Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
Preise zzgl. MwSt
Die Vorteile der EFG Zeitschrift
- Umfassend informiert mit dem Online-Zugang zur Datenbank der EFG Zeitschrift
- Kommentierungen, Gestaltungshinweise und Beispiele zu den Rechtsprechungen
- Kostenloser Download der Einzelhefte via App
Welche Bedeutung haben die Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)?
Die Entscheidungen der Finanzgerichte sind ein Indikator dafür, wie sich die Rechtsprechung im Steuerrecht fortentwickelt. Für Sie kommt es darauf an, alle für die Beratungspraxis wesentlichen Finanzgerichts-Entscheidungen auf dem Radar zu haben, auch aus Haftungsgründen.
Das Konzept der EFG Zeitschrift:
- Die Auswahl der Entscheidungen: Die stets aktuellen Entscheidungen der Finanzgerichte sind von einer hochqualifizierten Redaktion aus erster Hand nach ihrer Relevanz für die Beratungspraxis ausgewählt.
- Die Aufbereitung der Gerichtsentscheidungen: Ein aussagekräftiger Leitsatz bildet die Quintessenz. Die Entscheidungsgründe konzentrieren sich auf die tragenden Gründe, ergänzt um Zwischenüberschriften.
- Die Kommentierung der Entscheidungen: Alle Entscheidungen werden in den EFG-Zeitschriften hochkarätig kommentiert. Es werden weiterführende Anmerkungen vorgenommen sowie Arbeitshilfen in Form von Gestaltungshinweisen und Beispielen aufgeführt.
Der Zugang zur Online-Datenbank:
Der Zugang zur Online-Datenbank der EFG stellt sämtliche Ausgaben seit dem Jahrgang 1995 digital zur Verfügung und bietet außerdem diverse Online-Funktionen wie die Beratersicht zur Steuerrechtsprechung (BeSt).
Umfassendes Archiv der EFG Zeitschrift
Neben der digitalen Verfügbarkeit aller Ausgaben der EFG Zeitschrift seit dem Jahrgang 1995 bietet der Online-Zugang als Service jährlich alle weiteren Finanzgerichts-Entscheidungen in der amtlich neutralisierten Fassung. Damit können Sie auf den gesonderten Abruf bei den einzelnen Finanzgerichten verzichten!
Sie haben außerdem Zugang zu einer umfassenden Rechtsprechungssammlung der obersten Gerichte mit mehr als 600.000 Entscheidungen sowie zu wichtigen Gesetzen, Verwaltungsanweisungen und weiteren Rechtsquellen.
Aktuelles aus Heft 4 der EFG (Februar 2024) u.a.
Besteuerung von Mitgliedsbeiträgen eines Sportvereins
Das Niedersächsische FG hat mit Urteil vom 10.1.2023 (11 K 147/22) zur Besteuerung von Mitgliedsbeiträgen eines Sportvereins entschieden. Die Richterin am FG Anna Sutorius kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Das FG hatte insbesondere über die Frage zu entscheiden, ob die Mitgliedsbeiträge eines Sportvereins steuerpflichtig oder steuerfrei gem. § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG sind und ein damit im Zusammenhang stehender Vorsteuerabzug zu gewähren ist.
II. Die Entscheidung des FG
Das FG hat die Klage überwiegend abgewiesen. Dabei ist es zu dem Schluss gekommen, dass der Kl. die begehrten Vorsteuerbeträge nicht abziehen könne, die darauf entfielen, dass er seinen Mitgliedern die Teilnahme am Training und an Punkt- sowie Testspielen ermögliche. Seine Mitgliedsbeiträge seien zwar Entgelte für seine steuerbaren Leistungen, weil ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen ihnen und der Leistung des Kl., seinen Mitgliedern Vorteile wie Sportanlagen zur Verfügung zu stellen, bestehe. Diese Leistungen seien aber nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG steuerfrei und würden daher insoweit den Vorsteuerabzug ausschließen. Denn bei den Mitgliedsbeiträgen handele es sich um ein Entgelt in Form einer Teilnehmergebühr i. S. des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG. Den Teilnehmern, d.h. den Vereinsmitgliedern, seien seitens des Kl. nicht nur Sportgegenstände oder -anlagen zur Verfügung gestellt worden, sondern grundsätzlich ein organisierter und strukturierter Trainings- sowie Spielbetrieb. Dass einige Mitglieder davon keinen Gebrauch machen und nicht durch einen Trainer angeleitet bzw. nicht am Ligabetrieb teilnehmen würden, führe zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn grundsätzlich bestehe die Möglichkeit, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen. Dabei verstoße die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG nicht gegen Unionsrecht, weil sie die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m der MwStSystRL nach neuester BFH-Rspr. dem Grunde nach umsetze. Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge seien nur abzugsfähig, soweit der Kl. zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs beabsichtigt habe, den Kunstrasenplatz für die Punktspiele der 1. Herrenmannschaft, aus denen steuerpflichtige Eintrittsgelder erzielt würden, zu verwenden.
Darüber hinaus hat das FG entschieden, dass der von der Gemeinde gewährte Zuschuss einen nicht umsatzsteuerbaren (echten) Zuschuss darstellt. Der Zuschuss sei zwar für die Errichtung des Kunstrasenplatzes gezahlt worden. Die Zahlung sei aber nicht zu dem Zweck, zu späterer Zeit einen Kunstrasenplatz bzw. einen dann noch vorhandenen Gegenwert zu erlangen, erfolgt. Die Gemeinde habe den Kl. ersichtlich aus strukturpolitischen Gründen (Förderung der Jugend; Unterstützung der Vereinsarbeit) in die Lage versetzen wollen, eigenverantwortlich seiner gemeinnützigen Tätigkeit i. S. der örtlichen Gemeinschaft nachzugehen.
III. Einordnung und Würdigung der Entscheidung
Das FG hat zutreffend vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils vom 21.3.2002 Rs. C-174/00 Kennemer Golf & Country Club (HFR 2002, 560) die Steuerbarkeit der Mitgliedsbeiträge bejaht. Wenn eine Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar ist, ist – wie vom FG zutreffend erfolgt – zu prüfen, ob sie mangels einschlägiger Steuerbefreiungsvorschrift steuerpflichtig ist. Das FG hat im Streitfall die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG angenommen und in diesem Zusammenhang durch Auslegung die Voraussetzungen der sportlichen Veranstaltung und der Teilnehmergebühren als erfüllt angesehen. Da es hierzu bislang keine einschlägige BFH-Rspr. unter Berücksichtigung der EuGH-Entscheidung „Golfclub Schloss Igling“ (Urteil vom 10.12.2020 Rs. C-488/18, HFR 2021, 223) gibt, bleibt abzuwarten, ob der BFH die Auffassung des FG teilen wird.
Die geltend gemachten Vorsteuerbeträge hat das FG dann zutreffend der Aufteilung im Wege einer sachgerechten Schätzung unterworfen und den Vorsteuerabzug gewährt, soweit der Kläger beabsichtigt hat, den Kunstrasenplatz für steuerpflichtige Umsätze zu verwenden.
Das FG ist bei der Prüfung des von der Gemeinde gewährten Zuschusses der einschlägigen BFH-Rspr. gefolgt und hat ihn vertretbar als nicht umsatzsteuerbaren (echten) Zuschuss eingeordnet.
IV. Hinweise für die Praxis
Die Rev. wurde zugelassen und ist unter dem Az. V R 4/23 beim BFH anhängig. Der BFH hat bislang noch nicht zur Auslegung der „sportlichen Veranstaltung“ und der „Teilnehmergebühren“ i.S. des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG infolge der EuGH-Entscheidung „Golfclub Schloss Igling“ Stellung genommen.
Aktuelles aus Heft 3 der EFG (Februar 2024) u.a.
Zur Beschränkung der Erbenhaftung bei Betriebsaufspaltung
Das FG Düsseldorf hat mit Urteil vom 24.11.2023 (3 K 643/21 KV) zur Beschränkung der Erbenhaftung bei Betriebsaufspaltung entschieden. Die Richterin am FG Marion Lürbke kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Der Streitfall betrifft die Problematik, unter welchen Voraussetzungen ein Erbe die Haftung für Steuern auf den Nachlass beschränken kann. Konkret ging es dabei um Steuern, die durch die Aufdeckung stiller Reserven infolge der insolvenzbedingten Beendigung einer Betriebsaufspaltung entstanden waren. Die Frage, ob in einer derartigen Konstellation (haftungsbegünstigte) Erbfallschulden oder (nicht begünstigte) Nachlasserbenschulden vorliegen, wurde – soweit ersichtlich – erstmalig gerichtlich entschieden.
II. Rechtslage
Die Haftung kann nur für Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 1967 Abs. 2 BGB beschränkt werden. Ob eine Schuld eine Nachlassverbindlichkeit ist, ist rein zivilrechtlich zu beurteilen. Infolgedessen ist weitgehend auf die Rspr. des BGH zurückzugreifen. Rspr. der Finanzgerichtsbarkeit zur Beschränkung der Erbenhaftung gibt es nur vereinzelt.
Nicht zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören die Schulden, die der Erbe bei der Verwaltung des Nachlasses selbst begründet (sog. Nachlasserbenschulden). Für die Abgrenzung ist im Wesentlichen entscheidend, ob die mit dem Nachlass zusammenhängende Verbindlichkeit – hier die Steuerschuld – durch ein eigenes Verhalten des Erben ausgelöst wird oder ob sie ohne sein Zutun entsteht.
III. Die Entscheidung des FG
Das FG hat der Klage stattgegeben. Bei den Steuern, die auf den Aufgabegewinn entfallen, handele es sich um haftungsbegünstigte Erbfallschulden, weil die Beendigung der Betriebsaufspaltung nicht auf einer Handlung der Erben beruhe, sondern dem rechtlichen Konstrukt „Betriebsaufspaltung“ geschuldet sei. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG habe zwangsläufig zum Wegfall der personellen Verflechtung und damit zur Aufdeckung der stillen Reserven geführt. Letztlich habe sich ein Geschehensablauf realisiert, der von dem Erblasser mit Begründung der Betriebsaufspaltung in Gang gesetzt worden sei und dessen Verwirklichung von den Erben nicht habe verhindert werden können. Das eigenhändige Stellen des Insolvenzantrags über das Vermögen der KG stehe der Beschränkung der Erbenhaftung nicht entgegen, weil der Kläger und sein Bruder insoweit nicht als Erben bei der Verwaltung des Nachlasses gehandelt hätten, sondern als Geschäftsführer der KG.
IV. Einordnung und Würdigung der Entscheidung
Die Entscheidung des FG lässt sich nicht dahingehend verallgemeinern, dass die Steuern, die anlässlich einer insolvenzbedingten Beendigung einer Betriebsaufspaltung entstehen, generell haftungsbegünstigt sind. Maßgebend sind letztlich immer die Besonderheiten des Einzelfalls. Von besonderer Bedeutung ist dabei insbesondere, zu welchem Zeitpunkt der Insolvenzantrag (dito: Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens bzw. Antrag auf Anordnung einer Nachlassverwaltung, §§ 1975, 1980, 1981 BGB) gestellt worden ist. Denn ein enger zeitlicher Zusammenhang zum Erbfall ist ein wesentliches Indiz dafür, dass sowohl die aufgedeckten stillen Reserven als auch die Ursachen für die Überschuldung maßgeblich schon zu Lebzeiten des Erblassers entstanden waren und es sich bei dem Aufgabegewinn deshalb um eine Erbfallschuld handelt. Bei fortschreitendem Zeitablauf schwindet die Kausalität zum Erbfall, insbesondere wenn die Erben in die Gesellschafterstellung des Erblassers bei der Besitz- und Betriebsgesellschaft eintreten und die Betriebsaufspaltung unter ihrer Mitwirkung fortgeführt wird.
Aktuelles aus Heft 2 der EFG (Januar 2024) u.a.
Lohnsteuerliche Behandlung von Parkplatzkosten
Das FG Köln hat mit Urteil vom 20.4.2023 (1 K 1234/22) zur lohnsteuerlichen Behandlung von Parkplatzkosten entschieden. Der Richter am FG Dr. Michael Hennigfeld kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Sachverhalt
Streitig war die Frage, ob die von den Arbeitnehmern gezahlten Entgelte für einen vom Arbeitgeber angemieteten Parkplatz den geldwerten Vorteil aus der Nutzungsüberlassung eines betrieblichen Kfz mindern. Den Arbeitnehmern der Kl. stand z. T. ein Firmenwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. In der Firmenwagenregelung war bestimmt, in welchen Fällen der Firmenwagen für geschäftliche Fahrten zu nutzen war. Da im Umfeld der Büroräume der Kl. kaum öffentliche Parkplätze vorhanden waren, bot die Kl. ihren Arbeitnehmern an, im Umfeld der Büroräume einen Parkplatz anzumieten. Hierfür fiel einmonatliches Entgelt i. H. v. 30 € an. Das Entgelt berücksichtigte die Kl. als Nettoabzug in den Lohnabrechnungen der betroffenen Arbeitnehmer. Den geldwerten Vorteil aus der Firmenwagenüberlassung für private Wegstrecken ermittelte die Kl. gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (1 %- bzw. 0,3 %-Regelung). Sofern für die entsprechenden Mitarbeiter auch ein Parkplatz durch die Kl. angemietet wurde, wurde das monatliche Nutzungsentgelt i.H.v. 30 € bei der Ermittlung des geldwerten Vorteils mindernd berücksichtigt. Nach einer Außenprüfung kam der Bekl. zu dem Ergebnis, dass die entsprechende Minderung nicht statthaft sei. Die Parkkosten stünden nicht unmittelbar mit dem Halten und dem Betrieb des Fahrzeugs in Zusammenhang. Es fehle insoweit an einer Zwangsläufigkeit und Unmittelbarkeit der entstandenen Kosten für die Parkplätze. Gegen den erlassenen Haftungs- und Nachforderungsbescheid richtete sich die Klage.
II. Entscheidung des Gerichts
Das FG hat der Klage stattgegeben. Der Bekl. habe zu Unrecht bei der Kl. Lohnsteuer nachgefordert. Die Überlassung eines betrieblichen Fahrzeugs an einen Arbeitnehmer zur Privatnutzung führe zum Zufluss von Arbeitslohn. Zahle ein Arbeitnehmer an den Arbeitgeber für die außerdienstliche Nutzung ein Entgelt, mindere dies den Wert geldwerten Vorteils aus der Nutzungsüberlassung. Nichts anderes gelte, wenn ein Arbeitnehmer im Rahmen der privaten Nutzung einzelne Kosten des betrieblichen Fahrzeugs trage. Zu berücksichtigen seien dabei Zahlungen des Arbeitnehmers, die Bestandteil der durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG seien. Gemeint seien hiermit solche Kosten, die zwangsläufig im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Fahrzeugs entstünden. Der Betrieb eines Firmenwagens setze essenziell eine Parkmöglichkeit voraus, anders sei ein Fahrzeug nicht nutzbar. Es sei gerichtsbekannt (und unstreitig), das im Umfeld der Kl. kaum öffentliche Parkplätze zur Verfügung stünden. Vor diesem Hintergrund sei die Notwendigkeit eines privat organisierten Stellplatzes im Umfeld des Betriebes zwangsläufig notwendig.
III. Hinweise für die Praxis
Das FG hat die Revision zugelassen. Das Verfahren wird beim BFH unter dem Az. VI R 7/23 geführt. Der BFH hatte in der Vergangenheit Garagenkosten zu den durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen i.S. von § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG gezählt, ohne hierbei zwischen einem Stellplatz am Wohnort oder an der Tätigkeitsstätte zu unterscheiden (BFH-Urteile vom 7.6.2002 VI R 145/99, BFHE 199, 322, BStBl II 2002, 829; vom 14.9.2005 VI R 37/03, BFHE 211, 215, BStBl II 2006, 72). Auch die FinVerw zählt zu den maßgeblichen Gesamtkosten Stellplatzmieten (BMF-Schreiben vom 3.3.2022, BStBl I 2022, 232, Rz. 54 und 32). Allerdings gab es in der jüngeren Vergangenheit auch zwei gerichtliche Entscheidungen, die eine den geldwerten Vorteil mindernde Berücksichtigung von Stellplatzkosten ablehnten (FG Münster, Urteil vom 14.3.2019 10 K 2990/17 E, EFG 2019, 1083, mit Anm. Borgdorf; Niedersächsisches FG, Urteil vom 9.10.2020 14 K 21/19, EFG 2021, 191, mit Anm. Haversath). In beiden Fällen machten die jeweiligen Kläger die Garagenkosten im Zusammenhang mit einer selbst genutzten Immobilie als den geldwerten Vorteil mindernde Kosten geltend. Dem sind die Gerichte in beiden Fällen nicht gefolgt. Die Gerichte stellten entscheidend darauf ab, dass es jeweils an einer arbeitsrechtlichen Verpflichtung gefehlt habe, die Fahrzeuge in einer Garage abzustellen. Im nach der Entscheidung des Niedersächsischen FG geführten Revisionsverfahren ist der BFH dieser Einschätzung gefolgt (BFH-Urteil vom 4.7.2023 VIII R 29/20, BFH/NV 2023, 1264). Im Besprechungsurteil hat der Senat ausdrücklich ausgeführt, dass es für die Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen nicht notwendig sein müsse, dass diese für den Arbeitnehmer aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen notwendig entstanden seien und somit ein arbeitsvertragliches Erfordernis nicht notwendig sei. Der BFH hat hingegen in seiner aktuellen Entscheidung vom 4. 7. 2023 ausdrücklich ausgeführt, dass nur solche Kosten berücksichtigungsfähig seien, die vom Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber „übernommen“ würden, „was eine arbeitsvertragliche oder andere arbeits- oder dienstrechtliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Kostentragung erforder(e)“. Insoweit steht die Besprechungsentscheidung im Widerspruch zu der erst später ergangenen Entscheidung des BFH. Allerdings dürfte sich die Zwangsläufigkeit der entstandenen Parkplatzkosten aus einem tatsächlichen Aspekt ergeben. Nach den – den BFH bindenden – Feststellungen des FG bestand im Umfeld des Arbeitsplatzes eine erhebliche Parkplatznot, was die private Anmietung von Stellplätzen offenbar erforderlich machte, sollten die Arbeitnehmer den in der betrieblichen Firmenwagenregelung normierten Anforderungen zur Dienstwagennutzung überhaupt nachkommen können. Angesichts der zunehmenden Verknappung von Parkräumen in Innenstädten dürften sich entsprechende Streitfragen in Zukunft häufen, weshalb der Entscheidung des BFH mit Spannung entgegengesehen werden darf.
Aktuelles aus Heft 1 der EFG (Januar 2024) u.a.
Außergewöhnliche Belastungen bei Mieterhöhung auf Grund eines behindertengerechten Umbaus
Das FG München hat mit Urteil vom 27.10.2023 (10 K 3292/18) zu außergewöhnlichen Belastungen bei Mieterhöhung auf Grund eines behindertengerechten Umbaus entschieden. Der Richter am FG Dr. Matthias Wackerbeck kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung/Sachverhalt
Die Kl. (Eheleute) hatten von einer GmbH (Vermieterin), deren Alleineigentümer der Kl. war, zunächst ein Wohnhaus (Haus E, 151 qm) gemietet. Später errichtete die Vermieterin einen behindertengerechten Verbindunganbau (70 qm) für den pflegebedürftigen Sohn, der das Haus E mit dem ebenfalls im Eigentum der GmbH stehenden Nachbarhaus (Haus R, 161 qm) verband. Im Verbindungsanbau wurden das Pflegebad sowie der Wohnbereich des Sohnes, der Schlafbereich des Sohnes wurde im EG des Hauses R eingerichtet. Im Obergeschoss des Hauses R wurde ein Schlafbereich für den Kl. eingerichtet (zur nächtlichen Umbettung des Sohnes). Im Zuge des Umbau wurde auch die vereinbarte Miete erhöht (vorher 2 000 DM, nachher: 2 250 €).
Die Kl. machten die erhöhte Miete in voller Höhe als ag. Bel. geltend. Der Bekl. erkannte nur den Betrag der Mieterhöhung als ag. Bel. an, der sich unter Verzinsung (5 %) der Aufwendungen für einen notwendigen und kostengünstigeren Verbindungsbau (Mittelwert laut Sachverständigengutachten) ergab.
Zudem setzte der Bekl. eine vGA für die unentgeltliche Überlassung des Nachbarhauses R an die Kl. an (Kostenmiete zzgl. 5 % Gewinnaufschlag).
II. Die Entscheidung des FG
Das FG ist dem FA überwiegend gefolgt. Lediglich die vGA hat das FG nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens etwas gekürzt (Ansatz der Kostenmiete zzgl. 5 % Gewinnzuschlag).
III. Einordnung und Würdigung der Entscheidung
Fragwürdig könnte sein, dass der Senat (im Wege der Auslegung des Mietvertrages) davon ausgegangen ist, dass das gesamte Haus R von der vertraglichen Vereinbarung aus 2009 (Mieterhöhung) nicht erfasst ist und damit insgesamt unentgeltlich überlassen worden ist. Denn immerhin wurde im Haus R auch im Erdgeschoss das Schlafzimmer des behinderten Sohnes eingebaut und die Mieterhöhung erfolgte insgesamt im Hinblick auf den „behindertengerechten Umbau“. Ohne Kenntnis des Mietvertrages/der schriftlichen Vereinbarung lässt sich diese Frage jedoch nicht hinreichend valide beurteilen.
Meines Erachtens wäre es aber ohnehin sachgerechter gewesen, die nunmehr (nach Umbau im Jahr 2009) zu zahlende Miete auf ihre Angemessenheit hinsichtlich des Gesamtobjekts bestehend aus Haus E, Haus R und Verbindungsanbau zu überprüfen. Denn dieses bildet nunmehr ein einheitliches Objekt und wird offenbar auch insgesamt von der Familie der Kl. genutzt. In Höhe der Differenz zwischen Kostenmiete für das Gesamtobjekt (+ 5 % Gewinnaufschlag) und gezahlter Miete, läge dann eine vGA vor.
Auch die Berücksichtigung der Mieterhöhung als ag. Bel. überzeugt nicht. Denn immerhin ist den Kl. nach der Mieterhöhung insgesamt ein erhebliches größeres Wohnhaus überlassen worden. Die Miete pro qm ist nach dem Umbau auch erheblich gesunken (vorher 2 000 DM = 1 022,58 €/151,39 qm = 6,75 €/qm; nachher 2 250 €/(151,39 qm + 70 qm + 161,11 qm = 382,50 qm) = 5,88 € pro qm. Dies blendet das FG m. E. aus, in Rz. 67 der Entscheidungsgründe weist das FG lediglich darauf hin, dass einer „Berücksichtigung der Mieterhöhung als ag. Bel. im Streitfall auch nicht der Gegenwert in Form der Nutzungsmöglichkeit des behindertengerecht gestalteten Verbindungsbaus mit Pflegebad zwischen den beiden Häusern E und R entgegensteht, da die entsprechenden Aufwendungen stark unter dem Gebot der sich aus der Situation der Behinderung von M ergebenden Zwangsläufigkeit stehen.“ Diese Aussage berücksichtigt nicht, dass auch das Haus R miterschlossen wurde und nun eine Einheit mit dem Haus E bildet.
Aktuelles aus Heft 24 der EFG (Dezember 2023) u.a.
Sonderbetriebsausgabenabzug bei Auslandsbezug (§ 4i EStG)
Das FG Münster hat mit Urteil vom 31.8.2023 (10 K 2613/20 F) zum Sonderbetriebsausgabenabzug bei Auslandsbezug entschieden. Die Richterin am FG Katja Kruse kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Im vorliegenden Fall hatte das FG zu klären, ob die von einer in den Niederlanden ansässigen Kommanditistin geleisteten Refinanzierungszinsen für Darlehen der ebenfalls in den Niederlanden ansässigen Muttergesellschaft (= Darlehensgeberin), mit der sich die Kommanditistin in den Niederlanden in einer sog. niederländischen Gruppenbesteuerung für ertragsteuerliche Zwecke (sog. „fiscale eenheid“) befand, dem steuerlichen Abzugsverbot des § 4i Satz 1 EStG unterliegen.
Dieser Entscheidung lag im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die in den Niederlanden ansässige Kommanditistin der Klin. hatte im Streitjahr an ihre ebenfalls in den Niederlanden ansässige Muttergesellschaft Refinanzierungszinsen geleistet und diese Refinanzierungszinsen in ihrer Sonderbilanz als SBA berücksichtigt. In dem von der Klin. erklärten Gesamtgewinn für das Streitjahr waren diese SBA entsprechend gewinnmindernd berücksichtigt. Im Rahmen einer Bp vertrat der Bekl. die Auffassung, dem Abzug der Refinanzierungszinsen stünde das Abzugsverbot des § 4i Satz 1 EStG entgegen. Die Refinanzierungszinsen seien sowohl im In- als auch im Ausland doppelt berücksichtigt worden. Dem stehe nicht entgegen, dass sich die Kommanditistin zusammen mit ihrer Darlehensgeberin in den Niederlanden in einer sog. niederländischen Gruppenbesteuerung für ertragsteuerliche Zwecke befände und danach konzerninterne Transaktionen – hier also die Darlehensbeziehungen zwischen der Kommanditistin und ihrer Muttergesellschaft – für steuerliche Zwecke in den Niederlanden unbeachtlich blieben. Denn im Ergebnis sei bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage des niederländischen Konzerns zwar der Zinsaufwand der Kommanditistin steuerlich unbeachtlich, gleichzeitig bliebe aber auch der Zinsertrag bei der Muttergesellschaft unberücksichtigt, so dass im Ergebnis dennoch eine Minderung der ausländischen Steuerbemessungsgrundlage i.S. des § 4i Satz 1 EStG vorliege.
II. Rechtslage und Rechtsauffassungen
Die Vorschrift des § 4i EStG findet erstmals für VZ ab 2017 Anwendung. Während gerichtliche Entscheidungen zu dieser Norm – soweit ersichtlich – zumindest bislang nicht veröffentlicht worden sind, hat sich das Schrifttum zur Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm in zahlreichen Beiträgen und Kommentierungen geäußert. Allerdings bestehen innerhalb der Literatur nicht nur zu der hier vom FG zu entscheidenden Fragestellung, sondern auch zu den weiteren Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm unterschiedliche Rechtsauffassungen. Im Streitfall hatte sich das FG zunächst zu der Frage zu positionieren, nach welchen Grundsätzen die „Minderung“ der ausländischen „Steuerbemessungsgrundlage“ zu ermitteln ist. Diesbezüglich wird von einem Teil der Literatur die Auffassung vertreten, dass dieser Begriff aus dem nationalen Verständnis heraus auszulegen sei. Dagegen wird von anderer Seite argumentiert, dass die verwendeten Fachbegriffe mangels einer international einheitlich abgestimmten Begriffsbestimmung gerade nicht immer eindeutig zu bestimmen seien, so dass jedenfalls die Auslegung des Begriffs „Steuerbemessungsgrundlage“ nicht aus einem deutschen Verständnis heraus zu erfolgen habe. Daneben hatte das Gericht darüber zu entscheiden, ob bzw. inwieweit die spezifische steuerliche Behandlung von gruppeninternen Transaktionen einer niederländischen Konzerngesellschaft zu einer doppelten Berücksichtigung der hier streitigen Refinanzierungszinsen im In- und im Ausland geführt hat.
III. Die Entscheidung des FG
Das FG sah die Voraussetzungen des § 4i Satz 1 EStG als nicht erfüllt an und hat der Klage dementsprechend stattgegeben. Es hat dabei die Auffassung vertreten, dass auf Grund der Verwendung des spezifisch steuerlichen Begriffs „Steuerbemessungsgrundlage“ im Gesetzestext die Ermittlung der Minderung derselben aus einem nationalen Verständnis heraus zu ermitteln ist. Da die im Rahmen der sog. vollkonsolidierenden Gruppenbesteuerung in den Niederlanden geltende steuerliche Unbeachtlichkeit gruppeninterner Transaktionen im Ergebnis dazu führt, dass die Zinsaufwendungen der Kommanditistin im Rahmen der Ermittlung des Konzernergebnisses „außer Acht“ bleiben, ist das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass – bezogen auf die hier in Rede stehenden Schuldzinsen – tatsächlich keine Minderung vorgelegen hat. Dafür, dass neben den hier in Rede stehenden Schuldzinsen auch die entsprechend korrespondierenden Zinserträge der Muttergesellschaft, die für steuerliche Zwecke im Rahmen der vollkonsolidierenden Gruppenbesteuerung ebenfalls unbeachtlich bleiben, bei der Prüfung der Minderung der Steuerbemessungsgrundlage im Rahmen einer Gesamtbetrachtung miteinzubeziehen sind, sah das Gericht, insbesondere auch im Hinblick auf den ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzestextes sowie den systematischen Aufbau dieser Vorschrift, keine Veranlassung. Ebenfalls hat es das Gericht als unerheblich angesehen, dass die Kommanditistin in ihrem eigenen Jahresabschluss sowohl die Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Muttergesellschaft bilanziert als auch die Refinanzierungszinsen als Betriebsausgaben berücksichtigt hat.
IV. Einordnung und Würdigung der Entscheidung
Der vorliegende Fall dürfte deutlich gemacht haben, dass die Vorschrift des § 4i EStG im Zusammenspiel einer grenzüberschreitenden Beteiligung an Mitunternehmerschaften mit den jeweiligen nationalen Besteuerungssystemen der einzelnen Länder komplexe Fragen aufwirft; zumal die hier zu entscheidende Streitfrage ausschließlich den Fall der sog. vollkonsolidierenden Gruppenbesteuerung in den Niederlanden betrifft. Anzumerken bleibt insoweit, dass mit der Einführung des § 4k EStG mit Wirkung ab dem 1.1.2020 ab diesem Zeitpunkt auf Grund geänderter steuergesetzlicher Regelungen ein Abzug solcher Zinsaufwendungen ausgeschlossen worden ist.
Aktuelles aus Heft 23 der EFG (Dezember 2023) u.a.
Stellplatzkosten bei doppelter Haushaltsführung
Das Niedersächsische FG hat mit Urteil vom 1.9.2023 (10 K 202/22) zur Aussetzung der Vollziehung eines Grundsteuerwertbescheides entschieden. Der Richter am FG Dr. Michael Hennigfeld kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Streitig war die Frage, ob Stellplatzkosten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung den (beschränkt abziehbaren) Aufwendungen für die Unterkunft zuzuordnen sind. Der Kläger unterhielt neben seiner Hauptwohnung eine Zweitwohnung auf Grund seiner Tätigkeit als Gebietsverkaufsleiter. Zu der Wohnung gehörte ein Tiefgaragenstellplatz, für welchen ein separates Mietverhältnis abgeschlossen wurde. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2020 machte der Kläger die Stellplatzkosten als Mehraufwendungen für die doppelte Haushaltsführung geltend. Für die Wohnung war der gesetzliche Höchstbetrag gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG i.H.v. 12 000 € jährlich ausgeschöpft. Der Beklagte versagte die Anerkennung der Kosten unter Hinweis auf das Schreiben des BMF vom 25.11.2020 (BStBl I 2020, 1228), wonach die Aufwendungen für einen Stellplatz Teil der Unterkunftskosten seien.
II. Die Entscheidung des FG
Das FG hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Die Anmietung eines Tiefgaragenstellplatzes sei im Streitfall auf Grund der beschränkten Parkplatzsituation notwendig gewesen. Die entsprechenden Kosten seien hinsichtlich ihrer Abzugsfähigkeit nicht durch § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG gedeckelt. Die Tiefgaragenkosten seien nicht den Unterkunftskosten zuzuordnen. Die Kosten für die Tiefgarage würden nicht unmittelbar durch die Nutzung der Zweitwohnung verursacht, sondern durch die dem Stellplatzmieter eröffnete und vom reinen Gebrauchswert der Wohnung zu trennende Möglichkeit, den eigenen PKW abstellen zu können. Unerheblich sei insoweit, dass die vom Kläger abgeschlossenen Mietverträge inhaltlich aufeinander Bezug nähmen. Ein entsprechendes Begriffsverständnis entspreche auch dem Sinn und Zweck des Gesetzes, welche mit dem Pauschalbetrag die aufwändige Berechnung einer Durchschnittsmiete habe ersetzen sollen. Das entgegenstehende BMF-Schreiben vom 25.11.2020 entfalte keine Bindungswirkung für das Gericht.
III. Hinweise für die Praxis
Das FG hat die Revision zugelassen. Das Verfahren wird beim BFH unter dem Az. VI R 4/23 geführt. Der Gesetzgeber hat § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ab dem VZ 2014 dahingehend geändert, dass im Zusammenhang mit einer doppelten Haushaltsführung die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung einer Unterkunft höchstens mit 1 000 € im Monat angesetzt werden können. Die Streitfrage, ob hierzu auch die Kosten für einen PKW-Stellplatz zu zählen sind, ist streitig. Die Rspr. hat bislang diese Frage verneint (FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid vom 20.5.2020 2 K 1251/17, EFG 2020, 1408; FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.9.2022 3 K 48/22, EFG 2023, 114, für den Fall, dass der Stellplatz baulich nicht mit der Unterkunft verbunden ist). Das FG hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass im Streitfall zwar zwei verschiedene Mietverträge für Wohnung und Stellplatz abgeschlossen wurden, aber zweifelhaft wäre, dass ein anderes Ergebnis zu vertreten wäre, wenn Unterkunft und Stellplatz eine untrennbare Einheit bildeten und nur gemeinsam angemietet werden können. Das BMF vertritt in seinem Schreiben vom 25.11.2020 (BStBl I 2020, 1228) unter Tz. 108 die Auffassung, dass Aufwendungen für einen separat angemieteten Garagenstellplatz in den Höchstbetrag von 1 000 € mit einzubeziehen sind und nicht als sonstige notwendige Mehraufwendungen zusätzlich berücksichtigt werden können. Insoweit bleibt nunmehr die Entscheidung des BFH zu dieser Rechtsfrage abzuwarten. In vergleichbaren Konstellationen empfiehlt es sich, die Verfahren bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung offenzuhalten.
Aktuelles aus Heft 22 der EFG (November 2023) u.a.
Aussetzung der Vollziehung eines Grundsteuerwertbescheides
Das FG Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 1.9.2023 (3 V 3080/23) zur Aussetzung der Vollziehung eines Grundsteuerwertbescheides entschieden. Der Richter am FG Dr. Marius Schumann kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Einführung in die Problematik
Eine der auch außerhalb von Fachkreisen am lebhaftesten diskutierten steuerrechtlichen Fragen der Gegenwart ist, ob die Neuregelungen zur grundsteuerlichen Bemessungsgrundlage mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar sind. Von daher ist der Wunsch vieler Stpfl. nach einer schnellen gerichtlichen Klärung dieser Frage durchaus verständlich. Ein AdV-Antrag ist zwar grundsätzlich eine Möglichkeit, eine schnelle – jedenfalls vorläufige – finanzgerichtliche Einschätzung zu einer Rechtsfrage zu erhalten. Bei verfassungsrechtlichen Fragen setzt die BFH-Rspr. dem aber Grenzen.
II. Entscheidungserheblicher Sachverhalt
Der Sachverhalt des Besprechungsfalls war mehr als übersichtlich. Die ASt hat den Grundsteuerwertbescheid für ein ihr gehörendes Grundstück erhalten und zur Begründung ihres Einspruchs und des AdV-Antrags nichts weiter vorgebracht als die Behauptung, die neuen gesetzlichen Regelungen zur Ermittlung des Grundsteuerwerts seien verfassungswidrig.
III. Die Entscheidung des FG
Das FG hat den Antrag abgewiesen und hat dies allein auf das Fehlen eines besonderen berechtigten Interesses der ASt an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestützt. Ein solches ist nach der ständigen Rspr. jedenfalls des für die Grundsteuer zuständigen II. Senats des BFH (so z.B. in jüngerer Zeit in dem die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge betreffenden Beschluss vom 18.1.2023, II B 53/22, BFH/NV 2023, 382, II. 1. der Gründe, m.w.N.) bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer dem angefochtenen VA zu Grunde liegenden Norm erforderlich. Da dem FG aber nicht völlig zweifelsfrei erschien, in welchem Umfang dies in Anbetracht der jüngeren Rspr. des I. BFH-Senats (Beschluss vom 12.4.2023, I B 74/22 (AdV), BFH/NV 2023, 1178, B. II. 3. a der Gründe) bei der Anfechtung von Grundlagenbescheiden gelten soll, hat es die Beschwerde zugelassen, die aber (bis Redaktionsschluss dieser Anmerkung) nicht eingelegt worden ist.
IV. Weiterführende Hinweise
Es erscheint einigermaßen schwierig, sich einen Fall vorzustellen, in dem eine der vom II. BFH-Senat referierten Fallgruppen vorliegt, in denen ein vorrangiges besonderes berechtigtes Aussetzungsinteresse festgestellt werden kann. Eine finanzgerichtliche Stellungnahme zu den interessanten verfassungsrechtlichen Kernfragen wird daher voraussichtlich erst in einem geeigneten Klageverfahren zu erwarten sein. Im Übrigen ist zu bemerken, dass es sich auch in einem Klageverfahren empfehlen dürfte, sich nicht auf Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen der §§ 218 ff. BewG im Allgemeinen zu beschränken, sondern auch konkret darzulegen, warum gerade die konkret angefochtene Grundsteuerwertfeststellung den Kläger in seinen Grundrechten verletzt, was wenig naheliegen dürfte, wenn der festgesetzte Grundsteuerwert nicht höher als der Verkehrswert ist. Denn hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG muss nach der Rspr. des BVerfG plausibel dargelegt werden, wer in Bezug auf wen in welcher Weise benachteiligt wird. Die Verfassungsbeschwerde muss erkennen lassen, worin konkret ein individueller Nachteil liegt. Richtet sich der Angriff gegen eine Regelung, muss vorgetragen werden, zwischen welchen konkreten Vergleichsgruppen eine auch individuell nachteilig wirkende Ungleichbehandlung bestehen soll (BVerfG-Beschluss vom 8.5.2012, 1 BvR 1065/03, 1 BvR 1082/03, 1 BvR 1082/03, BVerfGE 131, 66, B. III. 5. a der Gründe, m.w.N.). Dabei wird es auch nicht genügen, allein andere Grundstücke beispielhaft zu benennen, bei denen der Grundsteuerwert unterhalb des Verkehrswerts liegt, ohne Angaben zum Verkehrswert des eigenen Grundstücks zu machen. Denn der allgemeine Gleichheitssatz ermöglicht grundsätzlich keine Kontrolle von Begünstigungen Dritter (BFH-Beschluss vom 30.8.2023, II B 35/22, juris, II. 2. b bb der Gründe, m.w.N.).
Aktuelles aus Heft 21 der EFG (November 2023) u.a.
Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 5 AStG
Das FG München hat mit Urteil vom 10.7.2023 (7 K 1938/22) zur Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 5 AStG entschieden. Die Richterin am FG Dr. Cornelia Ehrt kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Im Streitfall geht es um die Rechtmäßigkeit der vom FA vorgenommenen Gewinnerhöhung nach § 1 Abs. 5 AStG. Obwohl keine Anhaltspunkte für unangemessene Abrechnungen zwischen der ungarischen Muttergesellschaft und ihrer inländischen Betriebsstätte vorlagen, schätzte das FA den Gewinn der Betriebsstätte nach der Kostenaufschlagsmethode unter Berücksichtigung eines Aufschlags von 5 % unter Zugrundelegung der von der Klin. in ihren Gewinn- und Verlustrechnungen verzeichneten Aufwendungen. Die inländische Betriebsstätte wurde dabei als ein für das Stammhaus tätiges Routineunternehmen behandelt. Den Leistungsbeziehungen lägen anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen i.S. des § 1 Abs. 5 i.V.m. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG zu Grunde.
II. Die Entscheidung des FG
Das FG folgte der Auffassung des FA nicht, sondern schloss sich der Ansicht des FG Nürnbergs an, das in einer vergleichbaren Sachverhaltskonstellation zu dem Ergebnis gekommen war, dass der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG nicht eröffnet und die Bestimmungen der BsGaV nicht anwendbar seien, sofern Geschäftsbeziehungen zwischen der inländischen Betriebsstätte und dem Stammhaus, deren Bedingungen nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und dadurch die inländischen Einkünfte der beschränkt steuerpflichtigen Klin. mindern, nicht festgestellt werden können (FG Nürnberg, Urteil vom 27.9.2015 1 K 1595/20, EFG 2023, 527). Auf Grund des Gesetzeswortlauts handle es sich bei § 1 Abs. 5 AStG um eine reine Korrekturnorm, nicht jedoch um eine eigenständige Regelung zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns.
Soweit die ungarische Kapitalgesellschaft Leistungen im Zusammenhang mit dem Abschluss der Verträge mit dem Auftraggeber für die Fleischzerlegungsarbeiten und der Dienstleistungsfirma sowie dem Anwerben der in der Betriebsstätte eingesetzten Arbeitnehmer erbracht habe, habe sie diese nicht gegenüber der inländischen Betriebsstätte abgerechnet. Bei der steuerlichen Ermittlung der inländischen Einkünfte wurden keine Verrechnungspreise gewinnmindernd berücksichtigt.
Die von den ebenfalls ungarischen Gesellschaften erbrachten Fremdleistungen stellten keine „Personalfunktionen“ i.S. des § 1 Abs. 5 Nr. 1 AStG dar, die der Betriebsstätte zugeordnet werden können. Im Zusammenhang mit Abrechnungen der Geschäftsbeziehungen gegenüber fremden Dritten kommt die Verrechnungspreisproblematik, die einer Korrektur nach § 1 Abs. 5 AStG unterliegen kann, nicht zum Tragen.
III. Ausblick
Das FG hat die Rev. zugelassen. Damit hat der BFH Gelegenheit, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob auch bei fehlenden Verrechnungspreisen zwischen einem ausländischen Unternehmen und seiner inländischen Betriebsstätte eine Berichtigung der Einkünfte nach § 1 Abs. 5 AStG erfolgen kann.
Aktuelles aus Heft 20 der EFG (Oktober 2023) u.a.
Keine Organschaft bei Beteiligung einer steuerbefreiten Körperschaft an der (potenziellen) Organträgerpersonengesellschaft
Das Schleswig-Holsteinische FG hat mit Urteil vom 7.7.2023 (1 K 54/23) zur Organschaft bei Beteiligung einer steuerbefreiten Körperschaft an der (potenziellen) Organträgerpersonengesellschaft entschieden. Der Richter am FG Dr. Felix Hütte kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Die Klin. ist die Tochtergesellschaft einer Personengesellschaft (KG) und kämpft dafür, dass zwischen ihr – der Klin. – und der Mutter-(Personen-)Gesellschaft ein körperschaftsteuerliches Organschaftsverhältnis anerkannt wird. Einziger Streitpunkt ist die Frage, ob der Anerkennung der Organschaft entgegensteht, dass an der KG auch eine persönlich von der KSt befreite Körperschaft beteiligt ist.
II. Rechtsauffassungen
Die Klägerseite geht davon aus, dass die persönliche Steuerbefreiung der an der Muttergesellschaft beteiligten Körperschaft unschädlich ist. Dabei stützt sie sich im Wesentlichen auf die Entwicklung der einschlägigen Vorschriften: Während die erste Kodifikation der Organschaft (im Gesetz vom 15.8.1969) noch vorsah, dass die Gesellschafter einer Organträgerpersonengesellschaft der „Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer unterliegen“ mussten, wurde dieser Passus später (Gesetz vom 16.5.2003) wieder gestrichen. Damit sei klar, dass diese Anforderung auch entfallen sei.
Das FA dagegen teilt zwar die Auffassung, dass der Wortlaut des Gesetzes insoweit kein klares Verbot einer Steuerbefreiung (mehr) vorsieht; jedoch spreche der Sinn und Zweck des Gesetzes dafür, nur umfassend steuerpflichtige Gesellschafter an einer Organträgerpersonengesellschaft zuzulassen.
III. Die Entscheidung des FG und deren Einordnung
Das FG urteilte zu Gunsten des FA. Dabei hat es die Historie des einschlägigen Normenbereichs dargelegt und teilt – ebenso wie die Beteiligten – die Auffassung, dass der Wortlaut des Gesetzes unklar ist. Allerdings stellt das FG heraus, dass die (zunächst ausdrücklich angeordnete) umfassende Steuerpflicht aller Gesellschafter einer Organträgerpersonengesellschaft dem Leitgedanken Rechnung trage, dass das auf der Ebene der Organgesellschaft generierte Einkommen nicht durch die Überführung auf die Ebene eines befreiten Organträgers der Besteuerung entgehen sollte. Auch wenn der Wortlaut des Gesetzes im Jahr 2003 geändert worden sei, so finde sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber sich von diesem Leitgedanken verabschiedet hätte. Und da der neue Wortlaut unklar sei, könne dieser – noch immer tragende – Leitgedanke im Rahmen einer historischen Auslegung Berücksichtigung finden. Zudem werde das Ergebnis durch eine systematische Auslegung bestätigt.
IV. Hinweise für die Praxis
Das FG hat die Revision zugelassen. Es bleibt abzuwarten, welcher Ansicht der BFH folgt. Gestalterisch ließe sich erwägen, das vom FG statuierte Erfordernis u.U. zu umgehen, indem z.B. die Organträger-Personengesellschaft die Tätigkeit der Organtochter selbst ausführt. Ob eine solche Gestaltung – sozusagen im vorauseilenden Gehorsam im Hinblick auf die Möglichkeit, dass der BFH die Entscheidung des FG hält – sinnvoll ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Jedenfalls aber für den Fall, dass die Revision erfolglos ist, kann eine entsprechende Gestaltung – unter Berücksichtigung von § 42 AO – erwogen werden.
Aktuelles aus Heft 19 der EFG (Oktober 2023) u.a.
Berücksichtigung finaler Währungsverluste
Das FG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 11.5.2023 (1 K 180/22) zur Berücksichtigung finaler Währungsverluste entschieden. Die Richterin am FG Dr. Cornelia Ehrt kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Gegenstand der Klage ist die steuerliche Nichtberücksichtigung finaler Fremdwährungsverluste im Zusammenhang mit der Aufgabe einer irischen Betriebsstätte. Bis ins Jahr 1999 wies die irische Betriebsstätte das ihr zugeordnete Kapital in Irischen Pfund aus. Das inländische Stammhaus bilanzierte in DM. Seit Gründung der Betriebsstätte im Jahr 1972 kam es bis zur Umstellung auf Euro zur Entstehung von Währungsverlusten, die der irischen Betriebstätte zugeordnet wurden. Mit Aufgabe der irischen Betriebsstätte konnte der entstandene Verlust endgültig nicht mehr genutzt werden. Das Finanzamt erkannte die im Jahr 2004 vorgenommene gewinnmindernde Berücksichtigung der Währungskursverluste nicht an.
Die Klin. beruft sich im Wesentlichen auf einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Rspr. des EuGH im Urteil vom 28.2.2008 (Rs. C-293/06 Deutsche Shell, BStBl I 2009, 976) zu Währungsverlusten gelte trotz der jüngsten BFH-Urteile weiter. Auch die vom EuGH mit seinen Urteilen vom 22.9.2022 Rs. C-538/20 W AG (DStR 2022,1993) sowie vom 12.6.2018 Rs. C-650/16 Bevola und Jens W. Trock (BB 2018, 1493) vorgenommenen Einschränkungen zu finalen Betriebsstättenverlusten seien im Streitfall nicht einschlägig, da dabei nicht auf die Besonderheiten bei Währungsverlusten eingegangen worden sei. Damit könne die sog. Symmetriethese nicht greifen.
II. Die Entscheidung des FG
Das FG folgte diesen Einwendungen nicht, sondern schloss sich den jüngsten Entscheidungen des EuGH und ihm nachfolgend des BFH an.
Nach Auffassung des EuGH ist im Fall der auf einem DBA beruhenden Freistellung der ausländischen Einkünfte im Sitzstaat wegen der fehlenden Besteuerungsbefugnis bei der Prüfung eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit schon tatbestandlich eine Vergleichbarkeit mit der Behandlung reiner Inlandsfälle nicht gegeben. Der EuGH hat insoweit sein Urteil vom 17.12.2015 Rs. C-388/14 Timac Agro Deutschland (BStBl II 2016, 362) und das darauf basierende BFH-Urteil vom 22.2.2017 I R 2/15 (BStBl II 2017, 709) bestätigt.
Für die Frage der Vergleichbarkeit der Verhältnisse bestehe ein maßgeblicher Unterschied dahingehend, ob der „symmetrische“ Ausschluss der Berücksichtigung der gebietsfremden Betriebsstättengewinne und -verluste auf einer bilateralen Vereinbarung (DBA) mit dem Betriebsstättenstaat beruht oder ob der Ausschluss seine Grundlage in einer (unilateralen) Entscheidung des nationalen Steuerrechts hat. Dementsprechend gelte, dass sich der Begriff der Betriebsstättengewinne auf einen Nettobetrag bezieht. Dies bedeute, dass auch Betriebsstättenverluste aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind, unabhängig davon, ob es sich um Währungsverluste wie im Streitfall oder um andere Verluste handelt.
Eine Differenzierung nach der Art der entstandenen Verluste wurde weder vom EuGH noch vom BFH vorgenommen. Nach Ansicht des FG sind damit auch die auf Grund der Bilanzierung in verschiedenen Währungen entstandenen Verluste vom Verlustabzug ausgenommen.
III. Ausblick
Das FG hat die Revision zugelassen. Damit hat der BFH Gelegenheit, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die Grundsätze seiner jüngsten Entscheidungen auch für Währungsverluste Anwendung finden und die Rspr. des EuGH im Fall „Deutsche Shell“ (Urteil vom 16.12.2009 Rs. C-293/06, BStBl I 2009, 976) insoweit überholt ist
Aktuelles aus Heft 18 der EFG (September 2023) u.a.
Höhe der Aussetzungszinsen verfassungsgemäß
Das FG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 11.5.2023 (1 K 180/22) zu der Frage entschieden, ob die Höhe der Aussetzungszinsen gem. § 237 i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO (hier zur USt für die Jahre 2012 bis 2015) verfassungsgemäß ist. Der Richter am FG Dr. Sebastian Falk kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Die Entscheidung des FG
Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Zinshöhe der Aussetzungszinsen i.H.v. 0,5 % pro Monat sei verfassungsgemäß, weil die Entstehung von Aussetzungszinsen von einem Antrag und damit von einem Verhalten des Stpfl. abhängig sei. Der Stpfl. habe daher – anders als bei der Vollverzinsung (§ 233a AO) – grundsätzlich die Wahl, ob er den Zinstatbestand verwirklichen und den in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten Zinssatz hinnehme, oder ob er die Steuerschuld tilge und sich im Bedarfsfall die erforderlichen Geldmittel zur Begleichung der Steuerschuld anderweitig zu zinsgünstigeren Konditionen beschaffe.
II. Einordnung der Entscheidung
Mit seinem Beschluss vom 8.7.2021, 1 BvR 2237/14 (BVerfGE 158, 282) hat das BVerfG die Höhe der Zinsen i.S. des § 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 AO für Zeiträume ab dem 1.1.2014 für mit dem GG nicht vereinbar (aber fortgeltend) erklärt. Für Zeiträume ab dem 1.1.2019 hat das BVerfG § 233a i. V. m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für unanwendbar erklärt.
Im Anschluss an diese Entscheidung des BVerfG zur Vollverzinsung ist streitig, ob die Höhe des Zinssatzes für „andere Zinstatbestände nach der AO“ für gewisse VZ verfassungswidrig ist. Im Hinblick auf die Höhe der Aussetzungszinsen geht die Rspr. bisher einhellig davon aus, dass die Entscheidung zur Vollverzinsung nicht auf die Höhe der Aussetzungszinsen zu übertragen ist (FG München, Urteil vom 7.9.2022, 15 K 358/22, juris, rkr.; FG Münster, Urteil vom 8.3.2023, 6 K 2094/22 E, EFG 2023, 737, Rev. eingelegt, Az. des BFH: VIII R 9/23; FG Münster, Beschluss vom 10.2.2023, 3 V 2464/22, EFG 2023, 670, rkr.; FG Düsseldorf, Beschluss vom 24.1.2023, 12 V 1597/22 A, juris, rkr.; a.A. hingegen Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 237 AO Rz. 2a). Grund hierfür dürfte sein, dass das BVerfG im vorbezeichneten Beschluss (vgl. Rz. 242) im Rahmen eines obiter dictum dargelegt hat, dass eine Erstreckung der Unvereinbarkeitserklärung auf Aussetzungszinsen nicht in Betracht komme.
III. Hinweise für die Praxis
Im Zeitpunkt der Abfassung der Urteilsanmerkung ist nicht ersichtlich, ob der Kl. die vom FG zugelassene Revision eingelegt hat und damit neben dem Revisionsverfahren VIII R 9/23, welches die Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 2012 für den Zeitraum vom 1.1.2019 bis zum 15.4.2021 betrifft, ggf. ein weiteres Revisionsverfahren bei BFH anhängig ist, welches die Verfassungsgemäßheit der Höhe der Aussetzungszinsen zum Gegenstand hat. Angesichts des zuvor genannten obiter dictum des BVerfG (Rz. 242) dürften die Erfolgsaussichten eines etwaigen Revisionsverfahrens, welches Jahre vor 2019 beträfe, sehr gering sein.
Hinzuweisen ist ergänzend auf das Revisionsverfahren IV R 2/23, das die Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Zinssatzes nach § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG zum Gegenstand hat und in dem sich ähnliche Fragen wie im Besprechungsfall stellen. Insoweit hatte die Vorinstanz (FG Düsseldorf, Urteil vom 1.12.2022, 15 K 1131/19 G, F, EFG 2023, 817, mit Anm. Falk) entschieden, dass der in § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG bestimmte typisierende Zinssatz von 6 % verfassungsgemäß sei.
Aktuelles aus Heft 17 der EFG (September 2023) u.a.
Gewerblichkeit des Goldhandels
Das FG des Landes Sachsen-Anhalt hat mit Urteil vom 7.7.2022 (2 K 265/20) zur Gewerblichkeit des Goldhandels entschieden. Der Richter am FG Dr. Michael Hennigfeld kommentiert das Urteil und gibt Hinweise für die Praxis:
I. Problemstellung
Streitig war die Frage, ob die Kl., eine GbR, gewerbliche Einkünfte aus einem Goldhandel hatte. 2011 wurde nach englischem Recht die P-Partnership gegründet. Die Geschäftsführung oblag einer britischen Limited. Alleinige Gesellschafterin war die Kl., deren Gesellschafter die beiden Beigeladenen waren. Diese Beigeladenen hatten ihre Einlage aus dem Verkauf von Anteilen an einer GmbH finanziert. 2011 erwarb die P in vier Transaktionen physische Goldbarren, die 2012 wieder an die jeweiligen Banken zurückveräußert wurden. Die Erwerbe wurden im Wesentlichen durch die Einlagen der Gesellschafter der Kl. i.H.v. ca. 16 Mio. € sowie durch Rahmenkredite finanziert. 2012 erwarb die P durch vier weitere Ankäufe allocated Gold, denen 2013 zwei Verkäufe gegenüberstanden. Im selben Jahr wurden darüber hinaus zwei Ankäufe getätigt, denen 2014 entsprechende Verkäufe gegenüberstanden. Darüber hinaus handelte die P nach dem Streitjahr außerdem mit Gold, das nicht durchbaren Listen identifizierbar war. Insgesamt kam es zu fünf Ankäufen und drei Verkäufen. Im Anschluss wurde nur noch ein Nicht-Edelmetallhandel fortgeführt. Die Goldgeschäfte sicherte die P durch diverse Optionsgeschäfte ab. Im gesamten Zeitraum führten die Goldgeschäfte einschließlich der Optionsgeschäfte zu einem Verlust von rund 3,3 Mio. €. Die Kl. erklärte im Streitjahr 2011 in ihrer Feststellungserklärung Verluste und nach DBA steuerfreie Einkünfte aus einer gewerblichen Betriebstätte, die dem Progressionsvorbehalt unterlägen. 2012 ermittelte die Kl. einen Gewinn. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurden die in Großbritannien erzielten Einkünfte als solche aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens qualifiziert. In diesem VZ sei mangels Veräußerungen der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG noch nicht verwirklicht worden. In der Folge berücksichtigte der Bekl. im Feststellungsbescheid keine dem Progressionsvorbehalt unterliegenden und nach DBA steuerfreien negativen Einkünfte mehr. Hiergegen richtete sich die Klage. Die Kl. vertrat die Auffassung, sie habe gewerbliche Einkünfte erzielt. Der Bekl. wies darauf hin, dass die Gestaltung letztlich dadurch motiviert gewesen sei, steuerliche Vorteile der Beigeladenen durch Anerkennung der erklärten Verluste im Zusammenhang mit der zuvor erfolgten Veräußerung der Anteile an der GmbH zu erzielen. Die P sei letztlich eine Verlustzuweisungsgesellschaft gewesen.
II. Die Entscheidung des FG
Das FG hat die Klage abgewiesen. Die Kl. habe aus ihrer Beteiligung an der P in Großbritannien keine Unternehmensgewinne i.S. von Art. 7 Abs. 1 DBA UK erzielt. Daher lägen keine dem Progressionsvorbehalt unterfallenden Einkünfte vor. Bei einem Goldhandel lägen Indizien für eine gewerbliche Tätigkeit vor, wenn ein kurzfristiger und häufiger Umschlag von physischem Gold erfolge. Im Streitfall seien wenige Handelsgeschäfte mit Gold erfolgt, die allerdings von den erst im Folgejahr nachfolgenden Verkäufen nicht zu lösen seien. Diese Transaktionen seien bereits nach eigenen Angaben der Kl. erfolgt, um für die Beigeladenen durch Ausnutzung des negativen Progressionsvorbehaltes im Wege des sog. Goldfingermodells steuerliche Vorteile zu erzielen. Im Streitfall habe der Handel der Kl. mit allocated Gold sowie unallocated Gold nicht die Grenze der Vermögensverwaltung überschritten und sei daher nicht gewerblich gewesen. Zur Gesamtbeurteilung dürften nicht nur die ersten, sondern müssten auch die in den folgenden Zeiträumen durchgeführten Transaktionen betrachtet werden. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die Kl. ihre Geschäfte im Wesentlichen durch Fremdfinanzierungen durchgeführt habe. Die P habe sich durch die jeweiligen Optionen weitaus geringer gegen Verluste abgesichert, als Gewinne verhindert worden seien. Auch dies spreche gegen eine Händlertätigkeit.
III. Hinweise für die Praxis
Die Entscheidung erfolgte am zweiten Rechtsgang. Das Gericht hatte bereits am 6.4.2016 unter dem Az. 6 K 194/15 (n.v.) die Klage abgewiesen. Der BFH hatte die Entscheidung mit Urteil vom 28.11.2019, IV R 43/16 (BFH/NV 2020, 511) aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, woraufhin das Gericht die bisher unterbliebene Beiladung der Gesellschafter der Kl. nachholte. Darüber hinaus wies der BFH auf die zwischenzeitlich ergangene Rspr. zur Einkünftequalifikation beim Handel mit physischem Gold hin. Der BFH hatte entschieden, dass die Frage der Gewerblichkeit des Goldhandels anhand der Besonderheiten von Goldgeschäften beurteilt werden müsse. Ein kurzfristiger und häufiger Umschlag des Goldbestands sowie der Einsatz von Fremdkapital könnten Indizien für eine gewerbliche Tätigkeit sein. Die Grundsätze des Wertpapierhandels seien auf den Handel mit physischem Gold nicht übertragbar (BFH-Urteil vom 19.1.2017, IV R 50/14, BStBl II 2017, 456). Auch im zweiten Rechtsgang kam das FG unter Berücksichtigung der neueren Rspr. des BFH dazu, dass die Kl. nicht gewerblich gehandelt habe. Hintergrund der gesamten Gestaltung war das so genannte Goldfingermodell. Mit solchen Gestaltungen sollten durch negative Einkünfte ausländischer Personengesellschaften auf Grund des Progressionsvorbehalts die Besteuerung hoher inländischer Einkünfte beschränkt werden. Der Gesetzgeber hat auf die Gestaltungen ab 2013 durch die Neufassung von § 32b Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG reagiert (zum Ganzen Hennigfeld in BeckOK AO, § 42 Rz. 423 ff.).
ISSN: 0421-2991
Branche: | Steuerberatende Berufe/Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte/Notare |
---|---|
Erscheinungsform: |
Die Herausgeber
Herausgegeben unter Mitwirkung der Richter an den Finanzgerichten in der Bundesrepublik Deutschland.
Redaktion
Christian Wolsztynski
Harald Junker