieden. Die Richterin am FG Dr. Bernadette Mai kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Das FG hatte über die Frage zu entscheiden, ob der Kl. den ihm nach § 198 Satz 1 BewG offenstehenden Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes geführt hatte. Die Besonderheit im Streitfall bestand darin, dass es sich um einen hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück handelte. Der Bekl. legte der Bedarfsbewertung den Wert zu Grunde, den der örtlich zuständige Gutachterausschuss in einem Gutachten als Verkehrswert für das gesamte Grundstück ermittelt hatte, und setzte den Wert des Miteigentumsanteils mit einem rechnerischen Anteil von 50 % dieses Wertes an.
Den vom Gutachterausschuss vorgenommenen weiteren Abschlag von weiteren 20 %, den dieser mit den Risiken begründet hatte, mit denen der Erwerb eines solchen Anteils für Dritte verbunden sei, setzte der Beklagte nicht um.
II. Rechtslage
Die Bedarfsbewertung erfolgt grundsätzlich anhand der im BewG vorgesehenen typisierten Bewertungsverfahren. Optional kann der Stpfl. gem. § 198 BewG einen niedrigeren gemeinen Wert der wirtschaftlichen Einheit nach den gem. § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften nachweisen, wozu insbesondere die ImmoWertVO zählt. Im Streitfall waren § 198 Satz 1 und 2 BewG a.F. anzuwenden, die, eingeführt durch das ErbStRG mit Wirkung zum 1.1.2009, durch das GrStRefUG vom 16.7.2021 im Wortlaut unverändert zum heutigen § 198 Abs. 1 BewG geworden sind. Vor der Einführung des § 198 BewG eröffnete § 146 Abs. 7 BewG a.F. dem Stpfl. für bebaute Grundstücke die Möglichkeit, einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks nachzuweisen.
III. Die Entscheidung des FG
Das FG entschied, dass sich der Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes beim Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück unmittelbar auf den Miteigentumsanteil als solchen beziehen kann und nicht nur indirekt über den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes des Volleigentums am gesamten Grundstück rechnerisch geführt werden kann. Konkret folgte es dem beigebrachten Gutachten des Gutachterausschusses, welches, ausgehend von einem niedrigeren gemeinen Wert des gesamten Grundstücks, für den Miteigentumsanteil einen weiteren Abschlag („Marktanpassungsabschlag“) vornahm. Dabei wurde der zunächst rein rechnerisch anhand der Beteiligungshöhe ermittelte vorläufige gemeine Wert des Miteigentumsanteils nochmals um 20 % reduziert.
IV. Einordnung der Entscheidung
Das FG macht in seiner Entscheidung deutlich, dass die zu bewertende wirtschaftliche Einheit der übergegangene hälftige Miteigentumsanteil selbst und nicht das gesamte Grundstück ist. Der Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes gem. § 198 Satz 1 BewG a.F. steht dem Stpfl. dementsprechend für diesen Anteil offen. Die Rechenschritte, die § 3 BewG für die Wertermittlung bei mehreren Beteiligten im Rahmen der typisierenden Bewertungsverfahren nach dem BewG vorsieht, beschränken nach Auffassung des FG die Nachweismöglichkeit gem. § 198 BewG a.F. nicht.
Das FG grenzt seine Entscheidung von älterer Rspr. des BFH zu § 146 BewG a.F. ab. Nach dieser alten Rspr. sollte kein Nachweis zulässig sein, dass ein Miteigentumsanteil an einem Grundstück weniger wert sei als es dem rechnerischen Anteil am gemeinen Wert des gesamten Grundstücks entspreche. Das FG tritt auch der weiteren dieser alten Rspr. zu Grunde liegenden Erwägung entgegen, nach der Verkäufe von einzelnen Miteigentumsanteilen an Grundstücken selten seien und deshalb kein gewöhnlicher Geschäftsverkehr i.S. des § 9 Abs. 2 BewG in Bezug auf solche Anteile gegeben sei. Schließlich würdigt es das beigebrachte Wertgutachten als im Ergebnis plausibel und nachvollziehbar.
V. Hinweise für die Praxis
Es bleibt abzuwarten, ob die FinVerw. die zugelassene Revision einlegt und der BFH so die Gelegenheit bekommt, sich unter der Geltung des § 198 BewG von seiner zu § 146 BewG a.F. ergangenen Rspr. zu distanzieren.
Aktuelles aus Heft 4 der EFG (Februar 2023) u.a.
BeA-Nutzungspflicht bei Antrag in eigener Sache auch ohne ausdrückliches Auftreten als Rechtsanwältin
Das FG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 9.1.2023 (4 V 1553/22 (A) Erb) zur BeA-Nutzungspflicht bei einem Antrag in eigener Sache entschieden. Der Richter am FG Lukas Münch kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung und Rechtsauffassungen
Die mit Wirkung zum 1.1.2022 eingeführte aktive Nutzungspflicht für den elektronischen Rechtsverkehr war für viele Nutzende mit erheblichen (technischen wie rechtlichen) Schwierigkeiten verbunden. Auch hinsichtlich des konkreten Anwendungsbereichs der Norm und der Parallelnormen in den übrigen Verfahrensordnungen sind einzelne Fragen durchaus umstritten. Dies betrifft etwa die auch im vorliegenden Eilverfahren streitige Frage, ob die Nutzungspflicht an den bloßen Status als RA anknüpft oder ob sie vom konkreten Auftreten im jeweiligen Streitfall abhängt. Die Astin. machte insbesondere geltend, es sei ihr unbenommen, sich nicht für sich selber zu bestellen, da vor dem FG kein Anwaltszwang gelte. Da sie – was unstreitig war – nicht als RA aufgetreten sei, sei auch die Antragstellung in Papierform zulässig.
II. Die Entscheidung des FG
Das FG folgte der Auffassung der Astin. nicht, sondern wies den Antrag als unzulässig ab. Es vertrat insbesondere die Auffassung, dass es für die Nutzungspflicht allein auf den Status als RA ankomme und es daher unerheblich sei, ob die jeweilige Person in ihrer Eigenschaft als Berufsträger auftrete oder nicht. Vielmehr habe der Gesetzgeber die Nutzungspflicht an den berufsrechtlichen Status des RA in ihrer Eigenschaft als „professionelle Einreicher“ geknüpft, ohne dass es Anhaltspunkte dafür gebe, dass es auf das Auftreten im konkreten Streitfall ankomme.
III. Einordnung der Entscheidung
Die zu entscheidende Rechtsfrage ist lebhaft umstritten. Der BFH hat zwar im Beschluss vom 23.8.2022, VIII S 3/22 (BFH/NV 2022, 1248) ausdrücklich ausgeführt, § 52d Satz 1 FGO knüpfe „allein an den Status des Prozessbevollmächtigten als RA an“. Im dort zu entscheidenden Verfahren war der fragliche RA jedoch sowohl in eigener Sache als auch als Bevollmächtigter einer zweiten Rügeführerin aufgetreten.
Das FG Düsseldorf (Urteil vom 19.9.2022, 8 K 670/22 E,U, EFG 2022, 1853) hatte hieraus gefolgert, dass der BFH ebenfalls ausdrücklich auf das Auftreten als Berufsträger abstelle. Das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 6.10.2022, 4 K 1341/22, EFG 2023, 65) verstand den BFH hingegen – wie das Besprechungsurteil – so, dass die Nutzungspflicht unabhängig davon bestehe, ob die Person als Berufsträger auftrete oder nicht und begründete darüber hinaus ausführlich den eigenen Standpunkt zum (bloßen) Statusbezug der Norm. Zuvor hatte bereits das FG Berlin-Brandenburg die Auffassung vertreten, dass alleine der Status als RA pflichtbegründend wirke (Beschluss vom 8.3.2022, 8 V 8020/22, EFG 2022, 846). Für die Parallelvorschriften in anderen Prozessordnungen wurden hingegen teilweise andere Entscheidungen getroffen: So haben etwa das LG Hildesheim (Beschluss vom 12.7.2022, 5 T 163/22, NJW-RR 2022, 1518, zu § 14b Abs. 1 FamG) und das ArbG Stuttgart (Beschluss vom 18.7.2022, 4 Ca 1688/22, juris, zu § 46g ArbGG) ausdrücklich auf ein rollenbezogenes Verständnis der jeweiligen Normen abgestellt.
Gegen das Urteil des FG Rheinland-Pfalz ist die vom FG zugelassene Rev. unter dem Az. II R 44/22 anhängig, so dass der BFH unabhängig davon, ob im hiesigen Verfahren Beschwerde eingelegt wird, Gelegenheit haben dürfte, zu der Rechtsfrage Stellung zu nehmen. Eine zügige Klärung wäre zu begrüßen, da sich die Frage im Hinblick auf die seit dem 1.1.2023 geltende Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt, vgl. § 52d Satz 2 FGO, §§ 86d, 157e StBerG) zukünftig in vergleichbaren Konstellationen auch für StB stellen dürfte (vgl. Bertling/Thelen in Lippross/Seibel, § 52d FGO Rz. 12).
Aktuelles aus Heft 3 der EFG (Februar 2023) u.a.
Baukostenzuschuss für die Errichtung eines Tierheims
Das FG Münster hat mit Urteil vom 22.11.2022 (15 K 2025/19 U) zum Baukostenzuschuss für die Errichtung eines Tierheims entschieden. Der Richter am FG Dr. Felix Magnus Kessens kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Das FG hatte darüber zu befinden, ob Zuschüsse für die Errichtung eines Tierheims umsatzsteuerbar sind, wenn der Tierheimbetreiber für den Erhalt des Zuschusses den zuschussgebenden Kommunen das Recht einräumt, für einen Zeitraum von 25 Jahren Fundtiere vorrangig vor anderen nicht zuschussgebenden Kommunen abzugeben und die Kommunen für die Aufnahme der Tiere nur einen vom Normalpreis abweichenden geringeren Betrag bezahlen müssen. Das FG Münster hat den Zuschuss klageabweisend als umsatzsteuerbares Entgelt für die Einräumung dieser Vorteile angesehen.
II. Rechtsauffassungen/Entscheidung des FG
Das Ansinnen der Klin. ist zunächst einmal nachvollziehbar. Sie differenzierte zwischen der konkreten Aufnahme der Tiere von den Kommunen gegen Zahlung eines Geldbetrags, den sie ohne weiteres und zu Recht als umsatzsteuerbar ansah. In Bezug auf die Errichtung des Tierheims nahm sie keinen Leistungsaustausch an, da das Tierheim nicht in das Eigentum der zuschussgebenden Kommunen überging, sondern bei der Tierheimbetreiberin verblieb. Prima facie fehlt es daher an einem Leistungsaustausch.
Die im Rahmen des Verfahrens vorgelegten Dokumente aus dem kommunalpolitischen Entscheidungsprozess zeigen jedoch, dass die einzelnen Kommunen nicht freigiebig handelten, sondern das Geld nur für konkrete verbrauchbare Vorteile ausgaben. Die zuwendenden Kommunen haben den Zuschuss nur geleistet, um durch die Zuwendung das Recht zu erhalten, für einen Zeitraum von 25 Jahren Fundtiere bei der Klin. abgeben zu können und dies vorrangig vor anderen (nicht zuschussgebenden) Kommunen. Zudem erwarben sie das Recht, für die Abgabe der Fundtiere nur einen geringeren Preis zu zahlen. Die Einräumung dieser Vorteile gegen Zahlung des Zuschusses hat das FA zutreffend als umsatzsteuerbar erachtet.
III. Hinweise für die Praxis
Die Zuschussgewährung durch Kommunen und Kreise ist umsatzsteuerrechtlich problematisch. Die Zuschussgeber leisten mit der Intention, dass keine Umsatzsteuer anfällt, um die Gesamtkosten der Zuschussgewährung niedrig zu halten. Auf der anderen Seite stimmen Stadträte und Kreistagsmitglieder Zuschüssen nicht einfach so zu. Sie fragen sich stets, was bekommen wir dafür? Dies betrifft insbesondere solche Konstellationen, in denen manche kreisangehörige Städte einen Zuschuss zur Errichtung des Tierheims leisten, während andere den Zuschuss versagen. Die zuschussgebenden Kommunen möchten nicht freigiebig zu Gunsten der anderen Gemeinden agieren, sondern eruieren, was der eigene Vorteil ist, wenn man leistet, gegenüber den anderen Kommunen, die nicht für die Errichtung des Tierheims bezahlen. Aus dieser im politischen Entscheidungsprozess ganz natürlichen Herangehensweise folgt unweigerlich der unerwünschte umsatzsteuerbare Leistungsaustausch.
Darüber hinaus führt die Transparenz des Entscheidungsprozesses stets zur Aufdeckung dieser Absichten. Stadträte und Kreistagsmitglieder treffen keine Entscheidungen auf Zuruf, sondern nur auf Grund sorgsam ausgearbeiteter Sitzungsvorlagen, die alle Vorteile der Zuschussgewährung aufzeigen. In anderen Lebensbereichen bleiben derartige Absichten möglichweise unentdeckt. Durch die schriftliche Fixierung dieser Absichten und der Absprachen mit den Zuschussempfängern ist ein Aufgriff im Rahmen von Betriebsprüfungen indes wahrscheinlich.
ISSN: 0421-2991
Branche: | Steuerberatende Berufe/Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte/Notare |
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Erscheinungsform: |
Die Herausgeber
Herausgegeben unter Mitwirkung der Richter an den Finanzgerichten in der Bundesrepublik Deutschland.
Redaktion
Christian Wolsztynski
Harald Junker